Süddeutsche Zeitung

Die Stiftung:"Zum Besten der Armen der Distriktsgemeinde"

Alle zehn Jahre wird das Testament von Katharina und Friedrich Fischer verlesen, auf dem Fischers Wohltätigkeits-Stiftung beruht

Antonia Steiger

Sie haben es gut gemeint mit den Erdingern: Katharina und Friedrich Fischer haben Stadt und Landkreis ein Vermögen hinterlassen mit ihrer Fischers Wohltätigkeits-Stiftung und dem Distriktsrat den Auftrag, ein Armenhaus zu bauen, das heutige Fischers Seniorenzentrum. Sie haben es aber auch gut gemeint mit den Abgeordneten des Landkreises und der Stadt Erding, denen sie die Pflicht auferlegten, alle zehn Jahre einer Verlesung ihres Testamentes beizuwohnen, damit das Erbe nicht in Vergessenheit gerate.

Um die Räte für diese Pflichterfüllung zu entschädigen, wird währenddessen gemeinsam gespeist - ein testamentarisch festgelegtes Menü. Am Dienstag war es wieder so weit: Nach einer Andacht in der Kirche St. Johannes trafen sich alle Erdinger Kreisräte und Stadträte im Gasthaus zur Post, dem Stammhaus der früheren Fischers Stiftungsbrauerei, um eine umfangreiche Speisekarte gemeinsam abzuarbeiten.

Wohl dem, der an diesem Tag in lockerer Kleidung erschienen war. Denn die Speisefolge war beachtlich: Nach einer Fleischbrühe mit zwei kleinen und leckeren Leberknödeln wurde ein Gans- und Entenragout mit Hauberling serviert, anschließend gab es gekochtes Rindfleisch mit Wirsinggemüse, dem eine Viertel Ente mit Kartoffelknödel und Salat folgte.

Nicht alle Stadt- und Kreisräte verfügten über das nötige Durchhaltevermögen, um auch noch die Ente mit Vergnügen zu bearbeiten, doch fast alle gaben sich sichtbar Mühe. Kleine Verschnaufpausen gönnte man den fleißigen Essern im Laufe des Nachmittages, während denen sie nur still zuzuhören hatten: Der Vorstandsvorsitzende der Fischers Stiftungs-Verwaltungs GmbH, Landrat Martin Bayerstorfer, hatte die Verlesung des Testamentes zwei kundigen Lesern anvertraut: Carolin Ihlefeldt vom Anne-Frank-Gymnasium und Nico Schüller von der Hauptschule Taufkirchen haben in diesem Jahr die Vorlesewettbewerbe gewonnen und kämpften sich durch den schwierigen Text.

Die traurige Geschichte des Ehepaares Fischer ist den meisten Erdingern bekannt, auch den Erdinger Grundschülern wurde sie in diesem Jahr auf kindgerechte Art und Weise vermittelt: Bei einer Art Schnitzeljagd durch Erding erfuhren sie, wie die Fischers gelebt haben, welche Gasthäuser ihnen gehört hatten und dass ihnen drei Kinder wegstarben, weswegen sie ihr Vermögen in eine Stiftung überführt haben.

Das Testament lässt wenig Spielraum für Interpretationen. Demnach soll das Besitztum "zum Besten der Armen der ganzen Distriktsgemeinde" verwendet werden, ebenso der jährliche Reingewinn aus dem Vermögen. Festgehalten ist des weiteren, dass Wirte "möglichst geschont und nicht durch Ausklagung von ihren Anwesen vertrieben werden" sollten, wenn sie ihre Schulden nicht sofort begleichen können. Auch Fischers Fröhlicher Tag für die Grundschüler geht auf das Testament zurück.

Ebenso wünschten sich die Fischers, dass ihr Besitztum möglichst als Ganzes erhalten bleibe, ohne dass sie Änderungen für ausgeschlossen halten wollten, "welche die uns verhüllte Zukunft notwendig oder doch wünschenswert erscheinen lassen mag". Aber auch wenn etwas verkauft werden muss, soll der gesamte Erlös für Betrieb und Erhalt des Distriktsarmenhauses verwendet werden. In der Tat hat sich einiges auch in den vergangen zehn Jahren verändert, das war den Worten Bayerstorfers zu entnehmen: So sind diverse Grundstücke verkauft und getauscht worden, auch der Bau des Korbinian-Aigner-Gymnasiums ist erst durch ein Tauschgeschäft möglich gemacht worden, sagte Bürgermeister Max Gotz.

Viel hat die Stiftung aber auch in das Seniorenzentrum investiert. Das Haus ist saniert und erweitert worden, und die Stiftung hat das viel beachtete Haus für Betreutes Wohnen für mehr als vier Millionen Euro gebaut. Wohl keine Familie lebe "in so gesegnetem Andenken in Stadt und Landkreis Erding" fort, sagte Bayerstorfer in seiner Ansprache. Er würdigte das Stifter-Ehepaar und sagte, die Stiftung habe stets "auf die Anforderungen der Zeit mit den entsprechenden Konzepten" geantwortet.

Dennoch ist die Stiftung nicht frei von Sorgen und Problemen: Noch immer drücken die Fischers Stiftungs-Verwaltungs GmbH, in die die Mehrzahl der Gaststätten und der Grundbesitz ausgelagert worden sind, der zuletzt veröffentlichten Bilanz zufolge mehr als 16 Millionen Euro Schulden und ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von mehr als sechs Millionen Euro.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1122652
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.07.2011
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.