Süddeutsche Zeitung

Dorfen:Asylhelfer fordern mehr Sozialarbeiter

Bei einer Pressekonferenz in Dorfen ziehen die Helferkreise für Flüchtlinge eine eher düstere Bilanz. Die Ausgrenzung nehme zu. Eine Ausbildung zu beginnen sei für Geduldete schwerer geworden. Es brauche unabhängige Berater

Von Florian Tempel, Dorfen

Die Helferkreise für Flüchtlinge, die sich vor einigen Jahren allerorten gebildet hatten, schrumpfen personell immer stärker zusammen. Das wurde bei einem Pressegespräch in den Räumen des Vereins Flüchtlingshilfe Dorfen deutlich, zu dem ehrenamtlich Asylhelfer aus dem ganzen Landkreis gekommen waren. Die Zahl der Menschen in den Asylunterkünften steigt allerdings wieder an und die Probleme werden nicht geringer.

Die Situation vieler Frauen und Männer, die neu im Landkreis gekommen sind, sei nicht nur durch traumatisierende, langjährige und zermürbende Fluchterfahrung geprägt, sondern auch durch die häufig sehr große Perspektivlosigkeit. Dabei sei "zweitrangig, ob Integration erwünscht ist oder nicht", sagte der Dorfener Franz Leutner, "die Leute sind da und viele von ihnen werden bleiben." Es sei politisch und gesellschaftlich unverantwortlich, dass sich der Staat weiterhin so wenig um Flüchtlinge und ihre Lebenssituation kümmere. Insbesondere sei es "eine Katastrophe, unter welchen Bedingungen viele Kinder aufwachsen müssen".

Die Hauptforderung der Asylhelfer ist deshalb, dass im Landkreis wesentlich mehr Sozialarbeiter für die soziale und rechtliche Beratung und Unterstützung von Geflüchteten tätig werden. Die Stellen sollten unbedingt bei den Wohlfahrtsverbänden geschaffen und vom Staat finanziell gefördert werden, sagte Maria Feckl aus Forstern. Der in Bayern ziemlich einzigartige Erdinger Weg, die Asylsozialarbeit im Landratsamt leisten zu wollen, habe sich nicht bewährt. Es brauche von Behörden unabhängige Sozialarbeiter, die gezielt für die Arbeit mit Flüchtlingen geschult seien.

Eine zweite wichtige Forderung der Helfer ist, dass die Behörden mit einem gezielt positiven Ansatz den Geflüchteten beratend aufzeigen sollten, welche Möglichkeiten sie in ihren individuellen Situationen haben, am Leben in Deutschland teilzunehmen. Die Behörden sollte ihren Ermessensspielraum zugunsten der Geflüchteten nutzen, sagte Maria Brand, Menschenrechtsaktivistin bei Amnesty International und profilierte Asylberaterin. Sie erinnerte an die Zeit Mitte der 1990er Jahre, als Flüchtlinge relativ problemlos arbeiten durften, auch wenn sie keine dauerhafte Bleibeperspektive hatten. Die Menschen, die Deutschland wieder verlassen mussten, hätten das mehr oder weniger klaglos akzeptiert, weil die Jahre bis zur Rückreise in ihr Herkunftsland für sie eben doch keine vergeudete Zeit war.

Nach einer Gesetzesänderung können zwar Menschen, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, seit wenigen Monaten viel leichter eine Arbeitserlaubnis erhalten oder eine Ausbildung beginnen. Gleichzeitig ist beides für sogenannte Geduldete schwerer geworden. Brand und Leutner sagte, dass die Behörden den in vielen Fällen vorhandenen Ermessensspielraum zugunsten der Geduldeten nutzen sollten. "Selbst wenn sie wieder nach Hause gehen müssen, wäre es doch ein Gewinn für sie, wenn sie hier lernen und arbeiten könnten", sagte Gunter Rudolf aus Wartenberg. Der Wartenberger Günther Wiesler zog ein bitteres Resümee. Integrative Maßnahmen seien seiner Erfahrung nach offenbar gar nicht mehr gewünscht, die Ausgrenzung von Geflüchteten nehme zu. Monika Schwarzenböck aus Sankt Wolfgang appellierte daran, jenseits stets auch den Einzelnen zu sehen: "Es sind ja doch auch Menschen, die ein Recht haben, ein Leben zu leben und nicht ein Leben zu verwarten."

Manche Helferkreise haben sich bereits aufgelöst, so dass nur noch einzelne Aktive weitermachen. "Ich weiß nicht, ob man eine Person als Kreis bezeichnen kann", sagte etwa Heidemarie Eibl aus Buch, die sich in ihrer Gemeinde so gut wie alleine um etwa ein Dutzend Flüchtlinge kümmert. Auch Margit Meier steht mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit in der Unterkunft in Eittingermoos ziemlich allein da. Peter Conradi aus Isen berichtete, dass von einst mehr als 40 Mitstreitern in seinem örtlichen Helferkreis weniger als zehn noch aktiv seien. Positiv in Isen sei auch, dass die Gemeinde den kleinen Kreis einen Raum nutzen lasse.

Die Flüchtlingshilfe Dorfen funktioniere, so Leutner, noch relativ gut. Der Verein hat eine eigenes, von der Stadt unentgeltlich zur Verfügung gestelltes großes Büro und zwei Freiwilligendienstleistende. In Dorfen wie auch anderswo seien abgelegene Unterkünfte, die den Menschen das Leben zusätzlich erschwerten, ein anhaltend großes Problem.

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Quelle:
SZ vom 14.02.2020
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