"Die Kunden wollen bestätigt wissen, was sie online gelesen haben":Erdinger bleiben ihren Reisebüros treu

Reisekataloge in einem Reisebüro, 2014

Eine Abwanderung der Kunden ins Internet verspüren die Reisebüros in Erding nicht, eher im Gegenteil teilweise.

(Foto: Robert Haas)

Trotz steigender Buchungen im Internet wird die Beratung vor Ort weiterhin geschätzt - vor allem bei komplexeren Wünschen und wenn das Ziel schon lange feststeht. Last-Minute-Schnäppchen sucht man eher online

Von Nadine Keller, Erding

Den erste Schritt zur Traumreise machen immer mehr Reisewillige schon im eigenen Wohnzimmer. Laut der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) stieg in den vergangenen zehn Jahren der Anteil der im Internet gebuchten Reisen von 14 auf 38 Prozent. Die Erdinger Reisebüros sehen dem Trend gelassen entgegen. Die Kunden buchen weiter in ihrem örtlichen Reisebüro.

"Wir können uns nicht beschweren", sagt Karin Keller vom "Reiseatelier" in der Münchener Straße. Innerhalb der fünf Jahre, die das Reisebüro bestehe, habe es sich sogar von zwei auf sieben Mitarbeiter vergrößern können. "In schwierigen Zeiten gehen die Leute eher ins Reisebüro", vermutet Keller. Die Lage in der Türkei, Ägypten und Tunesien sei undurchsichtig, zudem gebe es zunehmend kurzfristige Flugausfälle und -streichungen, sowie Insolvenzverfahren der Anbieter. "Das Reisebüro bietet Sicherheit", erklärt sie.

Auch Vanessa Mayer vom Reisemarkt Erding sagt, dass es bei Umsatz und Kundenzahlen bislang keine Veränderung gebe. "08/15 Mallorca-Reisen" könne durch das Internet heute jeder buchen. Doch sobald Ziele kombiniert und Wünsche komplexer würden, wähle man den Weg ins Reisebüro. Zwar würden auch Onlinebuchungen Reisen aus verschiedenen Bausteinen anbieten, die Kunden blieben aber dem Reisebüro vor Ort treu.

Tatsächlich erklärt sich der Anstieg der Onlinebuchungen weniger durch den Rückgang am Interesse für Reisebüros - im Gegenteil: 2016 war wieder ein langsamer Anstieg der Anzahl von Reisebüros in Deutschland zu verzeichnen. Der Grund für den Online-Boom ist das Verschwinden des Spontanurlaubers: Fuhren 1995 noch 59 Prozent der deutschen Urlauber einfach "auf gut Glück" los, ohne Reservierung und Reisebüro, so sind es nun nur noch 34 Prozent, verzeichnet die aktuelle Broschüre des Deutschen Reiseverbands (DRV). Laut ihr ist das Internet dann gefragter, wenn die Reise kurzfristig, also bis zu drei Monate vorher gebucht wird - das Reisebüro ist unter Frühbuchern eindeutig die beliebtere Anlaufstelle. Auch die Reiseanalyse der FUR 2017 zeigt: Trotz des enormen Wachstums der Online-Branche liegt das klassische Reisebüro mit 41 Prozent der Buchungen noch immer vorn.

Fabio Elentscheff von der Flugbörse Erding meint, die Kundenzahlen seien sogar eher steigend. Viele kämen heute bereits mit konkreten Ideen aus dem Internet. "Die Kunden wollen bestätigt wissen, was sie online gelesen haben", sagt Oliver Eßmann von TUI in Erding. Die Menschen seien durch den Boom an Angeboten im Internet oft orientierungslos und würden einen suchen, der das für sie entwirren kann.

Auch was die diesjährigen Urlaubsziele angeht, sind sich die Erdinger Reisebüros einig. Die Türkei wird gemieden, Tunesien und Ägypten werden kaum gebucht, doch Griechenland, Italien und Spanien, sowie Fernreisen seien gefragt. Auch damit entspricht Erding dem bundesdeutschen Trend. Denn laut DRV reisen 36,5 Prozent der Deutschen ans Mittelmeer und laut FUR gewinne die Lage eines Ziellandes für die Deutschen zunehmend an Bedeutung. Für 2020 prognostiziert die FUR außerdem, dass die Mehrheit von Buchungen online erfolgen wird. "Eine Abwanderung ins Internet können wir momentan aber nicht spüren", sagt Oliver Eßmann.

Es ist folglich nicht so, dass weniger Leute ins Reisebüro gehen. Viel eher buchen heute die, die früher einfach "auf gut Glück" losfuhren eben online. Sowohl im Reisebüro eines Giganten wie TUI (vom Marktanteil her größter Reiseveranstalter in Deutschland und zweitgrößte Reisebürokette nach DER Touristik), als auch eigenständige Reisebüros wie das Reiseatelier von Karin Keller und Corinna Gunst haben keine Bedenken. "Natürlich" sei das Internet eine Konkurrenz, meint Eßmann, "aber es schadet uns nicht." Und auch Karin Keller sieht es ganz unproblematisch. Denn zuletzt hieße es ja "Konkurrenz belebt den Markt".

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