Süddeutsche Zeitung

Debatte in Dorfen:Vor großen Herausforderungen

BR-Sendung "Jetzt red i" gastiert zum Thema "Wohnen" in Dorfen. Staatsministerin Ilse Aigner und SPD-Chefin Natascha Kohnen loben die Gründung einer Dorfner Wohnbau-Genossenschaft

Von Philipp Schmitt, Dorfen

"Bauen, Bauen, Bauen - wo es nur geht!", lautet die Parole, mit der Ilse Aigner (CSU) auf die explodierenden Baulandpreise und Mieten reagieren möchte. Das sagte die neue Bayerische Bauministerin am Mittwoch in der ESC-Halle bei der von Tilmann Schöberl und Vera Cornette moderierten Live-Sendung "Jetzt red i" des Bayerischen Rundfunks (BR). Aigner kündigte eine eigene bayerische Eigenheimzulage an. Der zweite Gast, die bayerische SPD-Chefin Natascha Kohnen, kritisierte die bisherige Untätigkeit der bayerischen Regierung heftig. Wie problematisch die Situation in der Boomregion Erding ist, schilderten mehrere Dorfener in eindringlichen Redebeiträgen.

Die Preise in Dorfen sind in auch wegen der A94, die Ende 2019 fertig werden soll, stark gestiegen. Einige Bürger schilderten, dass sie sich diese Preise ohne hohe Schulden nicht leisten können. Sozialarbeiterinnen der Caritas wiesen darauf hin, dass Sozialwohnungen im Landkreis Mangelware sind und sozial schwache Menschen in die Obdachlosigkeit gedrängt würden.

Der Dorfener Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) berichtete vor mehr als 130 Zuschauern, darunter zweiter Bürgermeister Günther Drobilitsch und dritte Bürgermeisterin Doris Minet (beide FW), Stadträte und Altbürgermeister Josef Sterr (CSU), dass Dorfen mit neuen Kriterien des "Einheimischenmodells" versuche, bezahlbares Bauland zu schaffen. In den nächsten Jahren werden tausende Neubürger erwartet, was für Herausforderungen sorgt. Sozialwohnungen sind knapp, Obdachlosigkeit sei in Dorfen aber noch kein gravierendes Problem, so Grundner. Einige Besucher schilderten die Idee der Gründung einer Dorfner Wohnbau-Genossenschaft, was Aigner und Kohnen gut fanden.

"Hat die Politik geschlafen?", wollte Schöberl von Ilse Aigner und Natascha Kohnen wissen, Geld sei doch da, die Steuereinnahmen sprudeln. Es sei bereits viel getan worden, doch das reiche nicht, räumte Aigner ein, sie wolle "anpacken und die Ärmel aufkrempeln" und ein Wohnbau-Gesamtkonzept und mehr Initiative von Bund, Ländern, Kommunen und privaten Bauträgern auf die Beine stellen und zudem für Bauwillige neben dem Baukindergeld eine neue Eigenheimzulage und die Streichung der Grunderwerbsteuer beim ersten Immobilienkauf realisieren. Die vom Freistaat geplanten Ausgaben im Sektor Bauen und Wohnen seien 2018 "auf Rekordniveau" gestiegen, inklusive 200 Millionen Euro vom Bund stünden 886 Millionen Euro bereit.

Auch im ländlichen Bereich müsse "mit dem knappen Gut Boden" sparsam gewirtschaftet werden, weswegen nicht nur Einzelhäuser, sondern auch höhere Gebäude und Geschosswohnungsbau und Nachverdichtung realisiert werden sollten. Es sei ein Umdenken erforderlich und es müssten Anreize für den privaten Wohnungsbau geschaffen werden, sagte Aigner.

Ihre Gegenspielerin Kohnen sprach sich für den Bau tausender neuer Wohnungen in Eigenregie einer staatlichen Wohnungsbaugesellschaft und der Landkreise aus, darüber hinaus sollten Projekte im Erbbaurecht für bezahlbare Preise sorgen. Die Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten bei der Landtagswahl im Oktober plädierte dafür, Fördergelder "nicht mit der Gießkanne", sondern "gezielt für Menschen in Not" zu vergeben. Kohnen forderte die Stärkung des ländlichen Raums durch Investitionen in die digitale Infrastruktur und den Erhalt kleinerer Schulen.

Die Mietpreisbremse sei nicht gescheitert, so Kohnen, sie sei "nachgeschärft" worden. Die SPD-Politikerin warf der Staatsregierung vor, in den vergangenen Jahren zu wenig beim Thema Wohnungsbau gemacht zu haben. Die dramatisch zugespitzte Situation mit extremen Preissteigerungen in Wachstumsregionen sei "absehbar" gewesen. -

Zu den vom örtlichen Unternehmer Robert Decker geforderten steuerlichen Anreizen für den privaten Wohnungsbau und für Bauwillige durch bessere Abschreibungsmöglichkeiten und eine Eigenheimzulage sagte Aigner, dass eine neue Eigenheimzulage in Bayern geplant sei. Sie appellierte an Städte, Gemeinden und private Grundbesitzer, offensiv neue Baugebiete zu schaffen: "Entscheidend ist doch, wo noch Grundstücke zur Verfügung stehen." Sie werde auch in Berlin mit Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) über Möglichkeiten sprechen, Grundstücke des Bundes stärker für Wohnbebauung zu nutzen. Und, fügte sie an, dass auch "die Kirche" einige ihrer Grundstücke gerne günstig für Wohnbauzwecke zur Verfügung stellen dürfe.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3974590
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.05.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.