Dorfen:Kommunist und Widerstandskämpfer

Karl Wastl

Der in Dorfen geborene Karl Wastl war als Kommunist und Gewerkschafter zur gleichen Zeit wie Aigner im KZ Sachsenhausen.

(Foto: Staatsarchiv Bremen)

Karl Wastl war bis vor einem Jahr unbekannt, jetzt ehrt ihn Dorfen. Eine Straße wird nach ihm benannt und eine nach Sophie Scholl

Von Florian Tempel, Dorfen

"Jetzt könnte man sagen, um Gottes Willen, wir wollen doch in Dorfen keine Straße nach einem Kommunisten benennen!" Die Befürchtung von Stadtrat Heiner Müller-Ermann (SPD) war grundlos. Niemand im Bauausschuss hatte ein Problem damit, dass Karl Wastl einst Mitglied der KPD war. Dass der 1889 in Dorfen geborene Gewerkschafter ein sehr aktiver Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus war und während seiner Zeit im KZ seine kargen Brotrationen mit sowjetischen Kriegsgefangenen teilte, um sie vor dem geplanten Hungertod zu bewahren, beeindruckte Vertreter aller Fraktionen. Und so lautete der einstimmige Beschluss, dass eine der beiden Straßen im neuen Baugebiet "An der Mühlleite" ihm zu Ehren seinen Namen tragen wird. Die andere Straße wird nach Sophie Scholl benannt.

Lokal oder überregional? Beides

Im Juli hatte der Bauausschuss beschlossen, dass die neuen Straßen auf alle Fälle nach NS-Widerstandskämpfern benannt werden. Diskutiert wurde jedoch, ob man die Namen überregional bekannter Persönlichkeiten nehmen sollte oder solche, die einen lokalen Bezug zur Stadt Dorfen haben. Letztlich löste sich dieses Frage durch den Kompromiss auf, beides zu tun.

Stadträtin Doris Minet (Freie Wähler) legte dar, worin der Vorteil liege: Die allgemeine Bekanntheit von Sophie Scholl mache darauf aufmerksam, dass die zweite Straße im neuen Wohngebiet ebenfalls nach einem Widerstandskämpfer benannt sei. Wenn man hingegen beide Straßen nach lokalen Widerstandskämpfern benennen würde, wäre das - wegen deren relativer Unbekanntheit - nicht so leicht erkennbar.

Wastl wird 2012 wiederentdeckt

Karl Wastl war bis vor einem Jahr in Dorfen völlig unbekannt. Sein Leben wurde erst 2012 von Philipp Vergin im Rahmen einer Studienarbeit wiederentdeckt, auf die wiederum der Dorfener Hans Elas bei seinen Recherchen zu Dorfen in der Zeit des Nationalsozialismus mehr oder weniger zufällig aufmerksam wurde.

Karl Wastl ist der Sohn des Braumeisters Pius Wastl und von Maria Wastl, geborene Hilger. Er besuchte die Volksschule in Dorfen und machte eine Ausbildung zum Kupferschmied. Sein Beruf führte ihn in verschiedene Städte Deutschlands. 1908 wurde er SPD-Mitglied. Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete er auf der Bremer Vulkan-Werft, trat der USPD bei und 1920 der KPD, war Betriebsrat und Gewerkschaftsfunktionär.

1933 kam er ins KZ

Nach einem gescheiterten Arbeiteraufstand 1923 musste Wastl untertauchen. 1931 wurde er in Oldenburg hauptamtlicher KPD-Sekretär, 1932 Landtagsabgeordneter im Freistaat Oldenburg. Nach der Machtergreifung der NSDAP kam Wastl im April 1933 ins KZ Esterwegen, neben Dachau das größte frühe KZ in Deutschland. Ende 1933 wurde er durch eine Weihnachtsamnestie entlassen. In den folgenden Jahren wurde er ständig von der Gestapo überwacht und fand keine Arbeit, weil sein Name auf einer schwarzen Liste stand. Mit Kriegsbeginn wurde er 1939 erneut verhaftet und in einem Außenlager des KZ Sachsenhausen interniert.

Das Klinkerwerk Oranienburg, in dem Ziegel für Albert Speers Berliner Großbauvorhaben produziert wurden, war ein Todeslager, in dem die SS Tausende Häftlinge durch mörderische Arbeitsbedingungen oder gezielte Aktionen umbrachte. Dort beteiligte sich Wastl an einer von kommunistischen Häftlingen organisierten Hilfsaktion für sowjetische Kriegsgefangene, um sie mit geteilten Brotrationen vor dem Hungertod zu bewahren.

Mit 74 Jahren stirbt Wastl in Bremen

Als 1944 die kommunistische Widerstandsgruppe aufflog, wurde er ins KZ Mauthausen verlegt, wo ihn am 5. Mai 1945 die US-Armee befreite. Nach dem Krieg kehrte Wastl nach Bremen zurück. Er arbeitete wieder als Gewerkschafter, trat 1948 aus der KPD aus und der SPD bei. Erst 1962 wurde sein Entschädigungsantrag für seine Verfolgung durch die Nazis anerkannt. 1963 starb Wastl im Alter von 74 Jahren in Bremen.

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