DKMS an der Berufsschule:"Jeder von euch kann Leben retten"

Erdinger Berufsschüler spenden rund 2 500 Euro an die Deutsche Knochenmarkspenderdatei. Nach einem Vortrag über Blutkrebs und die Stammzellenspende lassen sich einige Schüler gleich registrieren

Von Veronika Wulf, Erding

Ein anerkennendes Raunen geht durch die Aula, als Oliver Wohl, Lehrer an der Staatlichen Berufsschule Erding, den symbolischen Scheck umdreht: 2 135 Euro. So viel haben Schüler bei verschiedenen Weihnachtsaktionen für die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) gesammelt. Eine Klasse verkaufte beispielsweise Lebkuchen und gebastelte Sterne, eine andere versteigerte Wichtelgeschenke. Am Mittwochmorgen haben sich 150 Schüler aus den zehnten, elften und zwölften Klassen in der Aula versammelt, um bei der Übergabe der Spende an Vanessa Kruse von der DKMS dabei zu sein.

DKMS an der Berufsschule: Stäbchen in den Mund und Formular ausfüllen - mehr mussten die Schüler nicht tun, um potenzieller Knochenmarkspender zu werden.

Stäbchen in den Mund und Formular ausfüllen - mehr mussten die Schüler nicht tun, um potenzieller Knochenmarkspender zu werden.

(Foto: Renate Schmidt)

Kruse bedankt sich bei den Schülern, das Geld werde für die Typisierung neuer Knochenmarkspender verwendet. Auch die Anwesenden möchte sie für die Datei gewinnen. "Jeder von euch ist in der Lage, Leben zu retten", sagt sie. "Das Mittel dazu ist in euren Knochen und in eurem Blut: Stammzellen." Der Blutkrebs habe gegenüber anderen Krebsarten einen "winzigen Vorteil": Man könne ihn besiegen. Wenn man an Blutkrebs erkrankt, produziert der Körper übermäßig viele mutierte weiße Blutkörperchen, die sich in ihm ausbreiten. Ohne Behandlung verläuft die Krankheit meist tödlich. Bei den meisten Patienten reicht laut Kruse eine Chemotherapie. Bei anderen kommt der Krebs zurück. Diese Patienten kann eine Stammzellspende retten, allerdings brauchen sie dazu ihren "genetischen Zwilling". Ein Drittel der Patienten findet ihn in der Familie, alle anderen suchen einen Fremdspender. Ihnen will die DKMS helfen. Sechs Millionen typisierte Spender hat sie deutschlandweit in ihrer Kartei, weltweit sind es sogar 28 Millionen. Klingt nach genug, doch jeder siebte Patient finde keinen Spender, weil manchmal nur die Stammzellen von einem Menschen aus mehreren Millionen zu ihm passten. "Deshalb brauchen wir jeden Einzelnen", sagt Kruse.

DKMS an der Berufsschule: Lehrer Oliver Wohl (1. v. r.) und stellvertretender Schulleiter Anton Bichlmeier (4. v. l.) übergeben die Spende an Vanessa Kruse (3. v. l.).

Lehrer Oliver Wohl (1. v. r.) und stellvertretender Schulleiter Anton Bichlmeier (4. v. l.) übergeben die Spende an Vanessa Kruse (3. v. l.).

(Foto: Renate Schmidt)

Kirsten Schwalke war so ein passender Spender. Ihr genetischer Zwilling ist eine 39-jährige Krebskranke aus der Slowakei. Schwalke erzählt den Schülern von ihrer Stammzellenentnahme: Nachdem sie sich fünf Tage lang spritzen musste, damit sie mehr rote Blutkörperchen bekommt, entnahm ein Arzt ihrem rechten Arm Blut, aus dem die Stammzellen herausgefischt wurden, bevor es über den linken Arm in den Körper zurückgeführt wurde. "Das dauerte vier bis fünf Stunden, aber ich konnte dabei Filme schauen und essen", sagt die 32-Jährige, die in Markt Schwaben lebt. Vor der Spende war sie bereits seit elf Jahren in der Datei. Als sie erzählt, warum sie sich registrieren lassen hat, kommen plötzlich Tränen in ihre Augen. "Meine Schulfreundin ist mit zehn Jahren an Blutkrebs gestorben", sagt sie mit brüchiger Stimme. Zwei Jahre nach der Entnahme könnte sie Kontakt mit ihrer genetischen Zwillingsschwester aufnehmen, schreiben darf sie ihr schon jetzt. Hat sie aber noch nicht. "Das war mir bisher zu emotional."

DKMS an der Berufsschule: Melisa Efe gibt bei der Registrierung eine Speichelprobe ab.

Melisa Efe gibt bei der Registrierung eine Speichelprobe ab.

(Foto: Renate Schmidt)

Kruse von der DKMS sagt, es komme häufig vor, dass sich Spender und Patient miteinander verbunden fühlten, "ja, irgendwie verwandt." Nicole Blaschke, 17, aus einer der elften Klassen, hat sie mit ihrem Vortrag überzeugt. "Sonst kann man nie so einfach Menschen helfen", sagt sie und lässt sich im Anschluss registrieren. Fast zwei Dutzend Schüler sind in das Klassenzimmer im ersten Stock gekommen, wo Formulare, Wattestäbchen und Kuverts auf den Tischen bereit liegen. Auch Melisa Efe, 18, angehende Friseurin aus der 12a steckt das Wattestäbchen in den Mund und füllt das Formular aus. Die Tochter einer Bekannten sei im Alter von zwei Jahren an Blutkrebs erkrankt. "Sie hatte so eine harte Zeit", sagt Efe. "Deshalb will ich helfen."

In die Datei aufnehmen lassen kann sich jeder zwischen 17 und 55 Jahren, der mehr als 50 Kilogramm wiegt und dessen Body-Mass-Index unter 40 liegt, was schon stark übergewichtig ist. Außerdem dürfen keine schweren Krankheiten in der Familie vorliegen, bestimmte Medikamente dürfen nicht eingenommen werden und schwangere Frauen sind ebenso ausgeschlossen. Sollte die DKMS jemanden aus der Datei als Spender auswählen - was bei den Meisten nicht vorkommt - dann entnimmt ein Arzt nach einer Voruntersuchung die Stammzellen. Der Spender kann wählen zwischen der sogenannten peripheren Entnahme, wie sie bei Schwalke vorgenommen wurde, und einer Operation unter Vollnarkose, bei der die Zellen direkt dem Knochenmark aus dem Beckenbereich entnommen werden. Die erste Methode wird ambulant durchgeführt, bei der zweiten sollte man sich eine Woche krank schreiben lassen. 80 Prozent der Spender wählen wie Schwalke die erste Variante. Wenn der Krebspatient jedoch ein Kleinkind oder Baby ist, müssen die Stammzellen direkt dem Knochenmark kommen.

Jede Registrierung kostet die DKMS nach eigenen Angaben 40 Euro. Die Organisation finanziert sich rein über Spenden. "Deshalb freuen wir uns sehr über die Spende der Schüler," sagt Kruse. Sie hielt ihren Vortrag am Mittwoch und Donnerstag je dreimal in der Berufsschule vor verschiedenen Gruppen, die alle freiwillig kamen. Dabei kamen noch mal 367 Euro Spenden zusammen. Außerdem haben sich 234 Schüler direkt registrieren lassen. "Das freut uns sehr", sagt Kruse, die nicht so viel erwartet hatte. Denn in den Schulen gehe es vor allem darum, zu informieren.

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