Die Siebener und ihr Geheimnis:Vermesser mit Schaufeln

Früher schlichteten Feldgeschworene, wenn es Uneinigkeiten über den Verlauf von Grundstücksgrenzen gab. Heute graben sie vor allem Löcher für Grenzsteine, und sind damit wichtige Helfer des Vermessungsamts

Von Zoë Kögler, Dorfen

Ein Ehrenamt auf Lebenszeit, für das ein Eid zu schwören ist - für einige mag das abschreckend klingen, nicht aber für Alfred Dormeier. Anfang August hat Dorfens Bürgermeister Heinz Grundner ihn, Nikolaus Blasi, Johann Ertl und Adam Numberger zum Feldgeschworenen vereidigt. Somit ist es Dormeiers neue Aufgabe, das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung - kurz: das Vermessungsamt - beim Markieren von Grundstücksgrenzen zu unterstützen.

Heutzutage müssten die Feldgeschworenen nur noch die Löcher für die Grenzsteine an den Stellen graben, die ein Mitarbeiter des Vermessungsamtes angibt, sagt Dormeier, 66. Das sei schon schweißtreibend. Denn die Steine müssen laut Gesetz zwischen 50 und 70 Zentimeter lang und 12 mal 12 Zentimeter im Querschnitt sein. Entsprechend groß müssen auch die zu grabenden Löcher ausfallen. Eine weitere Aufgabe der Feldgeschworenen ist es, die alten Grenzsteine auszugraben und zu kontrollieren, ob sie beschädigt oder überhaupt noch da sind. Beim Probearbeiten, erzählt Dormeier, sei einer der Steine beispielsweise einbetoniert gewesen.

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Alfred Dormeier ist 66 Jahre alt und seit Anfang August 2017 Feldgeschworener in Dorfen. Er ist früh pensioniert worden und engagiert sich seitdem in verschiedenen Ehrenämtern.

(Foto: Renate Schmidt)

Mittlerweile kennt er die Aufgaben der Feldgeschworenen, heute wie damals. Früher hatten die meisten Gemeinden sieben Feldgeschworene, heute sind es in der Regel zwischen vier und sieben. Daher kommt auch der zweite Name der Feldgeschworenen, die Sieben. Diese hätten früher auch als Streitschlichter fungiert, als Grenzverläufe noch nicht per GPS-Daten beim Vermessungsamt markiert wurden, erzählt Dormeier. Gab es Uneinigkeiten über den exakten Verlauf der Grenze zwischen zwei Grundstücken, dann wandte man sich an einen der Feldgeschworenen. Diese gruben dann nach den Grenzsteinen. Hatte jemand die Markierung versetzt, so erkannten es die Feldgeschworenen sofort - dank des Siebenergeheimnisses.

Das Siebenergeheimnis ist eine geheime Anordnung von beispielsweise Ton, Glas, Porzellan oder Metall um den Grenzstein herum. Wie genau die Anordnung auszusehen hat, das wissen nur die Feldgeschworenen. Denn bei der Vereidigung zum Feldgeschworenen verpflichten sie sich nicht nur dazu, unparteiisch zu sein, sondern auch, das Siebenergeheimnis zu bewahren. Erkannten sie bei Form und Anordnung der geheimen Zeichen an den Grenzsteinen eine Unregelmäßigkeit, so handelte es sich um Betrug. Heutzutage sei das Siebenergeheimnis eigentlich nicht mehr nötig, da das Vermessungsamt eben die GPS-Daten der Grenzverläufe vorliegen habe, erklärt Dormeier.

Feldgeschworene ergänzen Vermessungsämter und GPS

Heutzutage ist die Hauptaufgabe der Feldgeschworenen, Grenzsteine entweder freizulegen oder aber sie wieder einzugraben.

(Foto: dpa)

Trotz aller technischen Neuerungen sind die Feldgeschworenen in Bayern noch immer wichtig. Laut Franz Traßl, dem Leiter des Vermessungsamts Erding, würden die Siebener beispielsweise die Kosten für eine Grenzbegehung senken. Denn Feldgeschworene arbeiten ehrenamtlich und erhalten lediglich eine Aufwandsentschädigung. Im Landkreis Erding beläuft sich diese auf 15 Euro pro Stunde. Die Kosten für einen Einsatz der Feldgeschworenen tragen die Auftraggeber, meistens die Grundstückseigentümer oder -käufer. Dormeier schätzt, dass die meisten Menschen erst mit Feldgeschworenen in Kontakt kommen, wenn sie ein Haus bauen wollten.

Dormeier selbst ist zu seinem Ehrenamt durch das Dorfener Amtsblatt gekommen. Eigentlich wurden nur zwei Feldgeschworene gesucht, aber die Stadt übernahm letztendlich alle vier Bewerber. Traßl ist zufrieden mit der Anzahl der neuen Feldgeschworenen im Landkreis. Insgesamt seien es seit Jahresanfang neben den vier Neuen in Dorfen noch fünf weitere im Kreis Erding. Betrachte man aber ganz Oberbayern, so ginge die Anzahl der Feldgeschworenen zurück.

Dormeier war auf der Suche nach einem Ehrenamt, als er die Anzeige im Amtsblatt gesehen hat. Er war früh in Pension gegangen und wollte der Gesellschaft etwas zurückgeben. Er ist bereits im Gartenbauverein, beim Kreisverein Erding für Gartenbau und Landespflege sowie beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club. Und dann ist da noch sein eigener Garten, den er pflegen muss. Aber sein neues Ehrenamt als Feldgeschworener macht ihm ebenfalls Spaß. Es sei zwar anstrengend, erzählt er, aber eben auch "a Gaudi". Auch, weil er unter die Leute kommt. Auf seinen ersten richtigen Einsatz muss Dormeier allerdings noch warten. Er hofft, dass er bald angerufen wird.

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