Süddeutsche Zeitung

Dorfener Familie Mittermeier:Lustige Buam

Humor ist eine seltene Gabe, eigentlich. In der Dorfener Familie Mittermeier sind die Söhne Comedian und Kabarettist, der Vater bringt als Auktionator voll besetzte Festzelte zum Lachen. Wie geht das, witzig zu sein? Eine Spurensuche

Von Sebastian Fischer

Am Anfang des Gesprächs, bevor der erste Cappuccino bestellt ist, erzählt Sepp Mittermeier seinen Lieblingswitz. Er fährt sich mit den Fingerspitzen durch die buschigen schwarzen Augenbrauen, runzelt die Stirn unter den flaumigen grauen Haarstoppeln und sagt: "Ich bin ja doch schon knapp über 35." Er lässt den Satz wirken, ausdruckslos, und wartet auf eine Reaktion. Dann grinst er.

Mittermeier ist weit über 35, ein berühmter Dorfener Auktionator und ein witziger Mann. Das finden jedenfalls überdurchschnittlich viele Menschen, die zu seinen Auktionen kommen. Wie am vergangenen Samstag, als er wieder Fundstücke vom Münchner Flughafen versteigerte, seit mehr als zehn Jahren macht er das mittlerweile. Er stand mit seinem Holzhammer auf der Bühne beim Dorfener Volksfest, das Zelt war voll, aber die wenigsten waren gekommen, um mitzubieten: Die meisten kamen, um zu lachen. Zum Beispiel als Mittermeier einen Käfig versteigern wollte, und ihn einer Besucherin anbot, deren Hund unentwegt bellte. Keine großen Gags sind das, und doch: Mittermeier hat diese besondere Gabe, witzig zu sein, die Psychologen seit Jahren erforschen: Humor ist in den Genen, sagen manche. Man kann ihn erlernen, sagen andere.

Michael Mittermeier, 49, ist wohl Deutschlands berühmtester Comedian. Sein Bruder Alfred, 50, ist Kabarettist. Und ihr Vater ist der lustige Auktionator. "Ich muss schon sagen, das gibt's selten", sagt er. Wie entsteht Witz? Wenn es auf diese Frage eine Antwort gibt, dann vielleicht bei der Familie Mittermeier.

Für Alfred hat alles an einem Sonntagmorgen in den Siebzigerjahren mit der Tonleiter begonnen. Er sitzt an einem sonnigen Sommervormittag in kurzen Hosen und Hemd in einem Erdinger Café und imitiert eine Feuerwehrsirene. So habe alles angefangen: Mit der Mutter, die sich morgens im Wohnzimmer warmgesungen hat, Ave Maria, und die Kinder weckte. Die Sopranistin Rosmarie Mittermeier hat zur Maueröffnung in Berlin gesungen und zum Amtsjubiläum beim Papst, 20 Jahre lang trat sie mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks auf. "Bühnen waren für uns selbstverständlich", sagt Alfred Mittermeier. Keine Angst zu haben, wenn andere einem zuhören und Besonderes erwarten, ist vielleicht die erste Voraussetzung, um witzige Geschichten erzählen zu können.

Apropos Angst: "Schiss", sagt Alfred Mittermeier, "ist das Grundübel aller Probleme." Davon handelt sein neues Programm, das er gerade zu schreiben beginnt. Warum dieses Thema? "Du suchst kein Thema. Das Thema sucht dich."

Als Kinder haben sich Alfred und Michael zum ersten Mal auf die Bühne gestellt, zuerst gemeinsam, dann einzeln. Sie traten im Dorfener Fasching auf, imitierten vor 400 Erwachsenen Sketche von Karl Valentin. Die Leute lachten, und im nächsten Jahr fragte die Karnevalsgesellschaft den Vater: Kommen deine Buam wieder? "Die Leute waren hellauf begeistert. Das war für uns Beweis genug", sagt Sepp Mittermeier: Dafür, dass seine Söhne das Talent haben, Leute zum Lachen zu bringen.

Er hat sich die Proben im Wohnzimmer angesehen, seine Frau hat die beiden manchmal auf dem Klavier begleitet. Er hat Michael zu seinen ersten Soloauftritten gefahren, als nur acht Leute im Publikum saßen und keiner lachte. Doch was sein Einfluss auf die Karriere der Söhne war, auf ihren Humor, das könne er nicht sagen. Die Gene? "Ich sehe ja nicht mal, dass ich ihnen ähnlich sehe", sagt er: "Das Künstlerische kommt von meiner Frau."

Michael Mittermeier ist durch wilde Grimassen berühmt geworden, Imitationen und Albernheiten. Doch mit der Zeit - mittlerweile ist er selbst Vater mit Gel in den grauen Haaren -, wurde sein Programm immer biografischer, politischer und ruhiger. Sepp Mittermeier hat seine Söhne streng erzogen, hat sie an der Klosterschule angemeldet und in die Kirche mitgenommen. Die Söhne sind dann gleich ausgetreten, als sie konnten, und haben darüber Witze gemacht, besonders Michael. Die Geschichte vom Lehrer, der ihn schlug und dann anbrüllte, das würde ihm nun viel mehr weh tun, ist einer seiner Klassiker. Sepp Mittermeier ist politisch konservativ, wählt CSU. Michael wählte grün, als er das erste Mal durfte. Ein Interview über seine Jugend hat er abgelehnt: keine Zeit, Sommerpause, Tourvorbereitung. Im ZDF hat er jedoch jüngst darüber gesprochen: "Die Diskussion zu Hause war relativ eng gefasst", sagte er da mit erster Miene. Witz braucht gute Geschichten. Und gute Geschichten entstehen aus Konflikten.

Alfreds Konflikt war lange eher ein innerer. Er sei als Jugendlicher nicht so politisch wie sein Bruder gewesen, dafür extrovertierter. Er war es, der Michael auf die Dorfener Bühne mitnahm. Als sie früher Karl Valentin im Radio hörten, auf Kassette aufnahmen, die Texte mühsam mit der Schreibmaschine im Kinderzimmer abtippten und die Rollen verteilten, war dann aber Alfred der Preuße und Michael der Bayer, der mit der Pointe am Schluss. "Ich habe aufgelegt und er hat abgezogen", sagt Alfred. Michael ging zum Amerikanistik-Studium nach München, er war auch immer ein bisschen ein Außenseiter, hat seine Frau dem ZDF verraten. Doch das führte ihn auf direktem Weg auf die Bühne. "Ich bin heimatverbundener", sagt Alfred. Er studierte BWL und pendelte am Wochenende zurück zu seinen Freunden nach Dorfen. Er begann als Kulturmanager zu arbeiten, als Michael schon Comedian war. Und als Michael als erster deutscher Comedian mit englischem Programm in Nordamerika auftrat, kehrte auch Alfred auf die Bühne zurück. Er sagt: "Im Nachhinein, wenn man zurückschaut, ist es schon logisch. Irgendwann bleibt das übrig, was du am besten kannst."

Alfred wird nicht mehr die Popularität seines Bruders erreichen, doch das braucht er auch nicht. "Ich fühle mich sehr wohl mit dem, was ich jetzt mache", sagt er. Jeder hat seinen eigenen Witz gefunden, fast gegensätzlich: Michael ist ein politischer Comedian, Alfred ein eher unpolitischer Kabarettist, Michael springt auf der Bühne herum, Alfred bewegt sich kaum. Beide finden, dass sie etwas zu sagen haben, das haben sie gemeinsam. Doch es wäre ein Fehler, sie zu vergleichen, sagt Alfred. Ihre Karrieren verlaufen unabhängig voneinander, ihre Leben kreuzen sich eher gelegentlich, SMS, mal ein Kaffee in München, eine Familienfeier. Witzig, sagt er, wäre es dann schon. Aber Witze würde keiner erzählen, auch sein Vater nicht. Überhaupt, sagt Alfred Mittermeier, als der Cappuccino leer ist: Sepp Mittermeier sei erst nach seinen Söhnen ein lustiger Unterhalter auf der Bühne geworden, "unser Vater kam erst später dazu". Dann grinst er.

„Simmerlunser“

Hermann Simmerl, Dorfens Bürgermeister von 1984 bis 1996, fand das nicht so lustig, was Alfred Mittermeier damals in der Bütt vorführte: Das "Simmerlunser", Mittermeiers Beitrag zum Dorfener Fasching. Simmerl sei am nächsten Tag nicht mehr zur Schlüsselübergabe an das Prinzenpaar erschienen, erzählt Mittermeier. Wenn er und sein Bruder heute im heimischen Landkreis auftreten, überlegen sie sich immer noch ein paar Witze zur Lokalpolitik. Bei Alfred ist es am Samstag, 31. Oktober, wieder soweit: Für sein Programm "Extrawurst ist aus!" im Bürgersaal in Taufkirchen gibt es noch Karten im Vorverkauf. Michael Mittermeier ist von September an mit seinem Programm "Wild" auf Tour und am Donnerstag, 17. September, im Jakobmayer in Dorfen zu Gast, es gibt noch Restkarten an der Abendkasse. Für seinen Auftritt am Mittwoch, 2. Dezember, in der Stadthalle Erding sind noch Karten im Vorverkauf erhältlich. FSE

Vielleicht war das jetzt die Antwort auf die große Frage: Man kann es also lernen, witzig zu sein. Vielleicht war es aber auch einfach nur ein Witz.

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SZ vom 14.08.2015
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