Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Erding:Freiheitsstrafe für Diebstahlserie

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Da der Angeklagte nicht zur Verhandlung kommt, wird der zuvor erlassene Strafbefehl rechtskräftig. Die Entschuldigung des 32-Jährigen reicht Richter Wassermann nicht aus.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Ein 32-jähriger Mann ist, in Abwesenheit, am Amtsgericht Erding wegen diverser Diebstähle zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden. Der derzeit wieder in Rumänien lebende Angeklagte hatte dem Gericht ein Attest aus dem Juli vergangenen Jahres vorgelegt, laut dem er reise- und verhandlungsunfähig sei. Für Amtsrichter Andreas Wasserman lag das ärztliche Attest zu weit zurück, um auf den derzeitigen Gesundheitszustand des angeblich kranken Angeklagten schließen zu lassen. Das hatte er dem 32-Jährigen auch so mitgeteilt. Dennoch kam er nicht zur Verhandlung in Erding. Er hatte dem Gericht in einem Schreiben erklärt, dass er die Taten zugebe, persönlich erscheinen könne er jedoch nicht.

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Landshut umfasste eine ganze Latte unterschiedlicher Diebstählen, die er zumindest in zwei Fällen zusammen mit anderen Personen begangen haben soll. Dabei hatten es der Angeklagte und seine Mittäter auf die Ladung von Sattelzugmaschinen abgesehen, die in Dorfen nahe der Autobahnauffahrt zur A94 abgestellt waren. Für die Staatsanwaltschaft war der Angeklagten kein Gelegenheitsdieb, sondern offensichtlich ein Profi, weil er "sich durch die wiederholte Begehung von gleichartigen Taten eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einiger Dauer und nicht unerheblichen Umfang" verschaffen wollte. Da die Diebe die Planen der Lastwagenanhänger aufschlitzten, um an ihre Beute zu kommen, kam auch noch Sachbeschädigung dazu.

Die Beute: von Diesel, über Puten-Geschnetzeltes, bin hin zum Wasserkanister und eine Kiste Bier

Die Beute, die in drei bekannten Fällen gemacht wurde, war von sehr unterschiedlicher Natur: im ersten Fall, Mitte Juli 2021, zapften der Angeklagte und seine Kumpanen gegen 1 Uhr nachts rund 400 Liter Diesel aus einem neben einem Baumarkt in Dorfen geparkten Sattelzug aus der Schweiz. Außerdem stahlen sie dem Lastwagenfahrer ein Abschleppseil und ein Fahrrad. Darüber hinaus entwendeten die Diebe aus dem Laderaum Fleischwaren aus Ungarn, drei Kartons Puten-Minifilets und vier Kartons Putenbrust-Geschnetzeltes. Ob sie das alles danach verspeist hatten, war angesichts der Abwesenheit des Angeklagten nicht in Erfahrung zu bringen.

Noch in derselben Nacht schlitzten die Täter eine Plane eines Sattelzugs aus Polen auf, der unweit des ersten geparkt war. Dort war die Beute laut Anklageschrift noch bunter gemischt: 15 goldene Verschlüsse im Wert von etwa 25 Euro, eine Kiste Bier, ein Wasserkanister, sechs Gurte sowie 24 kleine Gasflaschen. Kurz davor hatten die Täter die Plane eines weiteren Sattelzug aufgeschlitzt. Die Beute hier: ein Wasserkanister im Wert von elf Euro. Dem gegenüber steht ein Sachschaden in Höhe von 100 Euro für die zerschnittene Plane. Eigentlich hatten die Diebe auch den Diesel abzapfen wollen, da jedoch zu wenig im Tank war, brachen sie dieses Vorhaben ab.

Der Angeklagte muss den Schaden in Höhe von 1611 Euro begleichen

Auf die Spur des Angeklagten war die Polizei über Teile von am Tatort gefundenen Einweghandschuhen gekommen. Ein DNS-Datenabgleich über Europol zeigte den 32-Jährigen als möglichen Täter auf. Auf die Vernehmung der drei Fahrer der bestohlenen Sattelzüge vor Gericht war verzichtet worden. Die Staatsanwaltschaft sah genügend Beweise, um gegen den 32-Jährigen einen Strafbefehl zu erlassen. Der sah eine Freiheitsstrafe von acht Monaten vor, die aber zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Zudem sollte der Angeklagte den Schaden in Höhe von 1611 Euro wiedergutmachen, beziehungsweise diese Summe von ihm eingezogen werden.

Gegen den Strafbefehl hatte der Angeklagte Einspruch erhoben. In seinem Schreiben hatte der 32-Jährige eingeräumt, dass er die Taten begangen hatte. Und er hatte ein Attest von einer rumänischen neurologischen Klinik vom 27. Juli 2022 beigelegt. In dem stand, wie Amtsrichter Wassermann vorlas, dass der Angeklagte im Frühjahr ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe und unter posttraumatischer Belastungsstörung leide. Die Auswirkungen seien derzeit medikamentös gut im Griff, ein Eingriff nicht notwendig. Im Gegensatz zum Angeklagten sah Richter Wassermann aber keinen aktuellen, konkreten Grund, warum ein mehr als sieben Monate altes Attest heute auch noch gültig sein soll. Als wirksame Entschuldigung hätte der Angeklagte schon ein zeitlich näheres Attest vorlegen müssen. Das habe er ihm auch mitgeteilt. Eine Antwort gab es darauf nicht und der Angeklagte kam auch nicht zu Verfahren. Damit wurde sein Einspruch verworfen. "Wahrscheinlich", sagte Wassermann, "hat er einfach nicht aus Rumänien nach Erding kommen wollen."

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