Fahrradklima:Leserbrief

Von Verkehrswende ist wenig zu spüren

Zu den Berichten "Die Räder setzen sich in Bewegung" in der Süddeutschen Zeitung vom 28. April und "Eltern fordern sicherere Schulwege" vom 26. April:

Erding darf sich seit Anfang letzten Jahres laut AGFK "fahrradfreundlich" nennen. Aber die realen Bedingungen für Radfahrende im Stadtgebiet haben sich nach dem letzten Fahrradklimatest kaum verbessert. Das ist eine ADFC-Umfrage, die seit Jahren deutschlandweit durchgeführt wird. Die Ergebnisse für Erding sind seit 10 Jahren quasi stabil mäßig schlecht. Die Gesamtnote verharrt hier bei 3,8 für die Stadtgröße 20 000 bis 50 000 Einwohner. Trotz Radverkehrskonzept und Zertifizierung zur fahrradfreundlichen Kommune. Leider stechen nur wenige Gemeinden/Städte in Deutschland mit spürbaren Verbesserungen für den Radverkehr in letzter Zeit hervor. Besonders auf dem Land stagniert die Entwicklung. Hier ändert sich am Fahrradklima kaum etwas. Zwar gibt es punktuelle Verbesserungen, doch von einer Verkehrswende ist im ländlichen Raum nicht viel zu spüren. Sichere und durchgängige Radverkehrsnetze sind die Grundlage, um das Radfahren Menschen jeden Alters unabhängig von ihren Fähigkeiten und Erfahrungen zu ermöglichen. Fahrradfreundlich wird eine Kommune nicht, wenn es irgendwo auf Papier oder im Internet steht, sondern wenn es lückenlos real im Straßenraum erlebbar wird.

An der nicht repräsentativen Umfrage kann sich jeder beteiligen, richtet sich jedoch speziell an die Radfahrenden. Die meisten Teilnehmenden sind viel mit dem Fahrrad unterwegs. Mehr als 90 Prozent verfügen ganz oder teilweise über ein Auto, kennen ihre Orte also aus beiden Perspektiven. Der ADFC-Fahrradklimatest erreicht bei weitem nicht nur Mitglieder des Fahrradclubs, im Gegenteil: 84 Prozent der Teilnehmenden sind keine ADFC-Mitglieder. Der Anteil der reinen Freizeitradler:innen ist im Vergleich zum letzten Mal zurückgegangen, 62 Prozent der Teilnehmenden nutzen das Rad auch im Alltag. Durch die stetig steigende Zahl der Teilnehmenden verbessert sich auch die Datenverfügbarkeit.

Eltern fordern nicht nur in Dorfen (wie in der SZ am 26.4.2023 berichtet) sicherere Schulwege für ihre Kinder. Auch der ADFC will, dass sich Kinder sicher und selbstständig mit dem Fahrrad im Straßenverkehr bewegen können - zur Schule, zu Freund*innen, zum Spielplatz oder zum Sportverein. In der angestrebten Novelle des Straßenverkehrsrechts soll nicht mehr das Auto, sondern der Schutz der schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen, nämlich Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt gestellt werden.

Kinder- und fahrradfreundliche Maßnahmen dürfen nicht nur an Gefahrenstellen umgesetzt werden, sondern müssen flächendeckend und lückenlos sein, zum Beispiel durch geschützte oder baulich getrennte Radwege an Hauptverkehrs- und Landstraßen, Fahrradstraßen und Fahrradzonen, Straßen ohne Durchgangsverkehr in Wohngebieten, geschützte Kreuzungen und innerorts Tempo 30. Im Artikel vom 28.4. wurde ganz richtig erwähnt, dass noch viel umzusetzen ist.

Eine effektive Radverkehrsförderung ist kein Selbstzweck für "Autohasser", sondern bewährt sich als lebenswerte Umgebung für alle Menschen und für den Klimaschutz. Wichtigster Schlüssel zum Erfolg ist der politische Wille, den Radverkehr schnell und effizient auszubauen.

Vilmar Eggerstorfer, Erding

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