Amtsgericht Erding:Angeklagter schweigt zum Vorwurf des 18-fachen Drogenhandels

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Am Amtsgericht Erding wurde gegen einen 31-Jährigen verhandelt, weil er bei seinem ehemaligen Arbeitgeber Ware gestohlen oder zumindest weiterverkauft hat. (Foto: Stephan Görlich)

Bisherige Beweisaufnahme liefert nur Indizien, dass der heute 23-Jährige eventuell nicht nur Deals vermittelt, sondern auch Marihuana verkauft hat.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Ihr könnt mir gar nichts. Ich bin schlauer als die Polizei." Das soll ein 23-jähriger Angeklagter laut Aussage eines ermittelnden Kriminalbeamten bei seiner Vernehmung gesagt haben. Ob dies so stimmt, blieb bei der Verhandlung am Amtsgericht Erding unbeantwortet. Der wegen 18-fachen Drogenhandels Angeklagte wollte keinerlei Aussagen vor Gericht machen. Er ging auch auf keinen ihm von der Staatsanwaltschaft angebotenen Deal ein. Die hatte ihm ein geringeres Strafmaß angeboten, wenn er sich geständig zeige. Ob der Angeklagte tatsächlich ohne Strafe davon kommt, blieb am ersten Verhandlungstag offen. Der Prozess wird am 10. März fortgesetzt.

Es dauerte eine Zeitlang, bis die Staatsanwältin alle 18 Tatvorwürfe in der Anlageschrift verlesen hatte. 18 Mal soll der heute 23-Jährige gewerbsmäßig Marihuana verkauft haben. Jeweils zwischen einem und fünf Gramm, im Zeitraum zwischen Juli 2021 und Januar 2022. Der Angeklagte beteuert aber seine Unschuld. Er möge früher vielleicht mal Drogen verkauft haben, aber jetzt schon lange nicht mehr. Wenn, dann habe er höchstens vermittelt und einem potenziellen Interessenten einen möglichen Verkäufer genannt.

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Wegen des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln wurde der Angeklagte bereits zu einer Bewährungsstrafe am Amtsgericht verurteilt, wie Amtsrichter Thomas Bauer aus den Akten vorlas. Und weil er, kaum verurteilt, kurz danach schon wieder Drogen verkauft haben soll, steht jetzt auch seine Bewährung auf dem Spiel. Zumal er eine "erhöhte Rückfallgeschwindigkeit" vorweise. Dem Deal, gegen ein Geständnis ein geringeres Strafmaß zu erhalten, das sein Pflichtverteidiger, die Staatsanwältin und Richter Bauer in einem fast 30-minütigen Rechtsgespräch auszuhandeln versuchten, stimmte der 23-Jährige nicht zu.

Wohl auch, weil am ersten Verhandlungstag bei der Beweisaufnahme festgestellt wurde, dass es keine konkreten Beweis gibt, dass der Angeklagte tatsächlich persönlich Marihuana verkauft. Ins Visier ist der 23-Jährige bei Ermittlungen der Zollfahndung geraten, wie der Sachbearbeiter der Kripo Erding im Falle des Angeklagten berichtete. Dabei sei es aber zuerst um Wasserpfeifentabak gegangen. Bei einer Telefonüberwachung seien auch Gespräche aufgezeichnet worden, an denen der Angeklagte beteiligt gewesen sei. Drogenbegriffe seien dabei nicht aufgetaucht, aber Indizien, dass es sich um Drogenverkauf handeln könnte. Zum Beispiel "Brauche Tee", "Wie viel?", "Letztes Mal war top", "Haste was?" und es gab Gramm- und Geldangaben oder nur Zahlen. Dazu kamen häufig Treffpunktangaben, wo, wann und wie man den anderen erkennt.

Es wurden keine Observierungen durchgeführt und der Geldfluss nicht überprüft

Auf Nachfrage von Amtsrichter Bauer mussten die beiden aussagenden Polizeibeamten öfter mit genaueren Angaben passen. Einerseits, weil die Vorfälle eine Zeit her sind, und zum anderen, weil Hinweise und Vernehmungen von anderen Stellen durchgeführt worden seien, wie der Sachbearbeiter sagte. Er musste auch gestehen, dass man keine Beweise für eine tatsächliche Übergabe von Drogen habe, da keinerlei Observierungen durchgeführt worden seien. Man habe auch nicht die Geldflüsse beim Angeklagten überprüft. Diese hätten eventuell den gewerbsmäßigen Charakter der Drogengeschäfte aufgezeigt.

Eine Wohnungsdurchsuchung beim 23-Jährigen war ebenfalls ein "Schuss in den Ofen". Es wurden keine Drogen, keine größeren Bargeldbeträge oder drogentypische Hilfsmittel wie eine Feinwaage oder Tütchen gefunden. Nur Softair-Waffen. Und zwei i-Phones, die beide beschlagnahmt worden seien. Das eine sei ausgeschaltet gewesen, aber ohne Pin habe man nichts darauf auswerten können, das zweite sei an gewesen. Bei der Durchsuchung habe der damals Beschuldigte beteuert, keine Drogen zu verkaufen. Mit der Zeit sei er "etwas ungemütlicher" geworden. Bei der anschließenden Befragung in der Dienststelle habe er nach kurzer Zeit Fragen nur noch mit der Gegenfrage, was mit seinem Handy sei, beantwortet. Plötzlich habe er nichts mehr verstehen wollen und einen Dolmetscher verlangt und gesagt, man könne ihm gar nichts beweisen. Er könne aus der Szene "so viel verraten, aber er wolle nicht", habe er den Beamten gesagt.

Zwei mögliche Käufer machten vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch

Auch zwei Zeugen, beide sollen vom Angeklagten Marihuana gekauft haben, brachten keine konkreten Hinweise, dass der Angeklagte tatsächlich selber verkauft hat. Da beide sich bei einer Aussage zuletzt selber belastet hätten oder nahe Familienangehörige waren, machten sie vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, also sagten gar nichts.

Den neuen Verhandlungstermin habe er im Kopf gespeichert, sagte der Angeklagte am Schluss. Er brauche dazu keine weitere schriftliche Ladung, auch keinen Dolmetscher beim nächsten Mal, da er alles verstehe. Richter Bauer hat trotzdem einen Dolmetscher zugeordnet. "Um erst gar keine Missverständnis aufkommen zu lassen."

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