Süddeutsche Zeitung

Eine Skizze davon ist das Archivstück des Monats November:Wettersäule als Werbeträger

Etwa 40 Jahre lang zierte eine meteorologische Uhr den Freisinger Marienplatz, dies war eine verspieltere Version der Litfaßsäule. Was aus ihr nach 1930 geworden ist, bleibt unklar

Von Peter Becker, Freising

Eine Skizze zur historischen Wettersäule auf dem Marienplatz ist das Archivstück des Monats November. Diese existierte tatsächlich, wie auf alten Fotografien und Postkarten aus den Jahren um 1900 zu sehen ist. Um das Jahr 1930 sei die Wettersäule von ihrem Platz am südlichen Ende des Marienplatzes entfernt worden, erläutert Stadtarchivar Florian Notter, der das Archivstück des Monats ausgewählt hat. "Über den genauen Zeitpunkt ihrer Entfernung und den weiteren Verbleib ist nichts bekannt." Die Skizze ist auf der Homepage des Stadtarchivs eingestellt und kann dort selbst im Original eingesehen werden.

Die Säule, deren Funktion sich auf den Ansichten nicht gleich erschließt, war etwa drei Meter hoch. Das "Wetterhäuschen" oder die "meteorologische Uhr", wie sie auch genannt wurde, gehörte über Jahrzehnte zum Freisinger Stadtinventar. "Derartige Wettersäulen waren im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert groß in Mode", erläutert Notter. In erster Linie hätten sie Unternehmen dazu genutzt, in der Öffentlichkeit Werbeflächen zu generieren, die zu vermieten waren. In dieser Funktion ähnelten sie den zur gleichen Zeit aufkommenden Litfaßsäulen. Durch ihre Ornamente und die zahlreichen Angaben zur Zeit- und Klimamessung sei den Wettersäulen das vordergründige Geschäftsinteresse nicht anzusehen gewesen, erklärt Notter.

Einer der großen deutschen Produzenten der verkappten Werbeflächen war die "Annoncen-Uhr-Actiengesellschaft" in Hamburg. Sie existierte von 1884 bis 1895. Dieses Unternehmen schrieb am 5. Juli 1887 den Freisinger Magistrat an. In dem Schreiben warb die Aktiengesellschaft um die Aufstellung einer Wettersäule in Freising. Ihm war eine Skizze beigelegt, die das Standardmodell zeigte. Notter vermutet, dass das Gehäuse aus Gusseisen bestand. Es habe eine gotisierende Gestaltung aufgewiesen, was sich insbesondere am Kapitell äußerte. Das war als Kreuzdach mit Wetterfahne entworfen worden. Dessen Giebelfelder bestanden aus Tierreliefs, welche die verschiedenen Tageszeiten symbolisieren sollten.

In den Schaft der Wettersäule waren laut Notter eine Uhr, ein Barometer, ein Thermometer sowie Anzeigen und Tabellen zum Zeitpunkt des Sonnenaufgangs beziehungsweise zur Länge des Tages und der Nacht angebracht. In speziellen, mit Glas verschließbare Tafeln konnten lokale Nachrichten, Amtsblätter oder Fahrpläne von Zügen ausgehängt werden. Das aus Sicht des Säulenherstellers wichtigste Element dürften aber die Werbeanzeigen gewesen sein. Dadurch ließen sich die Ausgaben für die Herstellung und Aufstellung refinanzieren. Laut Notter stellte der "revolvirende Apparat" eine "besondere Raffinesse" dar. Getrieben von der Mechanik des Uhrenwerks sorgte er dafür, dass die Annoncen in kurzen Zeitabständen wechselten.

Tatsächlich entschied sich der Freisinger Magistrat dazu, eine solche Wettersäule aufzustellen. Er erteilte bereits im Juli 1887 die entsprechende Genehmigung. Aufstellungsort sollte ein Platz an der Stadtmoosach in der Oberen Stadt sein - etwa im Bereich des 1905 errichteten Kriegerdenkmals. Die Montage ließ jedoch bis ins Jahr 1890 auf sich warten. Als Grund gab die Aktiengesellschaft die "Überhäufung mit Aufstellungsarbeiten" an. Ein Hinweis darauf, dass die Wettersäulen in jenen Jahren boomten.

Anders als ursprünglich entschieden, bekam die Wettersäule dann einen Platz an der mittlerweile längst abgerissenen Weichselbaumwirtschaft zugewiesen. Der befand sich nicht an der Oberen Hauptstraße, sondern etwa dort, wo heutzutage der Roider-Jackl-Brunnen steht. Der Platz erwies sich aber offenbar als nicht geeignet. Schon nach wenigen Tagen schritt der Freisinger Unternehmer Franz Paul Datterer ein, der wohl ein besonderer Förderer der Wettersäule war. Er forderte eine Umsetzung auf den Marienplatz. Dort könne sie von einer größeren Menge von Leuten gesehen und benutzt werden, begründete er dies.

Von Erfolg war seine Intervention erst gekrönt, als er der Stadt zusicherte, die drei Mark für die Zurverfügungstellung des Grunds auf dem Marienplatz aus seinen Privatmitteln bestreiten zu wollen. 1891 wurde die Wettersäule schließlich an die Südseite des Marienplatzes verlagert.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2017
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