1250 Jahre Dorfen:Vom Wirtschaftshof zum herzoglichen Markt

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1250 Jahre Dorfen: Eine alte Ansicht von Dorfen, die in der Marktkirche St. Veit auf einem Deckengemälde zu sehen ist.

Eine alte Ansicht von Dorfen, die in der Marktkirche St. Veit auf einem Deckengemälde zu sehen ist.

(Foto: Renate Schmidt)

Die Historikerin Irmtraut Heitmeier beleuchtet in einem Festvortrag die Geschichte Dorfens vom Früh- bis zum Spätmittelalter. Der ursprüngliche Ort vor der Gründung der Stadt befand sich "ganz sicher" in Oberdorfen.

Von Thomas Daller, Dorfen

Dorfen feiert in diesem Jahr die erste urkundliche Erwähnung vor 1250 Jahren und schmückt sich dabei mit Oberdorfener Federn. Dort befand sich der erste Siedlungsschwerpunkt, der in einer Urkunde vom 28. August 773 erwähnt wurde. Die herzogliche Gründung des späteren Marktes Dorfen erfolgte erst in der Zeitspanne zwischen 1229 und 1237. Irmtraut Heitmeier, Lehrbeauftragte am Institut für Bayerische Geschichte der Ludwigs-Maximilian-Universität München hat sich mit der Geschichte Dorfens vom frühmittelalterlichen Dorf zum herzoglichen Markt auseinandergesetzt und im Pfarrheim Dorfen einen Festvortrag darüber gehalten. Das Interesse der Dorfener Bürger übertraf alle Erwartungen. Sie strömten in Scharen in den Pfarrsaal. Und sie wurden nicht enttäuscht: Heitmeier nahm sie mit auf einen spannenden, lehrreichen und interessanten Ausflug in die Dorfener Geschichte.

Die Namen der Flüsse Isen und Isar leiten sich vom keltischen Isana ab

Dorfen ist älter als 1250 Jahre. In der ersten urkundlichen Erwähnung übergibt ein Graman zusammen mit seinen Bruder Pabo seinen Anteil am Besitz in "loco dorfin" an die Kirche in Freising. In dem Besitz enthalten sind Gebäude, Höfe, Unfreie, Handwerker, Wiesen, Wälder, Mühlen und Wasserläufe. Also einen grundherrschaftlichen Besitz in größerem Umfang, der dort bereits Bestand hat. Doch wie weit geht die Besiedlung tatsächlich zurück? Die Kelten haben Spuren hinterlassen, im Isengau wurde eine keltische Goldmünze gefunden, ein "Regenbogenschüsselchen", wegen seiner Form so genannt. Auch der Name des Flusses Isen geht, wie die Isar, auf die keltische Bezeichnung Isana zurück, das heißt: die rasch Fließende. Ziegel und Tonscherben der Römer fand man auf dem Hochplateau des Höning, die 1992 bei Ausgrabungen entdeckt wurden. Zudem entdeckte man Anfang des 20. Jahrhunderts bei Arbeiten neben der Marktkirche Reihengräber mit Waffen und Schmuck, die aber nicht weiter beachtet wurden. Angeblich, so erzählt man sich in Dorfen, wurde schnell wieder zugeschüttet, damit Archäologen die Bauarbeiten nicht verzögern könnten.

1250 Jahre Dorfen: Irmtraut Heitmeier ist Lehrbeauftragte am Institut für Bayerische Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Irmtraut Heitmeier ist Lehrbeauftragte am Institut für Bayerische Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München.

(Foto: Thomas Daller)

Hinzu kommt, dass man die Dorfener Frühgeschichte lange unterschätzte. Die alte Lehrmeinung lautete, dass sich die frühe Besiedlung der Region am Moosrand und im Semptgebiet abgespielt habe. Denn dort liegen noch heute die Orte mit dem Suffix "-ing" wie Erding, Finsing oder Pliening, die von ihrer Benennung her als älter galten. Der Archäologie ist es zu verdanken, dass mit dieser Mär der Wortgeschichte aufgeräumt wurde. "Seit frühester Zeit gab es unterschiedliche Namen für Siedlungen unterschiedlichen Typs und ihrer Funktionen", sagte Heitmeier.

"Sie sollten aufpassen, wenn in Oberdorfen gebaut wird."

Orte mit dem Namen Dorfen gibt es mehrere in Bayern, beispielsweise bei Altenmarkt, bei Schäftlarn oder bei Aßling im Landkreis Ebersberg. Der heutige Begriff eines Dorfes in Form einer ländlichen Gruppensiedlung habe mit der damaligen Bedeutung nichts zu tun, erläuterte Heitmeier. Vielmehr habe es sich um einen "zentralen Wirtschaftshof" gehandelt, um einen Verwaltungsort in einem größeren wirtschaftlichen Verband mit viel Land und eigenem Gesinde. Ein öffentlicher Ort, ein "locus publicus". Die Brüder Graman und Pabo übergaben in der Urkunde auch ihre Villa, einen Hofverband, von dem sich der Fachbegriff "Villikation" ableitet. Großhöfe wurden dabei in Komplexe aufgeteilt, um die Bewirtschaftung zu intensivieren. "Im Frühmittelalter gab es bereits eine Raumplanung, die diesen Namen verdiente", sagte Heitmeier. "Und mit diesen Siedlungsräumen waren auch öffentliche Aufgaben verbunden, wie beispielsweise einen Gerichtstag abzuhalten." So wurden mehrfach im 9. Jahrhundert Urkunden in Dorfen aufgestellt.

Das ursprüngliche Dorfen befand sich in Oberdorfen, davon geht die ältere Literatur einheitlich aus. Heitmeier ist sich da ebenfalls "ganz sicher", auch aufgrund der typischen Lage. "Sie sollten echt aufpassen, wenn in Oberdorfen gebaut wird", riet sie. Die Keimzelle vermutet sie auf der Anhöhe, auf der heute die Georgskirche steht. Von dort aus kann man weite Teile des Isentals überblicken.

Die Gründung des Marktes Dorfen wird von Historikern in einem bestimmten Kontext betrachtet: Die bayerischen Herzöge hatten auf den Romzügen der deutschen Kaiser die italienischen Städte, vor allem die Städte des oberitalienisch-lombardischen Landesteils kennengelernt und ihre Bedeutung als Wirtschaftsfaktor und als strategische Position erkannt; wirtschaftlich autarke Gemeinwesen, deren Bürger nur dem Landesherrn untertan waren und seine Macht schützen konnten. Die Idee erschien so einleuchtend, dass in den Jahren von der Mitte des 12. Jahrhunderts an ein wahres Gründungsfieber ausbrach. Die altbayerischen Städte und Märkte entstanden innerhalb eines guten Jahrhunderts.

Zwischen 1229 und 1273 muss der Markt gegründet worden sein

Herzog Ludwig der Kelheimer (1208-1231) oder sein Nachfolger, Herzog Otto II. der Erlauchte (1231-1253) muss zwischen 1229 und 1273 den Markt, der sich den Namen Dorfen zulegte, gegründet haben. "Damit trug man den neuen wirtschaftlichen und politischen Anforderungen dieser Epoche Rechnung und legte zugleich die Grundlage für die weitere Entwicklung in der Neuzeit", erklärte die Wissenschaftlerin.

Nach dem Vortrag meldete sich noch Altbürgermeister Josef Sterr zu Wort: Er erinnerte daran, dass Oberdorfen bis zur Gemeindegebietsreform 1972 zur damals noch eigenständigen Gemeinde Zeilhofen gehört hat und erst danach zu Dorfen kam. Ohne diese Eingemeindung Oberdorfens und Zeilhofens könnte Dorfen heuer nicht ihr 1250-jähriges Bestehen feiern.

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