Drogenverkauf:Zum Jahreswechsel im Gefängnis statt in Freiheit

Angeklagter beteuert seine Unschuld, aber da der Hauptbelastungszeuge nicht zur Verhandlung kommt, bleibt er in Haft

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Super!" entfuhr dem 40-jährigen Angeklagten als er hörte, dass er auch über Silvester in Untersuchungshaft sitzen muss. Er hatte eigentlich gehofft, dass er als freier Mann den Gerichtssaal verlassen kann, da er die Taten, die man ihm zur Last gelegt hatte, nicht begangen habe. Ob hinter allem seine frühere Freundin steckt, die sich sozusagen aus verschmähter Liebe an ihm rächen will, konnte er nur vermuten. Der Mann, der bei der Polizei angab, dass er vom Angeklagten einmal 300 Gramm Marihuana für 2100 Euro gekauft habe, war allerdings nicht zum Gerichtstermin in Erding gekommen. Er ist in Ungarn. Und ob er jemals kommen wird, ist ungewiss. Aber ohne den Hauptbelastungszeugen persönlich gehört zu haben wollten weder das Schöffengericht, noch die Staatsanwältin und auch der Verteidiger weiter machen. Das Verfahren wird neu angesetzt: im Januar oder Februar.

Seit 12. Oktober sitzt der 40-Jährige nun schon in U-Haft in der JVA Mühldorf. Im Gefängnis ist er allerdings schon länger: seit Mitte Juli, weil er eine Geldstrafe nicht bezahlt hatte. Irgendwann zwischen 1. April und 31. Mai 2017 soll er laut Anklageschrift einem Neufahrner 300 Gramm Marihuana in dessen Wohnung verkauft haben. Zu je sieben Euro das Gramm. Mit einem THC-Gehalt von rund fünf Prozent. Zudem, so die Staatsanwältin, habe er am 8. November 2017 versucht dem Neufahrner sogar ein Kilogramm Marihuana zu verkaufen für 4800 Euro. Das Geschäft sei aber nicht zustande gekommen, weil die Qualität der Drogen zu schlecht gewesen sei. Wegen des Drogenbesitz ist auch der Käufer vor Gericht gelandet. Bei der Vernehmung bei der Polizei belastete er den Angeklagten schwer. Er selber wurde wegen unerlaubten Handel mit Betäubungsmittel angeklagt.

"Das stimmt nicht. Ich kenne den Mann gar nicht", sagte der Angeklagte am Amtsgericht. Das sagte er auch aus, als man ihm ein Lichtbild des Neufahrners vorlegte. Für ihn komme nur ein Freispruch in Frage. Zudem könne der Zeitpunkt der ersten ihm vorgeworfenen Tat nicht stimmen, wenn der Mann seiner Handynummer von seiner Ex-Freundin bekommen habe. Er habe sich Ende Mai von seiner vorherigen Freundin getrennt und dann sei er zwischen 5. oder 6 und 15. Juni mit der anderen per Internet in Kontakt gekommen. Es sei eine kurze Beziehung gewesen, die vor allem auf Sex basiert habe. Aber dann sei es zum Streit gekommen, weil sie Drogen genommen habe und Alkohol getrunken. "Das war aber nicht mein Weg, ich bin seit 2011 von den Drogen weg", sagte der Angeklagte. Deshalb habe er auch die Beziehung beendet. Sie habe aber immer noch versucht per Whatsapp wieder mit ihm in Kontakt zu treten. Auf Nachfrage von Amtsrichter Björn Schindler bestätigte er, dass sie genügend von seiner früheren Drogenabhängigkeit gewusst habe, um ihm um Ecken herum belasten zu können. "Ich passte ja ins Schema", sagt der 40-Jährige. Wenn er schuldig sei, würde er es sagen. Bisher habe er spätestens vor Gericht dann immer gestanden.

Doch der Neufahrner konnte als Zeuge nicht gehört werden. Die Kripo Erding schaffte es zwar ihm über seine Schwester ihm den Gerichtstermin mitzuteilen, aber der erklärte, dass er derzeit kein Geld habe, um von Ungarn nach Erding zu fahren. Er versuche Geld aufzutreiben, wenn er es nicht schaffe, melde er sich. Das war der Stand 14. Dezember. Seitdem hat er sich nicht gemeldet und ist auch nicht erreichbar. Eine offizielle Vorladung aus Ungarn ist aber laut Amtsrichter Schindler nicht möglich. Dennoch soll ein zweiter Versuch gestartet werden, denn Mann nach Erding zu bringen. Notfalls per Bahnticket, das der Staat vorab zahlt. Erst wenn das scheitert, wird nun anhand seine Aussage bei der Polizei weiter verhandelt. "Super, alles zu meinen Lasten".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: