Süddeutsche Zeitung

Ehemalige Ziegelfabrik in Dorfen:Große Herausforderung

Ein städtebaulicher Wettbewerb soll verhindern, dass aus dem neuen Stadtteil Dorfen wegen der Randlage eine Siedlung für München-Pendler wird.

Von Florian Tempel, Dorfen

Auf dem Gelände der ehemaligen Dachziegelfabrik Meindl in Dorfen wird ein neuer Stadtteil entstehen. Platz ist reichlich vorhanden, zwei Drittel des 210 000 Quadratmeter großen Areals sind als Wohnquartier vorgesehen. Wie es dort einmal aussehen könnte, soll in einem städtebaulichen Wettbewerb ermittelt werden. Das ist beschlossene Sache. Doch die Städteplanerein Martina Schneider, die die Stadt Dorfen seit der Ausarbeitung des Stadtentwicklungskonzept ISEK berät, machte nun dem Stadtrat erstmals klar, wie schwierig die Sache wird. Das Meindl-Gebiet mag zwar verkehrsgünstig zwischen Bahn und Autobahn liegen. Gleichzeitig liege gerade darin die große Herausforderung, auf die man im Wettbewerb die richtigen Antworten finden müssten: "Wie schafft man es, dass das keine Siedlung für München-Pendler wird, sondern ein echter Dorfener Stadtteil?"

Das ehemalige Fabrikgelände befindet sich in verschärfter Stadtrandlage, weil es jenseits der Gleise liegt. "Der Sprung über die Bahnstrecke", sagte Schneider, sei alles andere als trivial. Und das nicht nur, weil noch keiner weiß, ob die Gleise ebenerdig ausgebaut oder tiefer gelegt wird. In den Planungen der Deutschen Bahn zum Ausbau der Bahnstrecke inklusiver einer Verlegung der Bahnsteige kommt das neue Quartier noch gar nicht vor. Eine Unterführung unter den Gleisen hindurch wäre aber aus städtebaulicher Sicht unter keinen Umständen eine akzeptable Lösung. Der von der Stadt beauftragte Verkehrsplaner Martin Vieregg hat das Meindl-Areal in seinen Vorschlägen zwar berücksichtigt und die von ihm geplante Tieferlegung der Gleise und Bahnsteige lässt auch prinzipiell eine vernünftigere Erschließung des neuen Wohngebiets über die Bahn hinweg zu. Doch nur irgendwie eine Brücke zu bauen, so einfach sei das nicht, sagte Schneider.

Sie zeigte den verblüfften Stadträten, was für tolle, ästhetische, multifunktionale oder sonst wie ausgefallene Überbrückungsbauwerke sich Architekten andernorts ausgedacht haben, um Stadtteile über Bahngleise hinweg miteinander zu verbinden. Das kann man so ausgefeilt vielleicht gar nicht machen in Dorfen. Es kam aber vor allem auf die Botschaft der eindrucksvollen Bildershow an: Man muss sich was einfallen lassen.

Denn das Problem der Randlage werde auch nicht durch die schönste und coolste Bahnüberbrückung gelöst, so Schneider. Rund um den Bahnhof und entlang der Bahnhofstraße zeigt sich Dorfen nicht gerade von seiner schönste Seite. "Das Ankommen in der Stadt", sagte Schneider, sei deshalb ein weiteres Thema, das bei der Entwicklung des Meindl-Quartiers mitgedacht werden müsse. Die Bewohner des neuen Stadtteils brauchten außerdem nicht nur einen Weg raus aus ihrem eigenen Viertel, sondern auch gute Rad- und Gehwegeverbindungen rein ins Zentrum und in andere Teile der Stadt. Alles in allem seien es "nicht so die leichtesten Themen", die beim Städtebauwettbewerb bearbeitet werden müssen, noch bevor man die Frage stellen könne, "was passiert innerhalb des Quartiers?"

Die Stadträte hatten indes selbst schon erkannt, dass man nicht so ohne weiteres einen städtebaulichen Wettbewerb für das Meindl-Areal ausloben kann. Die CSU-Fraktion beantragte, vorab einen Workshop zu veranstaltet, bei dem der Stadtrat mithilfe von Experten diskutiert, wie man sich das neue Meindl-Quartier unter allen Gesichtspunkten idealerweise vorstellt und welche Ziele und Vorgaben für den Wettbewerb genannt werden sollen, damit am Ende auch wirklich gute Lösungen herauskommen. Vertreter aller anderen Fraktionen befanden, dass das eine gute Idee sei. Der Workshop soll im Herbst stattfinden und die Ergebnisse anschließend in einer Bürgerversammlung oder Bürgerwerkstatt öffentlich durchgesprochen werden.

Judith Praxenthaler vom Planungsverband München erläuterte dem Stadtrat, in welcher Weise man den städtebaulichen Wettbewerb veranstalten könnte. Die formalen Aspekte des Wettbewerbs ließen sich jedoch erst festlegen, sobald man wisse, was man wolle, sagte Praxenthaler. Schneider plädierte dafür, sich Zeit zu nehmen, und verwies auf eine vorbildliche Quartierentwicklung in Zürich. Für die Neubebauung eines vier Hektar großen ehemaligen Betonwerks wurde dort erst ein Ideen- und anschließend ein Architektenwettbewerb veranstaltet, woran sich noch eine Dialogphase anschloss. Es dauerte insgesamt drei Jahre, bevor die eigentlichen Planungen und Realisierungen begannen.

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Quelle:
SZ vom 13.05.2019
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