Dorfen:Wehende Erinnerung

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Eine große Fahne ist am Rathausplatz gehisst worden. 30 kleinere Fahnen sind an öffentlichen Gebäuden, Geschäften und Privathäusern zu sehen - wie im Hintergrund beim Dorfener Schuhgeschäft Max Schmid. (Foto: Renate Schmidt)

In der Stadt mahnen "Weiße Fahnen für Frieden und Freiheit"

Von Florian Tempel, Dorfen

Die Aktion "Weiße Fahnen für Frieden und Freiheit", mit der in Dorfen an das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung vom NS-Regime erinnert wird, ist ein dezente, ruhige und anregende Aktion. Seit Samstag, 10 Uhr, dem Zeitpunkt als vor 75 Jahren die Stadt offiziell an die US Army übergeben wurde, weht vor dem Rathaus eine große weiße Fahne mit der Aufschrift "Tag der Befreiung". 30 weitere, kleinere Fahnen finden sich an öffentlichen Gebäuden, Geschäfts- und Privathäusern in Dorfen. Da ist nichts Plakatives dabei. Man entdeckt die Fahnen im Vorübergehen, schaut hin und hält kurz inne. Bis zum 8. Mai werden sie zu sehen sein, dem Tag, an dem vor 75 Jahren nicht nur Dorfen, sondern ganz Europa über das Ende des Weltkriegs und die Befreiung vom Nationalsozialismus aufatmen durfte.

Während in vielen Ländern Europas der Tag der Befreiung ein offizieller Gedenktag ist, gibt es in Deutschland noch immer Menschen, die ihn nicht unbedingt als glücklichen Tag anerkennen. Der Dorfener Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) betonte auch deshalb in seiner Ansprache am Samstagvormittag, dass er die "Weißen Fahnen für Frieden und Freiheit" für "eine Aktion halte, die mehr als notwendig und wichtig ist". Grundner hat die Schirmherrschaft für die Aktion in seiner Stadt übernommen, die hier von der Geschichtswerkstatt Dorfen initiiert wurde. Die Geschichtswerkstatt hat wiederum eine Initiative des Münchner Aktionskünstlers Wolfram Kastner aufgegriffen. In München wehen ebenfalls bis zum 8. Mai vor dem Rathaus am Marienplatz sowie andernorts in der Stadt weiße Fahnen.

Die weißen Fahnen erinnerten daran, wie vor 75 Jahren "Angst, Schrecken, Gewalt und unendliches Leid, das die nationalsozialistische Gewaltherrschaft über die Menschheit gebracht hatte", ein Ende fand, sagte Grundner. Der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus mahne aber nicht nur dazu, "dass so etwas nie mehr geschehen darf". Man dürfe in Deutschland auch ebenso "dankbar erinnern, dass wir seitdem in Frieden, Freiheit und Demokratie leben". Außerdem fordere der Tag der Befreiung aber auch dazu auf, "dass wir uns klar und deutlich gegen jede rechtsextremen Tendenzen stellen", sagte Grundner. Und das tue man am besten, indem "wir für eine solidarische Gesellschaft einstehen", für alle Menschen "egal welcher Herkunft, welcher Religion oder Weltanschauung". Schorsch Wiesmaier von der Geschichtswerkstatt fügte dem nichts mehr hinzu - außer ein Zitat von Heinrich Böll: "Ihr werdet die Deutschen immer wieder daran erkennen können, ob sie den 8. Mai als Tag der Niederlage oder Befreiung bezeichnen."

© SZ vom 04.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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