Ebersberg:Zur falschen Zeit

Vor dem Amtsgericht Ebersberg muss sich eine junge Autofahrerin verantworten, weil sie einen Rollerfahrer schwer verletzt hat

Von Simon Gross, Ebersberg

Es war nur ein kurzer Moment der Unachtsamkeit. Eine falsche Entscheidung, getroffen im Affekt, mit der eine 19-Jährige aus dem Landkreis in Eglharting im vergangenen Herbst einen Verkehrsunfall verursachte. Nun musste sich die junge Frau vor dem Ebersberger Amtsgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten.

Am 26. September 2019 fährt die Angeklagte auf der Bundesstraße 304 durch Eglharting Richtung Zorneding. Drei Freunde sitzen mit ihr im Wagen, es ist das Dienstauto ihrer Mutter. Hinter der S-Bahn-Unterführung, auf Höhe der Bucher Straße, bleiben sie an einer roten Ampel stehen. Sie sind das dritte Fahrzeug in der Reihe. Der Verkehr hinter der gegenüberliegenden Ampel steht ebenfalls. Sie überlegt, ob sie nach links in die Bucher Straße abbiegen soll und fragt, ob rechts frei sei und sie fahren könne, erzählt die Frau vor Gericht. Auf der rechten Seite der Kreuzung mündet die Anzinger Straße in die Hauptstraße. Von dort aus könnte ein Linksabbieger entgegenkommen. Ihr gleichaltriger Beifahrer antwortet, sie könne fahren. Als die 19-Jährige ausschert, ruft ihr Beifahrer: "Achtung ein Motorradfahrer!" Da ist es schon zu spät.

Der Fahrer eines Motorrollers rutscht seitlich weg und prallt gegen die Hintertür des Autos. Er bricht sich fünf Rückenwirbel, das Schlüsselbein und eine Reihe von Rippen. Es folgen sechs Wochen stationäres Krankenhaus und zwei Operationen. Fünf Wochen hat der Anfang 60-Jährige bereits in Reha verbracht, mittlerweile ist er in ambulanter Versorgung. Da er immer noch Probleme mit seinem Schlüsselbein und seinem Rücken hat, möchte er im Juni noch einmal in Behandlung gehen. Selber versorgen könne er sich jetzt nicht mehr, sagt der Mann. Deshalb lässt der frühere Kraftfahrer und Chauffeur gerade seine Behinderung feststellen. "Es wird wohl auf eine Frühverrentung hinauslaufen."

An den Moment des Unfalls habe er keine Erinnerung mehr. Es war einer dieser heißen Tage im September. Was er noch weiß, ist, dass er mit seinem Motorroller auf der Anzinger Straße an der Ampel stand. Nach links habe man keine Einsicht, weil dort Büsche die Sicht versperrten. Als er um die Ecke fuhr und auf die Hauptstraße einbog, habe sich ein Auto aus der Reihe gelöst und er dachte noch: "Was macht der denn?" Im nächsten Moment habe er aber schon auf der Straße gelegen. Er sehe noch diese erschrockenen Augen vor sich. Das könnte aber auch sein eigenes Spiegelbild gewesen sein, vom herunter geklappten Visier, genau sagen könne er das nicht. Als er aufstehen möchte, sagt ihm einer, er solle liegen bleiben und den Helm anlassen. Es ist der Beifahrer der Angeklagten, er arbeitet im Rettungsdienst. "Bei dem möchte ich mich noch bedanken. Vielleicht könnte ich jetzt nicht mehr laufen, wenn ich aufgestanden wäre." Der junge Mann sagt vor Gericht, dass er vor dem Unfall mit seinem Handy beschäftigt war. Er habe nur kurz aufgeschaut, als sie an die Ampel herangefahren sind und dann wieder, als er den Motorradfahrer auf sie zufahren sah.

Es tue ihr leid, dass der Rollerfahrer so schwer verletzt wurde, sagt die junge Frau zu Beginn der Verhandlung. Sie habe versucht, ihn ausfindig zu machen, um sich bei ihm zu melden. Aber die Polizei und das Krankenhaus haben seine Daten nicht herausgegeben. Als sie später seine Identität erfährt, schreibt sie ihm einen Brief. Böse ist der Rollerfahrer der Angeklagten nicht. "Es sind Dinge, die passieren. Ich hoffe, Sie lernen daraus", sagt er zu ihr.

Gefühlt ist die Verhandlung schon vorbei, als ausgerechnet ein Zeuge, der nicht direkt beim Unfall dabei war, noch einen nicht ganz unwichtigen Hinweis liefert: Der Rollerfahrer sei eine Ampel weiter vorne an ihm vorbeigebraust und über Rot gefahren. "Wäre da ein Auto entgegengekommen, wäre er durch die Scheibe geknallt", sagt der Mann. Ob der Rollerfahrer an der Kreuzung der Bundesstraße auch über Rot gefahren sei, das habe er allerdings nicht gesehen, nur, dass er schnell und in Schräglage um die Kurve fuhr.

Nun soll ein Gutachten der Fahrzeugschäden klären, inwiefern die Angeklagte den Unfall hätte vermeiden können. Es könne zwar von Fahrlässigkeit ausgegangen werden, sagt der Richter. Schließlich hätte sie den Rollerfahrer sehen müssen, außerdem habe sie sich nicht selbst versichert, dass kein Gegenverkehr kommt. Dennoch sei die Frage nach jetzigem Stand nicht zu beantworten.

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