Süddeutsche Zeitung

Dorfen:Noch viel Klärungsbedarf

Vom Wunsch getrieben, viel Gutes für die Umwelt zu erreichen, haben die Dorfener Grünen beim Neubau der städtischen Kläranlage eine UV-Entkeimung als zusätzliche Klärstufe beantragt. Der Planer zeigt mit überraschenden Argumenten, warum das keine sinnvolle Idee wäre

Von Florian Tempel, Dorfen

Abwasser und Kläranlagenbau, das ist zwar kein appetitliches Thema, es ist aber ernsthaft wichtig und kann tatsächlich auch ziemlich interessant sein. Wie man mit der dreckigen Brühe aus der Kanalisation vernünftig umgeht und wie daraus wieder sauberes Wasser wird, das unbedenklich ins Flusssystem eingeleitet werden kann, ist eine anspruchsvolle und schwierige Frage. Das war bei einer Diskussion im Dorfener Bauausschuss zu erleben. Die Grün-Alternative Liste hatte, vom Wunsch getrieben, möglichst viel Gutes für die Umwelt zu erreichen, beim Neubau der Dorfener Kläranlage eine zusätzliche Klärstufe beantragt. Kostas Athanasiadis vom Ingenieurbüro Steinle, ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Abwasserreinigung, zeigte dann allerdings mit überraschenden Argumenten auf, warum man auf eine sogenannte UV-Entkeimung, wie sie die Grünen forderten, in diesem Fall verzichten sollte.

In Dorfen muss das städtische Klärwerk erneuert werden. So viel stets fest. Die bestehende Anlage wurde 1974 gebaut, ist immer wieder mal in Teilen erneuert worden, aber mittlerweile an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt. Das Dorfener Klärwerk ist für 15 000 Einwohnerwerte ausgelegt. Das reicht noch gerade so. Die Stadt wird in den kommenden Jahren jedoch durch Zuzug wachsen. Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) verwies auf eine Bevölkerungsprognose für Dorfen, nach der bis 2030 mit dann etwa 18 000 Einwohnern gerechnet wird. Darüber hinaus hat sich die Technik der Abwasserreinigung verändert. Es gibt bessere und wirtschaftlichere Methoden als früher.

Kläranlagenplaner Athanasiadis erklärte dem Bauausschuss in gebotener Kürze, wie die von ihm und seinem Team konzipierte neue Anlage funktionieren wird. Das war nicht leicht zu verstehen, aber Athanasiadis' Darlegungen erschienen absolut überzeugend. Eines war besonders erfreulich: Durch Überprüfungen unklarer Daten haben die Ingenieure festgestellt, dass sie die neue Anlage zunächst zu groß geplant hatte. Ein kleineres Werk tut es auch - und spart der Stadt mehr als eine Millionen Euro. Die Planer haben dabei eine Klärschlammverfaulungsanlage gestrichen, mit der sich Strom herstellen ließ. Jedoch nicht, um Geld zu sparen, sondern weil eine Klärschlammverstromung erst in Anlagen einer bestimmten Größe Sinn mache, sagte Athanasiadis. Zu kleine Verfaulungsanlagen funktionierten technisch nicht gut.

Die Grünen im Stadtrat hatten argumentiert, wenn man Geld an dieser Stelle sparen, könnte man sich doch eine UV-Entkeimungsstufe leisten, bei der mit ultraviolettem Lich schädliche Bakterien abgetötet werden. Noch vor einer Generation, so die Grünen in ihrem schriftlichen Antrag, hätten "man überall lachende, fröhliche Kinder beim Baden in der Isen treffen" können, "heute herrscht wegen der bakteriellen Verunreinigung des Flusses Badeverbot und Totenstille am Fluss." Mit einer UV-Entkeimung könnte man in Dorfen einen Beitrag für eine sauberer Isen als Lebensraum für Mensch und Tier leiten. Das Ganze wäre "ein Leuchtturmprojekt auch für die Betreiber der anderen Kläranlagen an der Isen".

Athanasiadis zerlegte den Wunsch und Antrag der Grünen mit mehreren Argumenten: Die Einleitung des geklärten kommunalen Abwassers sei keine wesentliche Ursache für die bakterielle Belastung des Flusswassers. "Die Regenwasserabflüsse haben viel größeren Einfluss", sagte der promovierte Ingenieur, der Mitautor zahlreicher wissenschaftlicher Abhandlungen zum Thema Abwasser ist. Es werde zudem in Deutschland noch diskutiert, welche Belastungen und Verunreinigungen am dringendsten behandelt werden sollte. Er selbst sei zum Beispiel der Auffassung, dass es wichtiger sei, die Phosphorbelastung senken sollte, als mit UV-Licht Bakterien abzutöten. Ein anderes wichtiges Thema sei die Belastung des Abwassers mit Antibiotika. Hier komme die Hauptbelastung aber ebenfalls nicht aus dem kommunalen Abwasser, sondern aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Ein drittes Beispiel sei, ob man Nanopartikel herausfiltern sollte. Er, so Athanasiadis, finde das nicht in Ordnung. Das Zeug gehöre vielmehr verboten.

Doch so oder so: Solange die Diskussion zur weiteren Reinigung des Abwassers nicht zu Ende sei, sei es in jedem Fall nicht angeraten, sich für eine Art von "vierter Klärstufe" zu entscheiden. "Es gibt keine rechtliche Grundlage", erklärte Athanasiadis, keine Spezifikationen, was man tun sollte, und wenn, welche Grenzwerte man dabei erreichen müsse. Es brauche allerdings unbedingt rechtliche Festlegungen, da die Abwasserreinigung durch Gebühren finanziert werde. Da könne und dürfe sich eine Kommune nicht in eignem Ermessen dafür entscheiden, dies oder jenes zu tun oder zu unterlassen.

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SZ vom 18.09.2021
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