Duale Ausbildung:"Es muss ein Umdenken her"

Duale Ausbildung: In der dualen Ausbildung sieht der Leiter des Freisinger Berufsschulzentrums, Matthias Fischer (vorne links), ein Sprungbrett, um Karriere zu machen - es muss nicht immer ein Studium sein.

In der dualen Ausbildung sieht der Leiter des Freisinger Berufsschulzentrums, Matthias Fischer (vorne links), ein Sprungbrett, um Karriere zu machen - es muss nicht immer ein Studium sein.

(Foto: Marco Einfeldt)

Im Berufsschulzentrum lernen gut 2500 Schüler in 20 verschiedenen Ausbildungen. Schulleiter Matthias Fischer wirbt nachdrücklich für den dualen Weg ins Erwerbsleben - und hofft dabei auch auf die Eltern

Interview von Nadja Tausche

Freising - Das Berufsschulzentrum in Freising ist die einzige Berufsschule im Landkreis. Gut 2500 Schüler lernen hier in etwa 20 verschiedenen Ausbildungen. Wie eine Ausbildung aufgebaut ist, was Eltern mit dem Mangel an Auszubildenden zu tun haben und in welchen Berufen sich dieser besonders bemerkbar macht, erzählt Schulleiter Matthias Fischer im SZ-Interview.

Wie ist die Ausbildung an der Berufsschule aufgebaut?

Wir sind im dualen System, es gibt zwei Teile: Ausbildungsbetrieb und Berufsschule. Die Schüler haben entweder mehrere Wochen am Stück Schule oder sie gehen vier Tage pro Woche in den Betrieb und einen Tag in die Schule. Das hängt vom Beruf ab und von den Wünschen und der Größe des Betriebs, der dahinter steht.

Gibt es auch Ausbildungen, in denen man gar nicht in die Berufsschule geht und nur im Betrieb ausgebildet wird?

Das ist dann der Fall, wenn jemand Abitur hat oder eine Zweitausbildung macht. Der Schüler ist dann berufsschulberechtigt, aber nicht -verpflichtet. Das sind aber Ausnahmefälle und es ist auch nicht zu empfehlen, weil der Auszubildende sich einige Inhalte dann selbst beibringen muss. Wir haben insgesamt eine sehr heterogene Schülerschaft, das macht das Unterrichten für Lehrer anspruchsvoll: Wir haben Hochschulabbrecher, dann wieder Flüchtlinge mit geringen Sprachkenntnissen. Und wir haben viele Schüler im sogenannten Berufsintegrationsjahr, die keine Lehrstelle bekommen haben. Da geht es oft um Persönlichkeitsentwicklung, in dem Alter macht ein Jahr viel aus.

Merken Sie an Ihrer Schule etwas von dem Mangel an Auszubildenden, von dem man überall hört?

Unsere Schülerzahlen sind in den vergangenen Jahren stabil geblieben. Es gibt natürlich den Trend, dass in handwerklichen Berufen oder im Einzelhandel Schüler wegbleiben. Wir könnten mehr Schüler aufnehmen, sind aber im grünen Bereich.

Wie kann es sein, dass überall Auszubildende fehlen - und bei Ihnen sinken die Schülerzahlen nicht?

Der Mangel besteht darin, dass die Betriebe mehr Leute einstellen könnten. Es gibt zu wenig Auszubildende für den Bedarf in der freien Wirtschaft. Es kommt aber auf den Beruf an: Bei den Maurern gibt es einen ganz eklatanten Rückgang an Schülern. Die bilden wir hier aber nicht aus, die Entwicklung schlägt sich nicht auf unsere Schülerzahlen durch. Wir hätten bei den Bäckern und Metzgern mehr Schüler aufnehmen können, bei Elektronikern hatten wir heuer dagegen wahnsinnig viele Schüler. Da sind viele Flüchtlinge untergekommen, genauso wie bei den Fachinformatikern.

Wie kann man junge Leute zu einer Ausbildung motivieren? Eigentlich ist es ja ein Ansporn, in dem Alter sofort Gehalt zu beziehen.

An dieser Frage haben sich schon viele Leute die Zähne ausgebissen. Ich denke, in der Gesellschaft muss ein Umdenken her. Als Fachkraft mit dualer Ausbildung habe ich ein Fundament geschaffen für meine Existenz, habe ein Sprungbrett für meine Karriere und bin um eine wichtige Praxiserfahrung reicher. Heute herrscht eher das Denken vor: Ich brauche Abitur und Studium, um glücklich zu werden. Ich würde mir wünschen, dass gerade Eltern sich mehr öffnen - ich glaube, dass sie da eine riesige Rolle spielen. Außerdem würde ich gerne mehr Gymnasiasten und Realschüler für unsere Berufsausbildung gewinnen. Was viele zum Beispiel gar nicht wissen: Wer bei uns die Ausbildung gemacht hat, erwirbt automatisch die Hochschulzugangsberechtigung und kann an der Hochschule studieren.

Um mehr Leute in die Erzieherausbildung zu locken, haben Sie besondere Pläne. Was genau?

Vom Schuljahr 2019/20 an beteiligen wir uns am Modellversuch Opti-Prax. Das hat mehrere Vorteile: Man bekommt ab dem ersten Ausbildungsjahr eine Vergütung, außerdem sind Theorie und Praxis enger verzahnt. Bisher bewerben sich die Leute nach drei Jahren auf dem Stellenmarkt und kommen irgendwo als Erzieher unter. Jetzt können wir zielgerichtet ausbilden: Der Studierende braucht einen Träger, der die Ausbildung bezahlt. Dafür hat der Träger jemanden an Bord, der mit der Einrichtung vertraut ist und nicht eingearbeitet werden muss. Wir hatten 2015 schon mal überlegt, ob wir das machen wollen.

Überall fehlen Betreuer, vielleicht hätte man 2015 schon etwas dagegen machen können?

Da war seitens der Trägerschaft wenig Motivation da, auch wir haben das nicht bewusst angestoßen. Jetzt bin ich optimistisch. Wir werden uns an alle Fachoberschulen in der Gegend wenden: Unterschleißheim, Freising, Erding. Die Erfahrung an anderen Schulen zeigt übrigens, dass durch Opti-Prax auch mehr Männer auf die Erzieherausbildung anspringen.

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