Eitting:Ein Grab in buntem Licht

Eitting: Irgendwann am Karsamstag betätigt jemand einen Hebel, und der Leichnam verschwindet in der Versenkung. Und dann ist in Eitting das Grab leer.

Irgendwann am Karsamstag betätigt jemand einen Hebel, und der Leichnam verschwindet in der Versenkung. Und dann ist in Eitting das Grab leer.

(Foto: Renate Schmidt)

Die Osterliturgie wird in der Kirche St. Georg Eitting eindrucksvoll umgesetzt und dargestellt. Römische Legionäre bewachen die Felshöhle, bis am Samstag der Leichnam Jesu in der Versenkung verschwindet. Am Sonntag ist nichts mehr zu sehen

Von Regina Bluhme, Eitting

Die beiden römischen Legionäre sind wieder da. Mit rotem Schulterumhang, Helm und Lanze haben sie in der Kirche St. Georg Aufstellung genommen. Sie blicken ernst, denn sie haben eine verantwortungsvolle Aufgabe: Sie bewachen die Felsenhöhle, in der der Leichnam Jesu liegt. Wie jedes Jahr in der Fastenwoche wird in Eitting das Heilige Grab mit hölzernen Figuren und Kulissen aufgebaut. Es gibt nicht viele Kirchen im Landkreis, die auf diese Weise das Ostergeschehen so bildlich darstellen. In Eitting geschieht dies besonders eindrucksvoll. Hier verschwindet der Leichnam mithilfe eines Hebels. Am Ostersonntag bleibt nur ein Leintuch zurück.

25 Jahre hatte das Heilige Grab von Eitting hinter dem Hochaltar geschlummert. Erst bei Renovierungsarbeiten Ende 1990 wurden die Einzelteile wieder entdeckt. "Alles war furchtbar verstaubt, wir wussten gar nicht, wie die Stücke zusammengehörten", erinnert sich der damalige Kirchenpfleger Werner Zollner. Doch eines wusste die Kirchengemeinde: Das Grab sollte wieder aufgebaut werden. Seither wird die Tradition fortgeführt. In der Karwoche wird das Heilige Grab vor dem Marienaltar aufgebaut.

Am Montag war es wieder so weit. Vier, fünf Mann machten sich auf den Weg in den dreigeschossigen Kirchenturm. Dort lagern die römischen Wächter, die Palmen, die Felsenkulissen und die Jesusfigur. Über drei Stockwerke wurden die Stücke dann vorsichtig, zum Teil per Seilzug, zum Teil von Hand zu Hand, in den Altarraum befördert. Die beiden knapp 1,30 Meter großen Wächter sind zwischenzeitlich restauriert worden, berichtet Werner Zollner. Den maroden Unterboden des Grabs hat der gelernte Schlosser eigenhändig repariert und erneuert. "Die Felsenkulissen und die bis zu vier Meter hohen Palmen gehörten auch einmal restauriert", so Zollner. Wie alt das Heilige Grab sei, kann er nicht sagen. "Um 1800" schätzt er.

Noch im Originalzustand befinden sich mehrere Glasgefäße, die vor dem Grab stehen. Sie werden mit blau-, gelb- und rot gefärbtem Wasser gefüllt, die dahinter aufgestellten Kerzen sorgen für eine ganz eigene Atmosphäre. Ihr flackerndes Licht wird von den bunten Wassergläsern reflektiert. "So hat man früher für Lichteffekte gesorgt", sagt Zollner. Heute ist man weiter. In Eitting wird das Grab von Jesus zusätzlich von bunten Glühbirnen beleuchtet. Für den passenden Blumenschmuck sorgt die Eittinger Mesnerin Katharina Zollner, Werner Zollners Ehefrau.

Am Gründonnerstag zur Ölbergandacht ist das Heilige Grab längst aufgebaut, doch der Leichnam ist nicht zu sehen. Ein Vorhang ist vor das Grab gezogen. "Erst am Karfreitag nach der Liturgie wird der Vorhang beiseitegeschoben", sagt Katharina Zollner. Erst dann ist der Blick freigegeben auf die Jesusfigur, die ihr bleiches, fein geschnittenes Gesicht dem Betrachter zugewendet. Am Karfreitag ist die Kirche von bis 21 Uhr für Besucher geöffnet, am Karsamstag kann das Heilige Grab von 9 bis 12 Uhr besucht werden. Dann, irgendwann im Laufe des Samstagnachmittags, wird jemand den Hebel am Unterbau des Grabs betätigen und der Leichnam Jesu in der Versenkung verschwinden. "Das ist an Ostern dann so wie in der Bibel", sagt Katharina Zollner: "Das Grab ist leer."

Diese recht einprägsame Darstellung des Ostergeschehens gibt es laut Pressestelle der Diözese München-Freising noch in anderen Kirchen in der Region. Zum Beispiel in Dorfen, Erding, Hohenlinden oder Forstinning. Auch in Eittings Nachbarschaft, in der Gemeinde Oberding, hält man die Tradition des Heiligen Grabs aufrecht. Die Darstellung stammt bereits aus dem Jahr 1783. Wie Kirchenpfleger Hans-Joachim Magura erzählt, wird in der Oberdinger St. Georg-Kirche der Leichnam Jesu auf dem Volksaltar abgelegt. Links und rechts werden kleine Holzaufbauten gestellt, und vor dem Altar stehen wie in Eitting bunte, mit Wasser gefüllte Gläser, die das Kerzenlicht reflektieren. Am Karfreitag ist das Gotteshaus bis 22.30 Uhr für Gebete geöffnet. "Es herrscht immer eine ganz beeindruckende Atmosphäre", so Magura. Am Ostersonntag ist dann nichts mehr von dem Grab zu sehen. Denn in Oberding wird alles bereits am Karsamstag wieder abgebaut.

Die Tradition der Heiligen Gräber hat ihren Ursprung im Mittelalter. Das berichtet Hans Rohrmann, Fachreferent für kirchliche Denkmalpflege des Erzbischöflichen Ordinariats München. Da es sich bei der Osterliturgie um einen "relativ komplexen Sachverhalt" handle, habe man versucht, das Geschehen mithilfe kleiner Spielszenen oder auch mit Figuren bildlich darzustellen, so Rohrmann. In der Barockzeit sei das Ganze theatralisch ausgeschmückt worden, "es wurden richtige Stücke aufgeführt." Mitunter auch mit recht realistischen Kreuzigungsszenen. Mithilfe eines Heiligen Grabs sei den Gottesdienstbesuchern die Liturgie anschaulich gemacht worden.

Im 18. Jahrhundert, in Zeiten der Aufklärung, sei die Darstellung des Heiligen Grabs verboten und später nur in recht einfacher, bescheidener Form wieder eingeführt worden, weiß Hans Rohrmann. Auch nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sei die Meinung innerhalb der Kirche zu Heiligen Gräbern "eher gespalten" gewesen, weiß Rohrmann. Doch in jüngster Zeit habe sich wieder das Interesse verstärkt. "Die Heiligen Gräber sind wieder im Kommen", berichtet er. Auch in Oberding ist Kirchenpfleger Hans-Joachim Magura froh, dass die Tradition beibehalten wurde. Nach der Kirchenrenovierung 2011 habe es Diskussionen gegeben, "dass wir das mit dem Grab lassen sollen", so Magura. "Doch dann haben wir uns gedacht: Das ist etwas Seltenes und was ganz Besonderes, und so haben wir es wieder aufgebaut."

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