Fasching in BayernTanz im Nachtgewand

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Dass die Dorfener Bürgerinnen und Bürger im Nachtgewand auf der Straße tanzen, hat am „Unsinningen Donnerstag“ dort Tradition.
Dass die Dorfener Bürgerinnen und Bürger im Nachtgewand auf der Straße tanzen, hat am „Unsinningen Donnerstag“ dort Tradition. (Foto: Renate Schmidt)

Am „Unsinnigen Donnerstag“ ziehen wieder 3000  Hemadlenzen durch Dorfen. Der Bürgermeister klettert über eine Leiter aus dem Rathaus zu den Narren hinab und auf dem Marktplatz wird der Winter vertrieben.

Von Thomas Daller, Dorfen

Die Hemadlenzen in Dorfen haben am „Unsinnigen Donnerstag“ wieder erfolgreich ihr Ritual abgeschlossen, um eine Fortsetzung der Jahreszeiten zu gewährleisten: Mit einem Brand- und vielen Trankopfern haben sie den Winter ausgetrieben. Nun können Straßencafés wieder Tische und Stühle hinausstellen, Cabrios oben ohne fahren und die Bauern ihre Rösslein einspannen: Der Frühling kann kommen.

Die Hemadlenzen hatten wieder einmal Glück mit dem Wetter: Seit der Umzug 2021 wegen Corona einmal ausfallen musste, war in den darauffolgenden Jahren immer strahlend blauer Himmel. Auch diesmal fing der Tag sehr sonnig an, erst später zeigten sich die Wolken und als der Strohhemadlenz zum Abschluss traditionell verbrannt wurde, fielen ein paar Tropfen.

Polizei, Sicherheitsdienste und Rotes Kreuz waren zahlreich vertreten, die Zufahrtsstraßen hatte man mit Beton-Legoblöcken versperrt, Rettungsgassen blockierte die Polizei mit ihren Einsatzfahrzeugen, um sie bei Bedarf zu öffnen.

Traditionell stärkt man sich in Dorfen bei einem Weißwurstfrühstück, bevor man sich weiß gewandet in die Erdinger Straße begibt, wo sich der Zug formiert. Gegen 10 Uhr spielt die Stadtkapelle das Dorfener Faschingslied und dann setzt sich der Zug schunkelnd in Bewegung.

Präsidentin Sabine Kuliga-Lenffer holt Bürgermeister Heinz Grundner vom Rathaus ab.
Präsidentin Sabine Kuliga-Lenffer holt Bürgermeister Heinz Grundner vom Rathaus ab. (Foto: Renate Schmidt)
Nur noch selten zu sehen ist die traditionelle Saublosn.
Nur noch selten zu sehen ist die traditionelle Saublosn. (Foto: Renate Schmidt)
Hemadlenzennachwuchs David mit seinem Vater: Der Schnuller sitzt, das Nachthemd auch.
Hemadlenzennachwuchs David mit seinem Vater: Der Schnuller sitzt, das Nachthemd auch. (Foto: Renate Schmidt)

Das Ritual sieht vor, dass sich die Hemadlenzen zuerst zum Unteren Tor begeben, wo das Prinzenpaar bereits im Turmstüberl auf sie wartet. Auch heuer waren wieder 2000 bis 3000 Hemadlenzen beim Umzug dabei, etwas weniger als in den vergangenen Jahren, aber ausreichend, um den gesamten Unteren Markt mit ihren Nachthemden in ein weißes Spektakel zu verwandeln.

Zu den traditionellen Elementen des Umzugs gehören Laternen, die man an Stangen mit sich führt oder auch Saublasen, die an Stöcke gebunden werden. Sie kommen aber allmählich aus der Mode, werden ersetzt durch Konfettikanonen oder föhnähnliche Seifenblasenmaschinen.

Nachdem das Prinzenpaar mit einer Leiter vom Turmstüberl zu den Hemadlenzen hinabgestiegen war, ging es zur nächsten Station, zum Dorfener Rathaus. Dort warteten bereits Bürgermeister Heinz Grundner und Landrat Martin Bayerstorfer. Nachdem die beiden, unterstützt durch Rathausmitarbeiter, zahlreiche Tüten mit Bonbons zu den Lenzen hinuntergeworfen und ihnen zugeprostet hatten, kletterte Grundner zum Zug hinab, der sich dann erneut zu seinem nächsten Ziel am Marienplatz in Bewegung setzte.

Das Prinzenpaar Sonja II. und Dominik I.
Das Prinzenpaar Sonja II. und Dominik I. (Foto: Renate Schmidt)
Auch das gehört zur Tradition:  Prinzenpaar Sonja II. und Dominik I. steigen vom Turmstüberl herab
Auch das gehört zur Tradition:  Prinzenpaar Sonja II. und Dominik I. steigen vom Turmstüberl herab (Foto: Renate Schmidt)

Die traditionelle Route über die Haager Straße wurde heuer auch aus Sicherheitsgründen ein wenig umgeändert. Die polizeiliche Absperrung setzte bereits auf Höhe der Bäckerei Brugger ein, um Zufahrtsstraßen zu begrenzen. Der Umzug ging stattdessen weiter über die Brandstattgasse und schließlich weiter zum Marienplatz, auf dem bereits der sogenannte Galgen mit der Aschewanne wartete, und wo die Lenzenpuppe, ausgestopft mit Holz und Stroh, unter Gejohle verbrannt wird. Dort warten erfahrungsgemäß neben Fotografen und Fernsehteams auch viele Eltern mit kleineren Kindern, die das Spektakel sehen wollen.

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Der Dorfener Umzug ist nicht so einmalig, wie immer behauptet wird. Rund um Konstanz gibt es so viele verblüffende Parallelen, dass sich die Frage nach Original und Kopie stellt.

Von Thomas Daller

Mit bangem Blick nach oben, als sich allmählich die Wolken dunkler färbten, kommentierten manche in der Menge, der Zug müsse sich allmählich beeilen. Der vom Wetterbericht angesagte Regen am Nachmittag werde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Und so war es auch: Kaum hing der mit Spiritus getränkte Strohlenz am Galgen und fing Feuer, begann es auch schon zu tröpfeln. Allerdings reichte es nicht, um die Puppe zu löschen, das Ritual des Winteraustreibens war wieder einmal gelungen.

Dem Winter geht es an den Kragen.
Dem Winter geht es an den Kragen. (Foto: Renate Schmidt)
Der Umzug verlief nach Polizeiangaben friedlich.
Der Umzug verlief nach Polizeiangaben friedlich. (Foto: Renate Schmidt)

Der Hemadlenzenumzug verlief nach Angaben der Dorfener Polizei auch heuer wieder friedlich, das liegt wohl auch daran, dass seit vielen Jahren der Verkauf von harten alkoholischen Getränken untersagt wurde. Das Rote Kreuz hatte zum Abschluss des Umzugs noch einen Einsatz, allerdings schien es sich bei der Patientin um keine Schwerverletzte zu handeln. Die Rettungskräfte machten aus Datenschutzgründen dazu keine Angaben.

Nach dem Umzug wurde noch bis etwa 14 Uhr in den Straßen gefeiert und getanzt, weiter ging es für viele dann in den Gaststätten oder im Tonwerk, wo noch eine lange Party gefeiert wurde.

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