"Du hast mein Leben zerstört":Mörderischer Liebeskummer

Ein 59-jähriger Erdinger sucht zwölf Jahre nach der Trennung seine ehemalige Geliebte heim. An ihrer Haustür sticht er mit einem Messer auf die Frau ein. Das Landgericht Landshut verurteilt ihn zu sieben Jahren Haft

Von Florian Tempel, Landshut

Wegen eines Mordversuchs aus enttäuschter Liebe ist ein 59-jähriger Erdinger vom Landgericht Landshut zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der Mann wollte am 17. Mai vergangenen Jahres seine ehemalige Geliebten erstechen. Er war zu ihrem Haus in der Gemeinde Bruckberg im Landkreis Landshut gefahren, hatte mittags bei ihr geklingelt und ihr, als sie die Tür öffnete, mit den Worten "du hast mein Leben zerstört, du bist meine Traumfrau, für dich geh ich sogar ins Gefängnis" ein Messer mit einer 15 Zentimeter langen Klinge in den Bauch gerammt. Die Frau wurde schwer verletzt, schaffte es aber, dem Angreifer das Messer abzunehmen, ihn nach draußen zu schieben und die Tür zu schließen. Der Mann ließ sich wenig später widerstandlos von der Polizei festnehmen. Im Prozess gestand er die Tat, stritt aber ab, dass er die Frau töten wollte.

Eifersucht und enttäuschte Liebe sind gewissermaßen klassische Motive. Etwas Besonderes in diesem Fall war jedoch die lange Zeitspanne zwischen dem Ende der einstigen Liebesbeziehung und der Tat. Das Opfer hatte schon 2004 mit dem Angeklagte Schluss gemacht. Ihre Beziehung hatte davor zehn Jahre bestanden - und war ebenso lange eine heimliche Liebe gewesen. Die Frau war verheiratet, was der Angeklagte nach eigener Aussage anfangs nicht wusste, was ihn aber danach auch nie störte. Die beiden trafen sich regelmäßig, oft mehrmals in der Woche. Nach einem Kuraufenthalt 2004, zu dem sie der Angeklagte begleitete, erklärte ihm die Frau, sie werde die Beziehung beenden und ganz zu ihrem Ehemann zurückkehren.

Die Trennung habe ihn schwer getroffen, sagte der Angeklagte im Prozess, er habe Schlafstörungen und Depressionen bekommen. Später habe er dann jedoch wieder eine Frau kennen gelernt, mit der er fünf Jahre zusammen war. In dieser Zeit habe sich bei ihm aber auch ein Kontrollzwang entwickelt, durch den er letztlich seinen Arbeitsplatz bei einem großen bayerischen Autohersteller verlor: Er habe kaum noch zur Arbeit gehen können, weil er sich stets stundenlang vergewissern musste, dass der Herd und die Lichter in seiner Wohnung aus waren und, dass er die Tür abgeschlossen hatte. Von 2010 an lebte er von der dicken Abfindung, die er erhalten hatte, und einem Aushilfsjob als Taxifahrer. Seine große Liebe habe er in all den Jahren jedoch nie vergessen können, sagte der Angeklagte. Er sei immer wieder an ihrem Haus vorbeigefahren, habe angehalten und eigentlich Kontakt mit ihr aufnehmen wollen, sich aber nie getraut.

Zur Tat ließ der Angeklagten seinen Erdinger Rechtsanwalt Jörg Kaiser eine Erklärung verlesen. Demnach war er am Tag zuvor nach Regensburg ans Grab seiner Großmutter gefahren. Auf der Rückfahrt habe er nachts irgendwo angehalten und im Auto geschlafen. Am Morgen sei er zum Haus des Opfers gefahren, wo er gegen 7 Uhr eingetroffen sei. In den folgenden sechs Stunden habe er sich mit einer Flasche Grappa, die er noch von einem Italienurlaub im Auto dabei hatte, "Mut angetrunken". Er habe in dieser Zeit den Entschluss gefasst, endlich bei seiner ehemaligen Geliebten zu klingeln, sie "zur Rede zu stellen" und darüber hinaus auch ihrem Ehemann ihre frühere, langjährige Liebesbeziehung zu offenbaren: "Um die Frau zu bestrafen." Aber: Er habe "zu keinem Zeitpunkt eine Tötungsabsicht" gehabt. Das Messer, das der Angeklagte stets bei sich hatte, seit er Taxifahrer sei, habe er ganz "spontan" mitgenommen, als er kurz nach 13 Uhr an die Haustür ging und klingelte. Dass der Angeklagte die Frau, nachdem sie die Tür geöffnet hatte, umarmte und gleichzeitig mit dem Messer zustieß, sei seinem Mandanten letztlich "unerklärlich", erklärte der Verteidiger.

Dem Gericht erschien die Tat des Angeklagte keineswegs unerklärlich. Dass er eine Mordabsicht abstritt, tat wenig zur Sache. Wer einem anderen unvermittelt ein Messer in der Bauch rammt, der nimmt den Tod desjenigen in Kauf - ob voll absichtlich oder nicht, ist juristisch egal.

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