Süddeutsche Zeitung

Einzelhandel in Erding leidet unter der Corona-Pandemie:"Optimistisch bleiben, alles andere nützt nichts"

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Die Geschäftsbesitzer in Erding erwarten zum zweiten Mal nach 2020 ein schwieriges Weihnachtsgeschäft. Das Kundenverhalten habe sich geändert. Es werde gezielter gekauft und die Verweildauer im Laden sei kürzer geworden

Von Irem Özkalgay, Erding

Einen entspannten Weihnachtseinkauf und ausgiebigen Städte-Bummel durch Weihnachtsmärkte und Einkaufsläden wird es auch dieses Jahr nicht geben. Die Vorfreude auf den Weihnachtseinkauf trübt sich mit jeder neuen Corona-Meldung. Maskenpflicht beim Einkauf, ein Kunde pro zehn Quadratmeter und eine Pandemie-Politik, die ständig neue Regeln verkündet, veranlasst viele Kunden dazu, zurückhaltend auf das Einkaufsangebot in der Innenstadt Erdings zu reagieren. Eine Chance im Weihnachtsgeschäft, um einen Teil der Gemütlichkeit wieder aufleben zu lassen, sieht der Einzelhandel aber trotzdem und stellt sich positiv gestimmt auf die kommende, sinnliche Zeit ein.

Bunter Christbaumschmuck, glitzernde Lichter und eine familiäre Atmosphäre: Die Geschäfte in der Innenstadt Erdings bereiten sich auf Hochtouren auf das Weihnachtsgeschäft vor. Von Einrichtungsgegenständen über Bücher und Kosmetik, es lässt sich in den Einkaufsstraßen der Stadt etwas für jeden Geschmack finden, einpacken und verschenken. "Am liebsten kaufen die Kunden Wein. Momentan habe ich ein besonderes Angebot: Kaufe sieben, zahle sechs - das kommt sehr gut an", sagte Erwin Dosch, Inhaber des gleichnamigen Weinhauses in Erding. Neben unzähligen Weinen und Spirituosen gibt es hier auch Feinkost wie Antipasti und Pralinen zu kaufen. Trotz dieser großen Auswahl an Präsenten, verzeichnet der Ladeninhaber schon seit einigen Monaten aber eine geringere Frequenz an Kunden: "Letztes Jahr waren die Beschenkungen auch extrem wenig wegen den Kontaktbeschränkungen, heuer wird es ähnlich laufen, vor allem, weil alle Firmenfeiern abgesagt werden", vermutet er. Einen Hauptteil seines Umsatzes machen normalerweise zu dieser Jahreszeit nämlich Firmenpräsente und Kundengeschenke aus. Die fallen nun wegen der Kontaktbeschränkungen fast alle weg.

Diese geringe Frequenz bemerkt auch der Inhaber des Schuh-Mode-Geschäfts Rainer Gerlspeck in der Langen Zeile in Erding. "Seit den massiven, negativen Schlagzeilen von der Presse, stellen wir fest, dass viel weniger Kunden kommen", sagte er. Die Angst vor dem Rausgehen und einer möglichen Infektion, schlage sich seiner Meinung nach auf die Kaufbereitschaft aus.

Die Corona-Regelungen wurden seitens der Regierung aufgrund dramatischer Inzidenz-Zahlen wieder verschärft, das trifft auch den Einzelhandel. "Die Kauflaune der Leute ist schwankend. Sobald es schlechte Nachrichten gibt, wirkt es sich auf die Kauflaune aus", glaubt Lisa Eichner, Inhaberin des Voischee Concept Stores in Erding. Auch leiden viele Ladenbesitzer unter der Corona-Politik, die für sie undurchsichtig ist. "Die Leute kennen sich gar nicht mehr mit den Regeln aus und fragen mich ständig, ob wir noch geöffnet seien oder schon im Lockdown", beklagte sich Rainer Gerlspeck. Das führe einerseits dazu, dass die Leute weniger einkaufen und andererseits gezielter einkaufen und sich somit weniger in den Geschäften aufhalten würden. "Eine Beratung wird nicht benötigt, die Kunden kaufen gezielt und wissen meist schon, was sie wollen", bemerkte Erwin Dosch. Entspannt einkaufen sieht anders aus, weiß auch Romy Leuschner, Mitarbeiterin im Buchladen Thalia: "Die Kunden zögern nicht, eher das Gegenteil ist der Fall, weil alle bisschen Panik schieben, dass wir bald zu machen müssen."

Schnell noch alle Geschenke besorgen, bevor eine erneute Regeländerung droht - von einer gemütlichen Weihnachtsstimmung kann hierbei nicht die Rede sein. Trotzdem versuchen die Inhaber und Mitarbeiter der Geschäfte in Erding zumindest für etwas besinnliche Stimmung beim Einkaufen zu sorgen. "Der Weihnachtsmarkt ist ein großer Verlust. Der war schließlich nicht nur zum Sattmachen da, sondern um Stimmung zu kreieren", sagt Wolfgang Kraus, Besitzer des Modehaus Kraus am Eck. Sein Ziel: Die Weihnachtsstimmung im Haus trotzdem aufrechtzuerhalten. "Dann gibt's den Glühwein eben nicht auf dem Markt, sondern vor den Geschäften und die Leute können bei uns vom zweiten Stock den beleuchteten Christbaum auf dem Platz bestaunen", schlägt er als Alternative vor. Weihnachtlich dekorieren und schmücken wollen fast alle Ladenbesitzer. Der ein oder andere wird dabei auch etwas kreativer: "In der Woche vor Weihnachten werden alle Mitarbeiter in lustigen Weihnachtspullis zur Arbeit kommen", sagt Romy Leuschner.

Verständnis für diese außergewöhnliche Lage und die nötigen Maßnahmen haben aber alle Erdinger Geschäftsinhaber. "Wir können die Gesamtsituation verstehen, denn Corona kann man nun einfach nicht mehr wegdenken. Alles was jetzt kommt, können wir nicht mehr ändern", gibt Wolfgang Gerlspeck zu. Auch wenn bereits der erste Lockdown für die Ladenbesitzer nur schwer zu überstehen war, wollen sie die Hoffnung nicht aufgeben und blicken positiv auf die kommende Weihnachtszeit: "Wir geben alles für eine gute Stimmung, an uns soll es nicht scheitern", sagte die Inhaberin des Voischee Concept Stores zuversichtlich. Und sie weiß auch: "Optimistisch bleiben, alles andere nützt nichts!" Oder wie es der Besitzer des Weinhauses Dosch formulierte: "Ich habe schon genug graue Haare, warum wegen dieser Situation noch mehr wachsen lassen?"

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Quelle:
SZ vom 29.11.2021
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