Süddeutsche Zeitung

Bildung im Kreis Ebersberg:Frischluft-Watschn für Söder

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Viele Kommunen im Kreis Ebersberg prüfen die Anschaffung von Luftfilteranlagen für Schulräume. An den Zeitplänen des Freistaats wird aber Kritik geübt.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Nun sollen sie also doch kommen, mobile Luftfilteranlagen in allen Klassenzimmern - ganz unabhängig der Möglichkeiten zum ordentlichen Lüften mit geöffneten Fenstern. Bis zum Start des neuen Schuljahres in gut zwei Monaten am 15. September soll das Vorhaben umgesetzt sein, die Kosten werden zu je 50 Prozent zwischen Kommunen beziehungsweise Landkreisen und Freistaat aufgeteilt, so hat es Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kürzlich angekündet. Im Landkreis Ebersberg stößt die Ansage aus dem Kabinett auf unterschiedliche Reaktionen, in einem sind sich aber viele Stimmen aus den Rathäusern einig: Mehr Kommunikation im Vorfeld der öffentlichen Verkündung und mehr zeitlichen Vorlauf wären keine schlechte Idee gewesen.

In den weiterführenden Schulen im Landkreis Ebersberg sind aktuell 360 geleaste mobile Luftfilteranlagen installiert, für das Sonderpädagogische Förderzentrum in Grafing wurden zwei Geräte gekauft. "Damit sind die wichtigsten Unterrichtsräume ausgestattet, aber nicht alle", sagt Brigitte Keller vom Landratsamt. Wolle man die aktuellen Anforderungen des Freistaats abdecken und für jeden Klassenraum einen Luftfilter zur Verfügung stellen, so die Leiterin des Corona-Krisenstabs, dann müsste der Kreis noch weitere 356 Geräte beschaffen. Ob es dazu kommt, wird am 19. Juli entschieden, wenn sich die Mitglieder des Kreis- und Strategieausschusses mit dem Thema befassen.

Bereits vor den aktuellen Vorgaben des Freistaats haben die Gemeinden Zorneding und Pliening für ihre Grundschule mobile Luftfilteranlagen angeschafft - in den übrigen Gemeinden hat man sich an die offizielle Empfehlung der Regierung gehalten, nur die Räume auszustatten, in denen ein ordentliches Lüften nicht möglich war. Die Grundschule in Zorneding war die erste, heute stehen vier Geräte im Grundschulteil in Pöring, zehn Stück im Zornedinger Hauptgebäude der Schule. "Wir sind total zufrieden", sagt Schulleiterin Renate Hutterer. "Wir fühlen uns damit viel sicherer." Bislang sind alle Klassenzimmer ausgestattet, nicht aber die Fachräume. Bevor die ersten Anlagen im Dezember 2020 angeschafft wurden, seien die Kinder mit Mütze und Daunenjacke in den Klassenzimmern gesessen, "so kann man unmöglich lernen", sagt Hutterer.

Ein vergleichbares Stimmungsbild herrscht in Pliening. Dort hat die Gemeinde erst kürzlich zwölf Luftfilteranlagen angeschafft, elf für die Schule, eine für die Mittagsbetreuung. "Ich habe im Moment Lernentwicklungsgespräche mit Eltern und Kindern", erzählt Schulleiterin Katrin Dung. "Mich fragen die Eltern dann immer: Ja, und wo ist jetzt der Luftfilter?" Die Geräte seien nicht mehr zu hören, sobald sich mehrere Menschen im Raum aufhalten, selbst wenn sie alleine ist, dann höre sie lediglich ein leises Brummen. "Das gesamte Kollegium fühlt sich nun viel sicherer, vor allem in Hinblick auf die Delta-Variante." Auch Plienings Bürgermeister Roland Frick (CSU) zeigt sich begeistert von der Anschaffung. Freilich seien Luftfilter keine Pauschallösung, aber in Verbindung mit Einhaltung der AHA-Regeln und Lüften ist der Rathauschef überzeugt, dass sich die Geräte lohnen. "Wir sollten mit der Sicherheit unserer Kinder nicht spaßen", sagt er, "gerade in den Wintermonaten ist Lüften auch nicht so einfach umsetzbar."

Anderes ist aus Markt Schwaben zu hören. Erst im Mai haben sich die Mitglieder des Haupt- und Bauausschusses gegen die Ausstattung der Grund- und Mittelschule mit mobilen Anlagen entschieden. Die Geräte seien zu laut und würden dadurch den Unterricht nachhaltig stören, so der damalige Konsens. Daran hat auch die neueste Äußerung aus dem Kabinett nichts geändert, wie Bürgermeister Michael Stolze (parteilos) mitteilt - "ich habe nicht vor, das Thema erneut auf die Agenda zu nehmen". Er verweist darauf, dass man am Lüften nicht vorbeikomme und im Falle steigender Inzidenzzahlen wieder Distanzunterricht herrschen werde, ob es Luftfilter gibt oder nicht. Über die Aussagen von Ministerpräsident Söder sei er "verwundert".

Und da ist er nicht der einzige im Landkreis. "Unüberlegt" nennt Leonhard Spitzauer (CSU), Bürgermeister in Vaterstetten, das Vorpreschen der Staatsregierung. Mit dem Thema auseinandersetzen wird sich der Gemeinderat zwar trotzdem - ein paar Anlagen hat die Gemeinde bei der vergangenen Förderrunde auch bereits angeschafft -, aber mehr Rücksprache mit den Kommunen im Vorfeld hätte er begrüßt. Er verweist auf die komplizierten Vergabeprozesse bei einer Anschaffung in solch einer Höhe; ein Gerät kostet ungefähr zwischen 3500 und 4000 Euro. Spitzauer hofft, dass es dort noch zu einigen Erleichterungen kommt, andernfalls werde es eng mit dem Wunschtermin zum 15. September.

Den Zeitplan skeptisch sieht auch der Bürgermeister in Poing, Thomas Stark (parteilos). Eine Ausstattung mit festinstallierten Anlagen ist sehr schwierig bis dahin umzusetzen, "also eigentlich unmöglich", wie er sagt. Die Rathausverwaltung prüfe derzeit die Möglichkeiten für mobile Geräte. Betroffen von der Thematik ist in Poing von den kommunalen Schulen lediglich die Anni-Pickert-Grund- und Mittelschule - die Grundschulen an der Bergfeldstraße und der Karl-Sittler-Straße sind ohnehin mit zentralen Luftfilteranlagen ausgestattet, die regelmäßig für einen kompletten Austausch der verbrauchten Luft in den Klassenzimmern mit Frischluft sorgt. Der gleiche Fall liegt auch in Grafing und der Stadt Ebersberg vor sowie in der Brunnenschule in Vaterstetten. In Anzing hingegen gibt es keine zentrale Vorrichtung. Bürgermeisterin Kathrin Alte (CSU) berichtet, dass das Thema auf der Agenda der Gemeinderatssitzung Anfang August steht.

Auch der Bürgermeister in Kirchseeon, Jan Paeplow (CSU), zeigt sich kritisch ob der Zeitpläne. In der Mensa der Grund- und Mittelschule steht bereits eine mobile Luftfilteranlage, im Moment prüfe die Rathausverwaltung, wie viele Geräte zu welchem Preis für die übrigen Räume notwendig wären. "Fürs Gewissen sind die Anlagen auf jeden Fall gut", sagt er. Aber: "Es ist überhaupt nicht realistisch, das alles bis zum neuen Schuljahr zu schaffen." Da nun ganz Bayern solche Gerätschaften nachfragt, würden die Lieferzeiten immens steigen, außerdem könne er sich gut vorstellen, dass dementsprechend auch die Preise nach oben schnellen werden. Erneut seien die Kommunen das letzte Glied, mit denen man über Pläne spricht, die dort umgesetzt werden müssen. Seiner Meinung nach habe sich die Situation abgezeichnet, man hätte ohne weiteres bereits Anfang des Jahres eine pauschale Empfehlung von Luftfiltern aussprechen können. "Nun wird es ein Kraftakt, den wir als Kommune zu stemmen haben - wieder einmal."

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SZ vom 13.07.2021
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