Amtsgericht Erding:Dashcam überführt rabiates Ehepaar

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Am Amtsgericht Erding wurde gegen einen 31-Jährigen verhandelt, weil er bei seinem ehemaligen Arbeitgeber Ware gestohlen oder zumindest weiterverkauft hat. (Foto: Stephan Görlich)

Amtsrichter Björn Schindler verurteilt beide Angeklagte zu je elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung, weil sie auf offener Straße eine Frau verprügelt haben.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Dass ein Ehepaar vor Gericht steht, ist eher eine Seltenheit. Doch die beiden Eheleute hatten gemeinschaftlich am 6. Mai auf offener Straße in Taufkirchen eine Frau verprügelt, die 32-jährige Ehefrau war zudem zwei Tage zuvor im Bus nach Erding handgreiflich geworden. Letzteres Verfahren wurde am Amtsgericht Erding wegen Geringfügigkeit eingestellt. Nicht so die Tat am 6. Mai. Amtsrichter Björn Schindler verurteilte beide wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu jeweils einer Freiheitsstrafe von elf Monaten. Die Strafe wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Weil die Angeklagte schon einmal wegen Körperverletzung verurteilt worden war, wurde ihr für ein Jahr ein Bewährungshelfer zugewiesen. Zudem muss sie ein Antiaggressionstraining machen.

Zu Beginn der Verhandlung, zu der der 31-jährige Ehemann und seine Frau jeweils mit eigenem Anwalt erschienen waren, sah es nicht so aus, als ob alles schnell über die Bühne gehen würde. Neun Zeugen standen auf der Ladungsliste. Wobei schon am Anfang ersichtlich wurde, dass der eine oder andere eigentlich lieber vor Gericht nicht aussagen wollte. Was Schindler bewog, klar zu sagen, dass sie darum nicht herumkommen.

Die Geschädigte erlitt diese diverse Prellungen und ein Zahn brach halb ab

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Paar zur Last gelegt, dass sie am 6. Mai gegen 8.15 Uhr in Taufkirchen einer Frau aufgelauert haben und sie mit Schlägen und Fußtritten misshandelten. Dabei erlitt das Opfer diverse Prellungen und ein Zahn brach halb ab. Im zweiten, eingestellten Fall soll die 32-jährige Angeklagte einer anderen Frau im Bus mit der flachen Hand auf den Kopf geschlagen und anschließend an deren T-Shirt gepackt haben, wobei eine Halskette gerissen sei. Dabei sei dann auch noch die Beleidigung "stupid Idiot", dumme Idiotin, gefallen.

Laut Aussage des Sachbearbeiters bei der Polizeiinspektion Dorfen hatten die Ermittlungen schnell ergeben, dass die Geschichte, die die beiden Angeklagten bei der Polizei erzählten, nicht stimmen konnte. Denn sie schilderten laut dem Polizeibeamten, dass sie die Angegriffenen gewesen seien. Zudem sei eine vierte Person, der Mann der Angegriffenen, vor Ort gewesen. Im Fall der Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung war der Nachweis leicht: Immer mehr Busunternehmen im MVV setzen auf Videoüberwachung in den Fahrzeugen wegen Anschuldigungen gegen die Fahrer, Vandalismus oder strittigen Unfällen. Und die Aufzeichnung an dem Tag habe eindeutig gezeigt, dass die Angeklagte die Aggressorin war.

"Ihre Schilderung und die Videoaufnahme passen wunderbar zusammen", sagte der Polizeibeamte

Am 6. Mai kam allerdings der Zufall ins Spiel. Als der Überfall auf die Frau geschah, war eine unbeteiligte Frau mit dem Auto auf der Straße in Richtung Kindergarten am Tatort vorbei gefahren - mit einer sogenannten Dashcam an der Windschutzscheibe. Eine Videokamera, die während der Fahrt das Verkehrsgeschehen aufzeichnet. Und diese zeigte, wie der ermittelnde Polizeibeamte vor Gericht sagte, wie sich der angeklagte Ehemann hinter einer Hecke versteckt hatte, während die 32-Jährige auf die Frau zuging. Außer den drei Personen sei keine weitere zu sehen. Die Frau mit der Dashcam an Bord fuhr nach dem Kindergarten wieder am Tatort vorbei. Dort habe sie die Geschädigte völlig konsterniert auf der Straße stehen gesehen. Sie sei ausgestiegen und die Frau habe ihr erzählt, was gerade passiert sei. Dass man sie geschlagen und sogar Chillipulver in die Augen geschüttet habe. "Ihre Schilderung und die Videoaufnahme passen wunderbar zusammen", sagte der Beamte.

Da die Verteidigung die Beweismittel kannte, war noch vor der Vernehmung des Polizeibeamten von den beiden Anwälten um ein Rechtsgespräch zwischen ihnen, der Staatsanwältin und dem Amtsrichter gebeten worden. In diesem einigte man sich auf einen Strafrahmen zwischen zehn und zwölf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung, wenn beide Angeklagte ein volles Geständnis ablegen. Was sie dann auch taten. Bei der Urteilsfindung wurde ihnen hoch angerechnet, dass sie damit eine lange und wohl auch komplizierte Zeugenvernehmung überflüssig gemacht hatten, wie Amtsrichter Schindler in der Urteilsbegründung sagte.

Strafverschärfend war das "planvolle Vorgehen" bei der Tat

Warum die Frau von den beiden attackiert wurde, blieb offen. Wegen der beiden Angeklagten gebe es aber öfters Polizeieinsätze, sagte der Polizist. Vor allem wegen Eheproblemen. Ob sich die Personen kennen, wisse er nicht. Sie seien aber an verschiedenen Adressen gemeldet. Während im Bundeszentralregister beim Ehemann nur ein Eintrag steht - wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels oder einer Duldung -, gab es bei ihr drei: darunter Diebstahl und vorsätzliche Körperverletzung. Amtsrichter Schindler blieb mit elf Monaten exakt zwischen den Forderungen der Anwälte und der Staatsanwältin. Auch für ihn war es wegen der erheblichen Verletzungen kein "minderschwerer Fall" von Körperverletzung. Strafverschärfend sei das "planvolle Vorgehen" bei der Tat gewesen.

Ob die beiden Angeklagten mit ihren fünf Kindern bis zum Ende der Bewährungszeit in Deutschland bleiben dürfen, ist laut den Anwälten ungewiss. Ihnen drohe eigentlich die Ausweisung. Derzeit werde diese dadurch verhindert, dass sie keine Pässe haben. Und bis die ausgestellt seien, könne es dauern, da die zuständigen Verwaltungen einen Berg von Passanträgen vor sich haben.

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