Ebersberg:Völkische Wanderung

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Die Münchner Archivstelle Aida beobachtet eine Verlagerung der rechtsextremen Szene weg aus der Region Ebersberg

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Der Mann im Video wirkt nicht wie ein Rapper aus der rechtsextremen Szene. Nicht wie einer, der Tausende Menschen mit völkischen Liedern animiert. Der im Stück "Du mein Deutschland" mit fester Stimme den Refrain rappt: "Ich kämpf für dich, ich geb für dich, ja ich sieg für dich". Im neuesten Video auf seinem Youtube-Kanal spricht dieser Mann mit belegter Stimme, weit aufgerissenen erschrockenen Augen. Der Grund: Chris Ares, der rechte Rapper, hat Besuch von der Polizei bekommen. Eine Hausdurchsuchung mit Strafbefehl vom Amtsgericht über 3000 Euro, was - so Chris Ares auf seinem Kanal - "die absolute Vollkatastrophe" sei.

Der junge Mann, der sich Chris Ares nennt, hat zum ersten Mal Ärger mit der Polizei. Viele Jahre lang lebte Ares im nördlichen Landkreis Ebersberg, nun stand das Landeskriminalamt mit einem Durchsuchungsbeschluss vor seiner Tür. Warum er bestraft wird, verrät der Rapper im Video nicht. Ares betont aber, er wolle weiter aktiv bleiben. Allerdings nun vom Nachbarlandkreis München aus. Nach Informationen der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (Aida) hat Ares seinen bisherigen Wohnort im Norden des Ebersberger Landkreises im Herbst 2017 verlassen.

Ares verpackt nationalistisches Gedankengut in Sprechgesang, es geht um Abgrenzung, das hört man in seinen Stücken schnell raus. Nicht um eine offene freiheitliche gleichberechtigte Gesellschaft, wofür der Tag der Deutschen Einheit am Mittwoch steht. Nun hat eines der bekannteren rechten Sprachrohre den Landkreis Ebersberg verlassen. Die Frage ist, wie sich die rechte Szene dort seither entwickelt hat.

Das Team von Aida sieht für den Landkreis Ebersberg einen Trend, zu dem der Wegzug Ares' passt. "Die rechte Szene hat sich aus dem Kreis Ebersberg weg verlagert", sagt ein Aida-Sprecher, der anonym bleiben möchte. Große Strukturen seien zwar auch vorher nicht bekannt gewesen. "Es gab aber hier einige wenige sehr aktive Personen, die großen Aufwand betrieben haben." Einige von ihnen haben den Landkreis Ebersberg laut Aida zuletzt verlassen - so wie Ares, der eigentlich anders heißt. Ares wurde vor eineinhalb Jahren in der Lokalpresse thematisiert, für Aida ein möglicher Grund, warum er seinen Wohnsitz wechselte. "Der Kreis Ebersberg ist momentan ein eher ruhiges Pflaster", sagt der Sprecher. "Mit Ausnahme der AfD."

Die Aktiven sind weiter aktiv, nur eben woanders. In der Polizeistatistik des Landeskriminalamts (LKA) sieht das für den Landkreis Ebersberg so aus: Von 2012 bis 2016, in der Zeit, als auch die großen Fluchtbewegungen nach Bayern stattfanden, stieg die Zahl der rechtsextrem motivierten Straftaten im Landkreis stetig an, in fünf Jahren von jährlich zehn auf 19. Im Jahr 2017 gab es dann erstmals wieder einen leichten Rückgang - auf 17. Zahlen, die zu den Beobachtungen von Aida passen - allerdings auch Zufall sein könnten. Zumal das LKA auch Hakenkreuzschmierereien oder ähnliches aufnimmt, diese sogenannten Propagandadelikte machen zwei Drittel aller Straftaten aus, hinzu kommen Volksverhetzungen, etwa durch Parolen im Internet - oder eben Gewalttaten, ein kleiner Prozentsatz.

Aida beobachtet die Szene mit einem anderen Blick, der weniger statistisch ist, dafür nah dran. Ein guter Indikator für die Auswüchse der rechtsextremen Szene in Ebersberg war laut Aida stets die Gemeinde Poing, wo immer wieder rechte Propaganda-Aufkleber, Flugblätter und Schmiererein auftauchten. Vom III. Weg, Nachfolgeorganisation des 2014 verbotenen bayernweiten Netzwerks Freies Netz Süd, oder verstreute Kader der NPD waren hier bis 2016 aktiv. Zuletzt kamen kaum mehr Polizeimeldungen deswegen. Der Aida-Sprecher: "In Poing ist es still geworden."

Ungewohnte Töne vor der Landtagswahl in Bayern, wo Politikbeobachter der CSU vorwerfen, die Partei habe mit hetzerischem Vokabular die rechtspopulistische AfD gestärkt. Denn der Druck von rechts ist zu spüren, auch im Kreis Ebersberg: In einer Gaststätte in Zorneding wurde erst vor drei Wochen ein Verein für ein "Volksbegehren Grenzschutz" gegründet, mit führenden Köpfen von Pegida und AfD-Politikern. Vorsitzende des Vereins ist Brigitte Fischbacher, zuletzt Bundestagskandidatin der AfD für Ebersberg/Erding, die zuletzt mit einem Facebookposting Aufsehen erregte, das ein Video mit Hitlerfoto und -zitat zeigte. Erst im April 2018 nutzten die vom Verfassungsschutz beobachtete Identitäre Bewegung Bayern eine Markt Schwabener Kita für eine politische Aktion, "wobei die Aktivisten unserer Einschätzung nach aus München waren", so Aida. Und Rapper Chris Ares? Der erklärt per Video, er wolle "das Risiko nicht eingehen" und den Strafbefehl akzeptieren. Seine Versicherung, "die Rechtsschutz", werde er nicht ausreizen.

© SZ vom 02.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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