Süddeutsche Zeitung

Dienstfahrräder:Sparsam und gesund

In vielen Rathäusern setzt sich der Trend zum Dienstrad durch

Von Iris Hilberth, Hachinger Tal

Zu den berühmtesten Dienstfahrrädern zählt wohl das von Wachtmeister Dimpfelmoser. Gestohlen vom dreisten Räuber Hotzenplotz, der nebst entführter Großmutter auf dem Gepäckträger durch das Städtchen radelt. Oder das Rad von "Tatort"-Kommissar Thiel in Münster. Legendär. Zu einem ähnlichen Bekanntheitsgrad hatte es vor einiger Zeit das Dienstrad Marke "Herkules City Light" des Bürgermeisters von Taufkirchen gebracht. Das mit sieben Jahren in den Speichen schon durchaus betagte Vehikel für Rathausbedienstete ohne Elektromotor war vor gut einem Jahr wochenlanges Streitobjekt zwischen dem alten und dem neuen Bürgermeister.

Ullrich Sander (CSU), der Neue, hatte knapp zwölf Monate nach seinem Amtsantritt festgestellt: Das fehlt doch das Dienstfahrrad! Nicht etwa, dass er mit dem alten Herkules, noch dazu ein Damenrad, seine Runden durch die Gemeinde drehen wollte. Schließlich sitzt er lieber auf seinem eigenen Fahrrad - und hatte sich erst einen schicken Dienstwagen bestellt. Aber Ordnung musste nun mal sein; und so flatterte dem alten Rathauschef Jörg Pötke die Aufforderung ins Haus, das Rad nebst Zubehör in Zimmer 04 des Rathauses abzugeben. Der dachte aber gar nicht daran. Und so schaukelte sich die Dienstfahrradaffäre zu Taufkirchen hoch: Von einer Schenkung war kurzfristig die Rede, dann wieder von Begünstigung und schließlich gar von Einstellkosten in der Privat-Garage des Ex. Genervt ließ Sander das Rad "anforderungs- und fristgerecht" abholen und stellte es in den Keller des Rathauses.

Was dann mit Herkules geschah, ist bislang unaufgeklärt. Jedenfalls ist es weg, das einstige Dienstfahrrad des Jörg Pötke, soviel sagt die Rathausmitarbeiterin, die kurz vor Ostern mal nachgeschaute. Dienstfahrräder sind seither in Taufkirchen nicht mehr angeschafft worden - ganz gegen den Trend in den anderen Gemeinden.

So schicken sich die Nachbarn aus Oberhaching derzeit an, ihre Fahrradfreundlichkeit zertifizieren zu lassen. In den vergangenen Jahren haben sie daher kräftig Anschubhilfe geleistet, um die Bürger in die Sättel zu hieven. Die Rathausmitarbeiter und vor allem der Bürgermeister sollen da mit guten Beispiel vorangehen. Und so sieht man Stefan Schelle (CSU) mit dem vor etwa drei Jahren angeschafften Lastenfahrrad den Kyberg rauf- und runterfahren, den Präsentkorb für den runden Geburtstag eines betagten Bürgers vorne in der offenen Transportkiste, die so groß ist, dass locker zwei Kinder darin Platz hätten. Das auffällige Gefährt, das laut Alexander Maierhöfer, persönlicher Referent des Bürgermeisters und Radlbeauftragter der Gemeinde, zwar gewissen Respekt einflößt und richtig gut fährt, ist nicht das einzige Dienstfahrrad im Oberhachinger Rathaus. Es gibt auch noch ein ganz normales Rad und ein Pedelec ohne Lastenkorb. Besonders Letzteres sei durchaus beliebt bei den Angestellten und habe mittlerweile schon so manchen davon überzeugen können, sein Auto einfach stehen zu lassen. "Das kostet weniger Schweiß, macht dafür aber viel Spaß", hat Alexander Maierhöfer festgestellt.

Ähnlich äußert sich sein Kollege aus Unterhaching. Auch der dortige Rathaussprecher, Simon Hötzl, ist begeistert von den inzwischen angeschafften drei Pedelecs, die neben den beiden herkömmlichen Fahrrädern im Untergeschoss parken und gerne für Dienstfahrten innerhalb der Gemeinde genommen werden. "Da schafft man es auch im Anzug flott mit den Rad zum Termin, ohne dort schweißgebadet anzukommen", sagt Hötzl. Wobei anders als im hügeligeren Oberhaching die meisten Höhenmeter in Unterhaching schon gleich nach dem Start mit der Tiefgaragenausfahrt warten.

Unterhaching hat bereits eine gewisse Tradition in Sachen Dienstfahrräder. Der ehemalige Bürgermeister Erwin Knapek (SPD) ist bekanntlich ein begeisterter Radfahrer, verzichtete einst ganz auf einen Dienstwagen und orderte stattdessen ein stabiles Dienstfahrrad, mit dem er sogar bis ins Landratsamt oder zum Regionalen Planungsverband in München radelte - damals natürlich noch ganz ohne einen zuschaltbaren Elektromotor.

Den hat man auch weiterhin in Haar nicht, dort setzte man lange auf ein Herren- und ein Damenrad. Da nun aber das Modell für die Männer geklaut wurde, ersetzte man es durch zwei weitere Räder ohne Querstange, weil das für Männlein wie Weiblein in Arbeitskluft einfach bequemer erscheint, wie Umweltamtschef Michael von Ferrari bestätigt. Jeder Mitarbeiter hat auf diesen Bike-Pool Zugriff, man sollte nur vorher die geplante Nutzung in einen Kalender eintragen. Als besonders eifrige Radlerin gilt Susanne Hehnen, in der Gemeinde für die Kindergärten zuständig: "Ich genieße es, mit dem Rad zu unseren Einrichtungen zu fahren, auch über die Wiesen zu den Dörfern, die zu Haar gehören." Dass sie selbst treten muss, stört sie nicht - im Gegenteil: "Die größte Hürde ist schließlich die Tiefgaragenausfahrt, sonst ist eh alles flach."

Auch in Pullach müssen die Bediensteten noch mit eigener Muskelkraft zu ihren Terminen strampeln, immerhin elf Räder haben stehen in ihrem Fuhrpark zur Auswahl. Laut Rathaussprecherin Swantje Schütz waren dies alles einst herrenlose Räder, die keiner mehr haben wollte. Der Partnerschaftsverein, der seit zwanzig Jahren solche Fahrräder herrichtet und in die ukrainische Partnerstadt bringt, ist auch für die Fahrtüchtigkeit der Pullacher Diensträder verantwortlich. Allerdings denkt die Abteilung Umwelt bereits über die Anschaffung eines bequemeren Pedelecs nach.

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SZ vom 31.03.2016
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