Ebersberg:Die ewige Lust an der Verwandlung

Ebersberg: Schon 2006 spielte Michael Lieb den Urfaust in Grafing - nun wird er das Stück erneut aufführen, in Ebersberg und, zum 20-Jährigen, in Grafing.

Schon 2006 spielte Michael Lieb den Urfaust in Grafing - nun wird er das Stück erneut aufführen, in Ebersberg und, zum 20-Jährigen, in Grafing.

(Foto: Renate Schmidt)

Michael Jacques Lieb spielt Goethes "Urfaust" seit 20 Jahren. Am Freitag ist er in der Heilig-Geist-Kirche in Ebersberg zu sehen

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Wenn irgendetwas aus dem Lektüre-Pool des Deutschunterrichts in den Köpfen der Schüler hängen bleibt - dann ist es Goethes "Faust", jene Tragödie, die das ganze Drama des Menschseins umfasst. Man las die Verse mit verteilten Rollen, und jede(r) wollte Mephisto sein und Dinge sagen dürfen wie "ich bin der Geist, der stets verneint!" Denn exakt das will man doch als Jugendlicher fortwährend. Gretchen hingegen? Uncool. Zu brav, zu naiv. Wenn schon eine weibliche Rolle, dann wenigstens die der heimtückischen Frau Marthe. Jede Generation hat dabei ihre Faust-Vorbilder von Bühne und Film. Unübertroffen der aalglatte Gustaf Gründgens, der als Mephisto den tragischen Helden, den Will Quadflieg in der Titelrolle gab, aufs Glatteis führte.

Seit nunmehr zwanzig Jahren hat sich auch der Grafinger Schauspieler Michael Jacques Lieb den Goetheschen Stoff zu eigen gemacht - und zwar sämtliche Rollen. 1997 nämlich hat er sein Ein-Mann-Ensemble, das Theatro LieBido, gegründet, und quasi seit der ersten Stunde hat er den "Urfaust" im Repertoire. Seitdem zeigte Lieb seine ganz persönliche Inszenierung im In- und Ausland, in Kirchen, Büchereien oder an Schulen.

"Die Idee hatte ich, als ich die Aufführung eines Mannes sah - es war Rolf Günther -, der den Faust eins und zwei komplett im Sitzen spielte, in schwarzer Kleidung, nur mithilfe von Mimik und Sprache", berichtet Lieb. 1997 hat er seine Idee zusammen mit einem Regisseur umgesetzt, sich von dem aber kurz darauf wieder getrennt. "Der wollte, dass der Faust als psychisch Kranker dargestellt wird, das aber wollte ich nicht", erzählt Lieb. "Er wollte auch die Szene in Auerbachs Keller streichen, das ist aber eine meiner Lieblingsszenen". Anlässlich einer Aufführung am Goethe-Gymnasium Wetzlar sei es dann zum offenen Streit gekommen.

Seither macht Lieb alles selbst. Er inszeniert und spielt alle Rollen, auch die Musik hat er an der Gitarre selbst gemacht. Gestrichen hat er das "Vorspiel auf dem Theater" und den "Osterspaziergang", aber diese beiden Szenen sind Lieb zufolge nicht ganz so wichtig. Im Laufe der Jahre wurde der Gelehrte, der seine Seele dem Teufel verkauft, auf deutschen Bühnen immer wieder neu erfunden, neu gedeutet. "Ich weiß eigentlich gar nicht so genau, wer dieser Faust ist", gesteht Lieb, "ich verstehe den manchmal selber nicht". Das Faszinosum an dem Drama ist für ihn, dass er damit seine Lust an der Verwandlung ausleben kann. "Es ist schon eine Herausforderung, mit 60, und dazu als Mann, das Gretchen zu spielen, es macht mir aber Spaß."

Michael Jacques Lieb kommt aus einer Trierer Schauspielerfamilie. Er besuchte die Schauspielschule und stand unter anderem bei den Salzburger Festspielen mit Ingmar Bergmann auf der Bühne. Sein erstes festes Engagement hatte er am Stadttheater Coburg. "Da habe ich mich dumm und dämlich gespielt, aber nach ein paar Jahren ging mir der Betrieb auf den Senkel, ich machte mich selbständig", erzählt er. "Aber ein freies Dasein ist schon schwer."

Neben dem Einmanntheater ist Lieb als "Schauspielpatient" an der TU München tätig: Als solcher bereitet er angehende Ärzte im Rollenspiel auf den Umgang mit künftigen Patienten vor. In Kliniken und Seniorenheimen gibt er den Clown und engagiert sich als Demenzhelfer. Michael Jacques Lieb spielt den Faust in allen Schattierungen, kennt ihn vermutlich besser als seinen besten Freund. Mephisto jedenfalls würde sich an ihm sicher die Reißzähne ausbeißen.

Am Freitag, 10. Februar, spielt Michael Jacques Lieb von Theatro "LieBido" den Urfaust im Evangelischen Gemeindehaus in Ebersberg, Beginn ist um 19.30 Uhr, Einlass um 19 Uhr. Karten kosten 15, ermäßigt acht Euro. Das Jubiläum "20 Jahre Urfaust" - die Premiere seiner Einmann-Inszenierung war im März 1997 in einer Münchner Kirche zu sehen - feiert Lieb am Freitag, 17. März, um 20 Uhr in der Auferstehungskirche Grafing.

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