Dorfen:Kontrastreiche Gemeinsamkeiten

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Südafrikanischer Gumboot Dance und bayerische Musik: Michael Well bringt einen besonderen Mix nach Dorfen in den Jakobmayer.

Florian Tempel

Am 10. Oktober wird es im Dorfener Jakobmayer die bislang wohl außergewöhnlichste Kulturveranstaltung geben. Michael Well hat eine Tournee südafrikanischer Gumboot Dancer organisiert, die er vor Jahren mit der Biermösl Blosn beim "Plattln in Umtata" kennengelernt hat. Die "Corroborations" treten in afrikanisch-bayerischer Mischung zusammen mit dem Well-Nachwuchs-Ensemble "nouWellcousines" auf.

2009 ist die Biermösl Blosn schon einmal mit den Corroborations in München aufgetreten. In Dorfen tanzen die ´nouWellcousines` mit den Gumboot Dancers aus Südafrika. (Foto: Stephan Rumpf)

SZ: Herr Well, wie kommen Sie und südafrikanische Gumboot-Dancer zusammen?

Michael Well: Vor sechs, sieben Jahren hat Wolfgang Landgraeber, Redakteur beim WDR, eine Geschichte über die Oppenheimer in Südafrika gemacht, eine aus der Nähe von Frankfurt ausgewanderte Goldminenbesitzerdynastie. Bei seiner Reise hat er entdeckt, dass es in den Goldminen und drumherum Gumboot-Dancer, also Gummistiefeltänzer, gibt. Die hauen sich beim Tanzen so auf die Schuhe und Beine, das hat ihn stark an Schuhplatteln erinnert. Und da hat er zu uns gesagt, die müsst ihr unbedingt kennenlernen.

Warum musste er gleich an die Biermösl Blosn denken?

Na, weil wir seit Jahrzehnten immer einen Schuhplattler im Programm gehabt haben. Das ist ja auch ein Ausdruck- und Stampftanz, der, wenn man ihn kann, auch Spaß macht. Ich hab mir allerdings schon zweimal den Meniskus gerissen und einmal einen Muskelfasreriss zugezogen.

War gleich die Idee da, etwas zusammen mit den Gumboot-Dancer zu machen?

Landgraeber hat das angeleiert, dass wir nach Südafrika gereist sind. Wir haben im Goethe-Institut in Johannesburg gespielt und dort die "Corroborations" getroffen. Der Choreograf Mandoza Redebe arbeitet mit fast 40 Jugendlichen im Township Heidelberg in verschiedenen Gruppen. Sie verarbeiten Themen wie Aids in Form von Theater, Tanz und Musik. Der Kontrast mit der bayerischen Volksmusik war eine ganz witzige Geschichte. In Pretoria, Kapstadt und Namibia haben wir noch Workshops mit anderen Gruppen gemacht, wir haben gespielt, die haben gespielt, wir haben uns ausgetauscht. Das war eine richtig gute Erfahrung. Und es war ein Filmteam dabei, das alles mitgedreht hat.

Daraus ist der Film mit den schönen Titel "Plattln in Umtata" entstanden.

Umtata ist der Ort, wo Nelson Mandela geboren ist.

Ist das wirklich wahr, heißt das wirklich so?

Ja, das ist kein Fake oder Witz, das ist so.

Wie ist der Gumboot-Tanz entstanden?

Eine Version ist, dass die Minenarbeiter nicht reden durften und sich so verständigt haben. Aber ich denke, das ist eine Mär. Ich glaube, das ist eine Freizeitgeschichte gewesen, nach der Arbeit auf der Straße zu tanzen.

Was hielten die Südafrikaner von euren bayerischen Tanzkünsten?

Die haben sofort probiert, das auch zu machen. Denen hat das supergut gefallen.

Wie ging es nach der Reise weiter?

Wir haben Kontakt gehalten. Und in Heidelberg in Deutschland gibt es einen Chor, der afrikanische Lieder und Tänze im Programm hat. Die laden regelmäßig Jugendliche aus dem Township Heidelberg zu sich ein. Bei den Gumboot Dancer sind ganz viele Vollwaisen dabei. Die werden in Heidelberg in Deutschland zum Teil ausgebildet und arbeiten dann in Heidelberg in Südafrika in einer Radlreparaturwerkstatt, haben so eine berufliche Perspektive. 2009 haben wir die Corroborations, die damals gerade in Heidelberg waren, für einen Auftritt in der Muffathalle nach München geholt.

Und danach?

Im Oktober 2011 war der Choreograf Mandoza zu Besuch in München. Er wollte die Biermösl Blosn mal erleben, bevor wir aufgehört haben. Und ich hab mir gedacht, eigentlich wäre es lustig, wenn seine Tänzer auch noch mal zu uns kommen würden. Dann habe ich das in die Hand genommen und eine ganze Woche Tournee zusammengestellt.

Wo wird es Auftritte geben?

Es geht los in Puchheim, weiter in Geretsried beim Kulturherbst, dann in Gersthofen, da ist eine Schuhplattlergruppe dabei. An meinem Geburtstag sind wir in Dorfen. Danach in Ebersberg, in München-Milbertshofen, im Wasmeier-Museum am Schliersee und zum Abschluss machen wir einen Volkstanzabend im Schlierseer Terofal-Bauerntheater.

Wie sind Sie auf Dorfen gekommen?

Mit Dorfen haben wir so lange Beziehungen durch die ganze Isentalgeschichte, die wir 30 Jahre lang mitverfolgt haben und auch immer wieder dabei waren. Es war für uns eine Herzensangelegenheit, dass diese Autobahn nicht gebaut wird. Aber jetzt haben sie ja angefangen. Es ist erschütternd.

Sie kennen auch Birgitt Binder, die für das Programm im Jakobmayer verantwortlich ist, schon lange?

Seit Ende der 70er, Anfang der 80er Jahren. Die war mal Bedienung im Muh in der Hackenstraße (ehemalige Münchner Kleinkunstbühne, d. Red.). Sie hat dann mit der Soafa in Dorfen eine der ersten Musikbühnen auf dem Land gemacht. Das war eine mutige Geschichte. Mir hat gefallen, dass sie immer Risikobereitschaft gezeigt hat und Leuten, die nicht etabliert waren, eine Auftrittsmöglichkeit gegeben hat. Ich finde es toll und konsequent, dass und wie sie jetzt im Jakobmayer das Programm macht.

Mit der Biermösl Blosn waren Sie im November noch einmal in Dorfen.

Beim Eröffnungswochenende im Jakobmayer waren wir von Herzen gerne. Es war auch eine Erinnerung an Kleinkunstabende wie früher. Zusammen mit Alfred Mittermeier und Hans Söllner, das fand ich toll, diese Abwechslung, absolut genussreich.

Der Abend mit den Gumboot Dancer verspricht auch Abwechslung.

Ich garantiere, das wird ein ganz spannender Abend.

Aber nicht mehr mit der Biermösl Blosn, weil es die nicht mehr gibt.

Nun kommt die neue Well-Generation. Meine Tochter Maria spielt zusammen mit dem Stofferl seiner Tochter Maresa und einem Kommilitonen von der Musikhochschule, Alexander Maschke. Sie nennen sich "nouWellcousines", machen bayerische Musik, ein bisschen klassische Musik und singen eigene Lieder. Die werden sich abwechseln mit den Gumboot-Tänzern und zum Schluss etwas zusammen machen. Das wird ganz unterhaltsam.

Wenn Sie jetzt Gumboot Dancer und Well-Nachwuchs nach Dorfen bringen, tun Sie das als Organisator. Wie sieht Ihr persönliches Leben nach der Biermösl Blosn aus?

Ich mache weiter die Terminplanung für den Polt. Mit dem Stofferl und einem anderer Bruder, dem Karl Well, spielen ich ab und zu zusammen. Dann haben wir zur Zeit in den Münchner Kammerspielen das Geschwisterprogramm mit unserer Mutter, die mit 92 Jahre mit auf der Bühne ist. Wir spielen das noch bis nächsten Frühling immer wieder. Ein Projekt, das wir schon lange machen wollte, ist etwas mit den Wellküren zusammen. Das ist natürlich witzig, wenn wir als XXL-Well auftreten, sechs Geschwister und der Gerhard Polt kommt vielleicht auch noch als Überraschungsgast.

Es besteht also die sichere Möglichkeit, dass man von der Familie Well ab und an wen in Dorfen sieht?

Ja, bestimmt. Die Schwestern kommen im Januar oder Februar.

Die Dorfener sind stolz auf ihren Jakobmayer. Wie ist er aus Künstlersicht?

Was toll ist: Er ist mitten im Ort in einem historischen Gemäuer, keine riesige Stadthalle irgendwo am Rand, so wie es die Mode in den siebziger Jahren war. Die Kommunen mit Stadthallen haben jetzt unheimliche Belastungen durch Folgekosten. Ich sehe das in Wolfratshausen. Die Loisachhalle ist ein einziger Streitpunkt, seit Jahren. Ich kann dem Jakobmayer nur wünschen, dass ihn die Leute annehmen. Denn oft ist es ja so: Wenn du was in der eigenen Gemeinde machst, gilt das nichts. Ich hoffe, dass es in Dorfen nicht so ist. Dass die Dorfener es wertschätzen, dass im Ort Kultur geboten wird und man nicht immer nach München fahren muss.

Aber ist der Jakobmayer nicht etwas klein? Mögen Künstler nicht lieber größere Säle?

Die Größe vom Jakobmayer ist für die Künstler ideal. Und für das Publikum ist es doch ein Privileg, so nah am Künstler zu sitzen. In einer Stadthalle kriegst du das atmosphärisch nie hin. Solche Bühnen wie der Jakobmayer, das ist die Zukunft. Ich mache jedenfalls Werbung für ihn, ich sag jedem, wie gut es im Jakobmayer ist.

© SZ vom 19.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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