Süddeutsche Zeitung

Dorfen:Freiwillige soziale Einrichtung

Zum großen Teil wird das Dorfener Zentrum für Integration zwar durch Zuweisungen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziert. Spenden bleiben jedoch notwendig, um das Angebot, das über die offiziellen Deutschkurse hinausgeht, aufrecht zu erhalten

Von Florian Tempel, Dorfen

Integrations- und Deutschkurse, Kinderbetreuung während des Unterrichts, Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe für Schüler - das Angebot des Dorfener Zentrums für Integration und Familie (DZIF) ist seit vielen Jahren breit gefächert. "Und es ist nicht immer einfach, das alles abzudecken", sagt Barbara Siebert vom Vorstand des als Verein organisierten Zentrums. Siebert meint das sowohl personell wie finanziell. Nach wie vor funktioniert das DZIF nur, weil vor allem Frauen ehrenamtlich fürs Zentrum arbeiten.

Zum großen Teil wird das DZIF zwar durch Zuweisungen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) finanziert. Spenden sind und bleiben jedoch notwendig, um das Angebot, das über die offiziellen Deutschkurse hinausgeht, aufrecht zu erhalten. Ohne Zuwendungen wie die der Dorfener Immobilienunternehmer Karin Wilhelm-Scharl und Georg Scharl ginge es nicht. Mit insgesamt 6000 Euro unterstützen sie in diesem Jahr das Zentrum im Allgemeinen und im Speziellen - mit etwas mehr als der Hälfte des Geldes wird ein freiwilliges soziales Jahr am DZIF möglich gemacht.

Die 19-jährige Andrea Föstl ist nicht die erste, die beim DZIF ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) macht. Vor ihr hat Shinta Walker zwölf Monate lang am Dorfener Zentrum Erfahrungen in einer sozialen Einrichtung gesammelt. Der Aufgabenbereich ist abwechslungsreich. Es beginnt mit der Mithilfe bei der umfangreichen Organisations- und Verwaltungsarbeit. Die Büroarbeit ist aber ein Teilbereich der Arbeit. Die FSJ-Mitarbeiterin macht auch bei der Kinderbetreuung mit, wenn Mütter tagsüber an einem Deutschkurs teilnehmen. Oder sie ist direkt in Kursen dabei und hilft Teilnehmern mit individueller Unterstützung im Unterricht. Auch die Nachhilfe für Schüler gehört zum Aufgabenbereich der FSJ-Mitarbeiterin. Das Ganze ist ein Vollzeitjob, der zwar nur mit einem Taschengeld entlohnt wird. Doch die Erfahrungen sind für die spätere Berufsorientierung viel wert - und ein freiwilliges soziales Jahr macht sich ganz generell gut im persönlichen Lebenslauf.

Dass eine Kleinstadt wie Dorfen eine Einrichtung wie das DZIF hat, ist nach wie vor außergewöhnlich. Doch die Internationalität der Kursteilnehmer ist Beweis dafür, wie sehr die Migration auch in einem vermeintlich ländlich geprägten Bereich Normalität ist. Barbara Siebert hat zuletzt zwei auffällige Trends wahrgenommen. Die Kursteilnehmer des DZIF "kommen mittlerweile aus aller Welt". Und damit meint sie nicht so sehr Flüchtlinge. Für Asylbewerber, die noch keine Anerkennung haben, gibt es aktuell keine Sprachkurse mehr, weil die öffentliche Finanzierung ausgelaufen ist. Der letzte Kurs für Flüchtlinge, der im ersten Halbjahr stattfand, musste vollständig aus Spenden finanziert werden. Ob man als anerkannter Flüchtling, mit einem Arbeitsvisum oder im Familiennachzug nach Bayern gekommener Ausländer eine Verpflichtung oder eine Berechtigung für einen offiziellen Integrationskurs hat, ist eine komplizierte bürokratische Materie. Insbesondere bei Flüchtlingen ändern sich immer wieder die Regelungen. Es gebe aber auch nicht wenige Menschen, erklärt Siebert, die die Deutschkurse am DZIF vollständig selbst bezahlen, so wie zuletzt Teilnehmer aus Südamerika, Neuseeland, China oder von den Philippinen.

Doch auch aus nahen europäischen Ländern kommen weiterhin viele Menschen, die am DZIF Deutsch lernen oder ihre Grundkenntnisse verbessern wollen. Der Zuzug aus der EU ist nach wie vor stark, sagt Siebert, besonders aus Kroatien seien zuletzt relativ viele Handwerker und andere Fachkräfte gekommen. Da die Kursteilnehmer tagsüber in der Arbeit sind, "tendiert die Nachfrage immer mehr zu Abendkursen. Am DZIF, das 2008 aus dem Verein "Frauen für Frauen" hervorgegangen ist, gibt es seit 13 Jahren Integrations- und Deutschkurse. Die Finanzierung war nie einfach und die Existenz des Zentrums schon mehrmals gefährdet. Routinierter ist die Arbeit geworden, aber nicht einfacher, sagt Barbara Siebert, "wir können uns in keiner Weise zurücklehnen".

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Quelle:
SZ vom 19.11.2019
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