Süddeutsche Zeitung

Dorfen:Vergeudete Überschüsse

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Den Anliegern der Autobahn A 94 war zugesichert worden, man werde höhere Lärmschutzwälle bauen, wenn private Grundstücksstreifen dafür zur Verfügung gestellt würden. Nun zeigt sich, dass staatliche Stellen diese Zusage offenbar schon 2011 zu den Akten legten

Von Florian Tempel, Dorfen

Die lärmgeplagten Anwohner an der Isentalautobahn haben sich in der Bürgerinitiative "Lärmschutz A 94 im Gemeindebereich Dorfen" zusammengeschlossen. Dass die Autobahn keineswegs mit optimalem Lärmschutz ausgestattet worden ist, sondern nur mit dem absoluten Minimum, ist bereits bekannt. Zuerst war Anwohnern aufgefallen, dass statt hochabsorbierender Lärmschutzwände auf den Autobahnbrücken viel weniger wirksame Acrylglasscheiben aufgebaut worden sind. Diese Verminderung des Lärmschutzes wurde schon Jahre vor Baubeginn in Planänderungen beschlossen, von denen die Öffentlichkeit nichts mitbekam. Das Landratsamt Erding war die einzige Behörde im Landkreis, die von den Planänderungen erfuhr. Doch auch dort reagierte man nicht und hakte die für die Anwohner negativen Änderungen als amtlich in Ordnung ab.

Nun hat die Bürgerinitiative Lärmschutz A 94 erneut eine eklatante Missachtung des staatlicherseits zugesagten Lärmschutzes herausgearbeitet. Isolde Freundl, die Sprecherin der Bürgerinitiative, ist empört und schreibt in einer Presseerklärung: "Die Autobahndirektion Südbayern hatte uns Anwohnern den bestmöglichen Lärmschutz versprochen. Dafür sollten auch die anfallenden Erdmassen von den Bauarbeiten genutzt werden, um zusätzliche Lärmschutzwälle auf den Grundstücken der Anwohner aufzuschütten. Ein Blick in die nun veröffentlichten Unterlagen zeigt: Die Autobahndirektion hatte dieses Anliegen bereits 2011 zu den Akten gelegt. Überschüssige Erdmassen wurden nicht für zusätzliche Lärmschutzwälle genutzt." Das geht aus den Unterlagen der Planänderung hervor, welche die Regierung von Oberbayern erst vor Kurzem auf ihrer Internetseite öffentlich zugänglich gemacht hat.

Bei den vielen Treffen mit Politikern in den vergangenen Monaten war das Thema schon mehrmals angesprochen worden. Anwohner hatten sich darüber beklagt, dass eine vernünftige Zusage nicht gehalten worden war. In den A 94-Verhandlungen am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof war ausgemacht worden, dass Lärmschutzwälle entlang der Autobahn in Absprache mit den Anwohnern höher gebaut werden könnten. Man hätte die Lärmschutzwälle, da waren sich alle einig, mit Abraum leicht erhöhen können.

Dazu kam es jedoch nach einhelliger Aussage von Anwohner, die Grundstücksstreifen dafür gerne zur Verfügung gestellt hätten, in keinem Fall. Seit das internationale Autobahnkonsortium den Bauauftrag vom Bund erhalten hatte, seien alle diesbezüglichen Anfragen und Bitten der Anwohner schlicht ignoriert worden. Dass Oliver Lauw, der Geschäftsführer der Isentalautobahn GmbH & Co. KG beim sogenannten Lärmschutzgipfel in Rattenkirchen im Januar behauptete, sein Unternehmen habe mit den Anliegern kooperiert, "entspricht in keiner Weise der Wahrheit", schreibt Freundl.

In der Planfeststellung aus dem Jahr 2009 steht auf Seite 237 noch in großer Eindeutigkeit, dass die Autobahndirektion ihre "Bereitschaft erklärt, im Einzelfall zu prüfen, ob im Rahmen der Bauausführung zusätzliche Lärmschutzanlagen aus Überschussmassen hergestellt werden können." "Auf diese Zusicherung haben wir alle vertraut", sagt Anton Obermaier, ebenfalls ein A 94-Anlieger. Er hatte einen Teil seines Grundstücks kostenlos für besseren Lärmschutz angeboten, doch "die haben sich einfach nicht mehr dafür interessiert."

Denn nur zwei Jahre nach der Planfeststellung liest man in der Planänderung mit dem Titel "Deponierung der Überschussmassen in der Kiesgrube Osendorf" auf Seite 11 schon folgendes: "Ein Einbau der Überschussmassen in Lärmschutzwälle als zusätzlicher Lärmschutz wurde nicht weiterverfolgt." Zur Begründung heißt es unter anderem, dass die gesetzlichen Lärmgrenzwerte "weitgehend eingehalten sind und sich die allgemeine Lärmsituation auch durch höhere Lärmschutzanlagen nicht wesentlich weiter verbessern würde".

Beim Bau der Isentalautobahn sind 850 000 Kubikmeter Erde als Überschuss angefallen, die zum größten Teil in die alte Kiesgrube in Osendorf bei Dorfen gefahren und dort zu einem regelrechten Berg aufgetürmt wurden. Der kahle Überschussberg ist weithin sichtbar. Nur mit einem kleinen Teil der Erdmassen hätte man an vielen Stellen Lärmschutzwälle etwas höher bauen können. Isolde Freundl zieht ein bitteres Fazit, warum das nicht gemacht wurde: "Die Behörden hatten von Anfang an kein Interesse, uns besser zu schützen."

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SZ vom 21.03.2020
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