Dorfener Rathausbilder:Gemalte Geschichtsfälschung

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Im Bild "Das ungerechte Gericht" findet sich eine lange übersehene Signatur mit den Initialen G.S.P., die den Wasserburger Maler Gregor Sulzböck als Erschaffer des Bildes ausweist. (Foto: Renate Schmidt)

Eines der sechs historischen Gemälde basiert inhaltlich auf antijüdischer Propaganda

Von Florian Tempel, Dorfen

Beim Tag der offenen Tür im Dorfener Rathaus mag es auch interessant sein zu erfahren, dass eines der sechs historischen Gemälde, die seit mehr als 300 Jahren in den Dorfener Rathäusern hingen und auch im neuen Sitzungssaal aufgehängt worden sind, ein seit jeher ein Propagandawerk ist. Das Bild mit dem Titel "Der Juden Blutgericht wider Jesum Christum" gibt vor, eine biblische Szene darzustellen, fußt aber auf einem gefälschten Text mit antijüdischer Tendenz.

Das Bild ist, wie SZ-Recherche ergeben haben, eine Kopie eines seit Ende des 16. Jahrhunderts weit verbreiteten Motivs. Das Dorfener Bild ist von einer Druckgrafik abgemalt worden, von der es zum Beispiel in Albertina Museum in Wien noch ein Original gibt. Ähnliche Kupferstiche mit nur leichten Änderungen wurden im 16. und 17. Jahrhundert in Deutschland vielfach gedruckt und verlegt.

Die Szene stellt vermeintlich die Verurteilung Jesu Christi dar, wie sie in der Bibel beschrieben ist. Auf dem Gemälde ist Christus mit Dornenkrone vor dem im Zentrum stehenden Hohepriester Kaiphas und dem Hohen Rat zu sehen. Gleichzeitig ist auch Pontius Pilatus dabei, er ist der bärtige Mann auf Thron links oben. Die weder biblisch noch historisch plausible Verbindung einer Urteilsfindung im Hohen Rat und einer Urteilsverkündigung durch Pilatus erklärt sich aus Textfälschungen des 16. Jahrhunderts. Der Kunsthistoriker Rudolf Berliner hat das schon 1933 genau untersucht: Angeblich wurde 1580 in der Stadt L'Aquila in den Abruzzen das Protokoll der Gerichtsverhandlung gegen Christi gefunden. Der im Original angeblich hebräische Urteilsspruch ist von mehreren jüdischen Zeugen unterzeichnet. Der Text wurde 1581 in Nürnberg und weiteren deutschen Städten als Flugblatt publiziert und sehr schnell auch bildlich umgesetzt gedruckt.

Das Dorfener Gemälde und der umfangreiche Text im Bild stellt die jüdischen Richter zwar nicht aggressiv an den Pranger, sondern ist im Ausdruck sogar zurückhaltend. Doch genau das ist die Fake News-Strategie - so erhält der erlogene Text seine vermeintliche Authentizität und angebliche Wahrhaftigkeit.

Die antijüdische Tendenz ist eindeutig. Die Darstellung Christi als unschuldiges Opfer von Juden, dient offensichtlich dazu, Judenverfolgung zu exkulpieren. 1519 wurden zum Beispiel alle Juden aus Regensburg vertrieben, das Judenviertel abgebrochen und an der Stelle der Synagoge eine Marien-Kapelle errichtet. Herzog Albrecht V. verfügte 1553, dass Juden in Bayern weder wohnen noch geduldet oder aufgenommen werden durften.

Die bislang in Dorfen angenommene Deutung, das Gemälde solle die Dorfener Ratsherren daran erinnern, gerechte Entscheidungen zu treffen, ist eine treudoofe Fehlinterpretation. Das Bild fordert ganz im Gegenteil dazu auf, die Dinge genauer zu hinterfragen.

© SZ vom 21.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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