Dorfen:Grundner gibt Vieregg-Lösung auf

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2017 zeigte ein Baugerüst am Bahnübergang Birkenallee die Höhe der geplanten Schallschutzmauern an der Bahnstrecke. Dahinter sieht man Wiesen und Äcker, in denen die Bahngleise in der Vieregg-Variante tiefergelegt verschwinden könnten. (Foto: Stephan Görlich)

Dorfens Bürgermeister will, dass der Stadtrat die Wunschlösung für einen besseren Bahnausbau im Stadtbereich aus Kostengründen selbst streicht. Als sich in Vorbesprechungen keine Mehrheit findet, änderte er seinen Kurs wieder

Von Florian Tempel, Dorfen

Die offizielle Geheimniskrämerei zum sogenannten Faktencheck, bei dem die Dorfener Wunschlösung für einen Bahnausbau in der Stadt noch einmal unter die Lupe genommen worden ist, geht noch bis Mittwochabend weiter. Auf der Sitzung des Stadtrats steht an Punkt vier der Tagesordnung: "Variantenvergleich zwischen der Präferenzlösung der Stadt Dorfen und der Variante der DB Netz AG - weitere Vorgehensweise." Nach Informationen der SZ Erding strebte Grundner zunächst an, dass der Stadtrat die vom Münchner Verkehrsexperten Martin Vieregg ausgetüftelte Tieferlegung der Gleise aus Kostengründen nunmehr selbst aufgeben sollte. Als Grundner jedoch merkte, dass er für eine derartige Kapitulation keine Mehrheit bekommen würde - die CSU-Fraktion und einige andere, ihm treu ergebenen Stadträte sind dafür zu wenige -, änderte er seinen Kurs wieder.

Seit vielen Jahren wird der Bahnausbau geplant und kritisiert. Um kilometerlange Lärmschutzwände und große Straßenbrücken zu vermeiden, wünscht man sich in Dorfen eine Tieferlegung der Gleise. Die Deutsche Bahn plant hingegen stur einen weitgehend ebenerdigen Ausbau, abgesehen von einer kurzen und nur halbtiefen Unterquerung der Bundesstraße B 15. Die Bahn ignoriert dabei, dass die Stadt auf dem südlich der Bahngleise gelegenen Gebiet der stillgelegten Dachziegelfabrik Meindl einen neuen Stadtteil entwickeln möchte. Mit einer Tieferlegung der Gleise wäre die Anbindung des neuen Quartiers städtebaulich wesentlich besser zu schaffen. Doch Städtebau, Verkehrsbeziehungen und Funktionalität spielen für die Bahnplaner eine untergeordnete Rolle. Kosten sind der entscheidende Parameter.

Insofern durften die Dorfener hoffnungsvoll in die Zukunft blicken, als ihnen Verkehrsplaner Vieregg versicherte, dass seine Tieferlegungsvariante gar nicht teurer sei als die Pläne der Bahn. Beim Treffen am 1. September im Bundesverkehrsministerium in Berlin sagte zwar Klaus-Peter Zellmer, der Gesamtprojektleiter des Bahnausbaus, das Ganze sei "mindestens 30 Millionen Euro teurer als unsere Planung". Doch das Ministerium verordnete eine Überprüfung, in der beide Seite klären sollte, welche Kostenberechnung nun stimme. Vieregg und Zellmer sind jedoch auf keinen gemeinsamen Nenner gekommen. Jeder besteht weiter auf seiner Rechnung: Vieregg sagt, seine Lösung koste etwa 65 Millionen Euro, die Bahn sagt, sie koste etwa 113 Millionen.

Bürgermeister Grundner hat sich daraufhin von Vieregg abgewandt. Vergangene Woche lud er die Sprecher aller Stadtratsfraktionen ein, um sie von seiner Position zu überzeugen und die Vieregg-Variante aufzugeben. Zu dem Treffen mit den Fraktionssprechern hatte er auch Zellmer eingeladen, der seine Sicht der Dinge darlegte. Grundners Kalkül ist, dass die Stadt durch einen Verzicht wenigstens ein bisschen profitiere, weil die Bahn dann zu Zugeständnissen bereit wäre. Das erinnert an seine Haltung zum Autobahnbau. Er hielt eine konfrontative Position gegen die A 94 für schädlich und vertrat die Ansicht, mit einem Konsenskurs wäre man besser gefahren.

Beim Treffen mit den Fraktionssprechern wurde jedoch klar, dass die Stadtratsmehrheit die Vieregg-Lösung keineswegs aufgeben will. Grundner zog daraufhin zurück. Nun soll der Stadtrat am Mittwochabend beschließen, eben doch Viereggs Kostenrechnung erneut nach Berlin zu schicken. Das können auch diejenigen mittragen, die die Dorfener Vorzugsvariante für sich schon aufgegeben haben: Dann werde eben das Verkehrsministerium allen anderen Dorfenern erklären, dass ihre Wunschlösung gestorben sei. Irgendwelche Ideen, wie man die Kostendifferenz durch Einsparungen verringern oder Mehrkosten finanzieren könnte, oder was man sonst noch tun könnte, scheint es nicht einmal ansatzweise zu geben.

© SZ vom 10.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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