Der FC Bayern kommt:Etwas fürs Familienalbum

Fußball-Bezirksligist TSV Dorfen empfängt die zweite Mannschaft des FC Bayern für ein Freundschaftsspiel. Trainer Kostner begegnet seiner eigenen Geschichte - und wünscht seinen Spielern schöne Erinnerungen

Von Sebastian Fischer, Dorfen

Wenn sich Michael Kostner an die wichtigsten Momente seiner Fußballerkarriere erinnert, dann denkt er auch an eine Niederlage. Der 23. April 1993 im Münchner Olympiastadion, Freitagabend unter Flutlicht. Kostner spielte für den Bundesligaaufsteiger 1. FC Saarbrücken beim FC Bayern - und hatte keine Chance. 0:6 verlor Saarbrücken, besonders hat Kostner Mehmet Scholl in Erinnerung, der drei Tore schoss und eines vorbereitete. "Der beste, gegen den ich je gespielt habe", sagt er: "So ähnlich wie Franck Ribéry, schnell mit kurzen Haken."

Wenn Kostner, 46, an den kommenden Dienstag denkt, dann erwartet er wieder eine besondere Niederlage. Er trifft als Trainer des Bezirksligisten TSV Dorfen auf die zweite Mannschaft des FC Bayern. "Ich wünsche meinen Spielern, dass sie etwas für's Leben mitnehmen, das sie irgendwann ihren Enkeln zeigen können." Die Gegner heißen immerhin Scholl und Ribéry - allerdings Lucas und Steeven. Der Sohn des Nationalspielers der Neunziger und der Bruder des Flügelspielers von heute spielen für die Reserve des deutschen Meisters. Flutlicht, wie 1993 in München, fehlt in Dorfen. Deshalb beginnt das Freundschaftsspiel schon um 18 Uhr.

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Am Dienstag ist Steeven Ribéry (vorne) mit seiner Mannschaft beim TSV Dorfen zu Gast.

(Foto: Imago/Eibner)

In der Woche vor dem Spiel, zu dem sie an der Ludwig-Thoma-Straße mehr als 500 Zuschauer erwarten, sind die Themen beim TSV andere: Die Mannschaft hat die letzten drei Punktspiele verloren. Die Ziele waren vor der Saison ambitioniert, jetzt gehe es wohl um den Klassenerhalt, sagt Teammanager Markus Listl. Sechs Stammkräfte sind verletzt, darunter Spielmacher Cüneyt Pala. Am Sonntag spielt der TSV gegen den FC Hammerau.

Die Begegnung zwei Tage später sei natürlich auch wichtig, sagt Listl. Zwar sind die Kassen nicht klamm, doch das Geld aus der Stadionkasse ist natürlich ein willkommener Bonus, und das Spiel gegen die Talente der Bayern nach den Freundschaftsspielen gegen Fenerbahce Istanbul und den TSV 1860 München eines der größten Ereignisse der jüngeren Vereinsgeschichte. Listl hat sich mit einem Brief beim FCB beworben, Dorfen habe viele Bayern-Fans und es wäre eine große Ehre, schrieb er. Die letzten Wochen hat er viel telefoniert, bis alles feststand - auch, dass die Bayern auf dem Heimweg im Bus Steaksemmeln vom Stadiongrill essen.

Für Trainer Kostner ist das Spiel gegen die Bayern besonders, weil er als Jugendlicher drei Jahre lang an der Säbener Straße in München spielte. Zuletzt war er noch mal da, erzählt er, weil sein fünfjähriger Sohn ein Probetraining absolvierte. Vieles sieht heute anders aus als Ende der Achtzigerjahre, und doch hat er sich erinnert: Wie er, der als Jugendspieler auf der Geschäftsstelle jobbte, im Aufenthaltsraum mit den Profis Klaus Augenthaler und Lothar Matthäus rauchte.

Der FC Bayern kommt: TSV-Trainer Michael Kostner.

TSV-Trainer Michael Kostner.

(Foto: Renate Schmidt)

Nicht nur dank solcher Anekdoten lässt sich an der Person Kostner der Wandel des modernen Fußballspiels erzählen: Er war Libero, ein Spieler ohne taktische Zwänge vor der Abwehrreihe. Sein Bundesligatrainer und Förderer Peter Neururer verglich ihn mit Franz Beckenbauer. Allerdings schaffte es Kostner nie in die Nationalmannschaft. Und heute sind Liberos auf dem Fußballplatz wie Telefonzellen auf den Straßen oder Schreibmaschinen in Großraumbüros - aus der Zeit gefallen, nicht mehr da. In Dorfen lässt Kostner zwar nicht mehr mit Libero spielen, aber er klingt wie die Trainer von damals, wie Neururer oder sein Freund Werner Lorant, dessen Sohn Timo er in Dorfen trainiert, wenn er sagt: "Es geht letztendlich darum, wer einen Ball geradeaus spielen kann und wer nicht." Lorant, der langjährige Coach vom TSV 1860, werde am Dienstag sicher vorbeischauen, sagt Kostner.

Große Ambitionen als Trainer hat Kostner nicht mehr. 2005 bewarb er sich noch für die Ausbildung zum Fußballlehrer, doch vieles kam anders: Er heiratete neu, schulte zum Autohändler um. Heute sei ihm vor allem die Familie wichtig, in Dorfen trainiert er seine Söhne Franco und Kevin. Er schlug Angebote aus, um dort zu bleiben, wo er zunächst skeptisch war, als er 2012 anfing und die Spieler in Lederhosen zum Training kamen, um später zum Volksfest weiterzuziehen. Ein wenig ernster wollte er das Spiel dann doch nehmen.

Heute sagt er, es sei "genial", wie im Verein zusammengehalten werde, jeder helfe mit, ob Zuschauer oder Präsident. Den Rasen habe der Platzwart stundenlang mit dem Schlauch gewässert, "ein absoluter Teppich" - bereit für die Bayern also. Und sportlich? "Unsere Jungs können auch ein bisschen Fußball spielen." Aber: "Natürlich werden sie hinterherlaufen. Und wir werden uns draußen köstlich amüsieren."

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