Amtsgericht Erding:Gärtnerin findet Drogenversteck in Laubhaufen

Amtsgericht Erding: Verhandlungen wegen des unerlaubten Besitzes oder sogar Handels mit Betäubungsmitteln sind keine Seltenheit am Amtsgericht Erding.

Verhandlungen wegen des unerlaubten Besitzes oder sogar Handels mit Betäubungsmitteln sind keine Seltenheit am Amtsgericht Erding.

(Foto: Stephan Görlich)

Obwohl es Indizien gibt, die gegen die Angeklagten sprechen, werden beide von einem Schöffengericht freigesprochen. Die Beweislage ist laut Richter Schindler "zu dünn".

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Wem gehören die 185,8 Gramm Marihuana, die eine Gärtnerin am 11. November 2021 in einem Laubhaufen in einer Wohnanlage in Erding gefunden hat? In einem "blöden Versteck", wie die 32-Jährige vor Gericht sagte, schließlich sei Herbst gewesen und man habe davon ausgehen müssen, dass das Laub jederzeit entfernt wird. Dass die beiden Angeklagten, ein 22- und ein 27-Jähriger, etwas mit den Drogen zu tun haben, dafür sprachen zwar ein paar Indizien, zum Beispiel Fingerabdrücke auf den Verpackungen. Aber letztendlich war die Beweislage für das Schöffengericht unter Richter Björn Schindler doch "zu dünn", um beide zu verurteilen. Wegen der Zweifel wurden sie freigesprochen.

Als die 32-Jährige am 11. November das Laub in der Anlage der Siedlungsgesellschaft Oberbayerische Heimstätte zusammenrechte, ärgerte sie sich erstmal, weil sie glaubte, dass jemand seinen Müll im Laub entsorgte hatte. Zumal ganz in der Nähe ein Müllhäuschen steht. Als sie die Tüte aber genauer inspizierte, habe sie gesehen, dass sich in ihr mehrere andere befanden, so die Gärtnerin. Unter anderem war ein größeres Paket in Klarsichtfolie eingewickelt. Neugierig geworden, habe sie mit einer Gartenschere in das Paket gestochen und schnell "gerochen und gesehen", dass es sich beileibe nicht um Müll handelte. Sie habe sofort die Polizei verständigt.

Die kam auch bald und stellte den Fund sicher. Auf der Polizeiinspektion stellte sich heraus, dass in dem großen Paket knapp 98 Gramm Marihuana waren, dazu in weiteren Tüten 28 schon für den Verkauf abgepackte kleine Tütchen mit je rund 3,3 Gramm. In der Hoffnung, dass der Besitzer der Drogen vielleicht bald am Fundort auftaucht, um seine Ware abzuholen, habe man den Ort zunächst observiert, sagte ein Polizeibeamter. Später habe die Kriminalpolizei den Fundort noch für den Rest des Tages im Auge behalten. Es kam aber niemand.

Bis dahin bestand Konsens unter den beiden Anwälten der Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und dem Schöffengericht. Nur, wem gehörten die Drogen? Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft den beiden Angeklagten, da man bei den daktyloskopischen (Fingerabdruck) und DNS-Untersuchungen von beiden Angeklagten Fingerabdrücke gefunden habe. Von dem 22-Jährigen wurden zwei auf den kleinen Verkaufstütchen festgestellt, vom heute 27-Jährigen fand sich einer auf einer der äußeren, größeren Plastiktüten. Nach der Spurenanalyse bei der Kripo Erding wurden die Ergebnisse an das Landeskriminalamt weitergeleitet, das einen Abgleich der Ergebnisse mit den eigenen Datenbanken vornahm und so auf die beiden Angeklagten kam.

Der 27-Jährige gab nur den Fund von 4,4 Gramm Marihuana zu

Beide Männer verweigerten vor Gericht die Aussage, ihre Mandanten hätten nichts mit dem Fund zu tun, sagten ihre Verteidiger. Der 27-Jährige gab nur den Fund von 4,4 Gramm Marihuana zu. So viel hatte die Polizei bei einer Wohnungsdurchsuchung bei ihm auf dem Wohnzimmertisch gefunden. Über seine Anwältin ließ der Angeklagte ausrichten, dass er heute wisse, dass es damals der falsche Weg gewesen sei, Marihuana zu konsumieren, wenn er Stress in der Arbeit gehabt habe. Jetzt habe er einen anderen, stressärmeren Job und mache eine Langzeittherapie. Dass er seit einem Jahr clean sei und sich selbstkritisch mit dem Drogenkonsum auseinandersetze, außerdem gelernt habe, mit Stress anders umzugehen, bestätigte auch sein Therapeut. Dieses Verfahren wurde schließlich eingestellt.

Den Anwalt des 22-Jährigen, vom dem man die meisten Spuren an den Drogenverpackungen festgestellt hatte, störte vor allem, dass der aussagende Polizist nur Erkenntnisse von Dritten wiedergegeben habe, sozusagen "vom Hörensagen", was die Spurensicherung betrifft. Die Fingerabdrücke könnten aus verschiedenen Gründen zustande gekommen sein. Zwei Tütchen mit Fingerabdrücken bei 28 insgesamt seien keine große Zahl. Da sein Mandant ja schon wegen Drogenbesitzes verurteilt worden sei, könnten die Fingerabdrücke von einem alten Tütchen stammen, oder er habe beim Abpacken ein wenig geholfen, was nicht strafbar sei. Zudem gebe es keinerlei Hinweise, dass er damals mit Drogen gehandelt habe.

Bei der Wohnungsdurchsuchung habe man nichts in dieser Richtung gefunden, musste auch die Polizei zugeben. Und wenn in Handy-Chats Sätze wie "Können wir uns treffen" oder "Kannst Du mir helfen" auftauchen, dann sei dies nicht "konspirativ", wie die Staatsanwaltschaft meine, sonst es sei jeder verdächtig, der sich mit jemandem verabrede.

Die Staatsanwältin forderte für den 22-jährigen Angeklagten eine Freiheitsstrafe

Nach der Beweisaufnahme sah auch die Staatsanwältin beim 27-Jährigen keine ausreichenden Indizien für eine Verurteilung. Zumal sein Fingerabdruck nur auf einer der äußeren Tüten war. Also nicht bei den verkaufsfertig verpackten. Beim 22-Jährigen sah sie das anders. Eben weil seine Abdrücke auf den zwei Verkaufstüten festgestellt wurden. Für ihn forderte sie eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monate - auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Das Schöffengericht schloss sich jedoch den Ausführungen der beiden Anwälte an. Ja, die Spuren würden auf eine Beteiligung der beiden Angeklagten hinweisen. Aber es gebe verschiedene Szenarien, wie die Fingerabdrücke auf die Beweismittel gekommen sein könnten. Die vorhandenen "Indizien" reichten nach Ansicht des Gerichtes nicht aus, um eine rechtlich gesicherte Verurteilung auszusprechen. Da Zweifel an der Schuld bestünden, komme nur ein Freispruch für beide in Frage.

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