Das Landratsamt klagt:Verteilte Zuständigkeiten

Auch wenn Landrat Bayerstorfer mitteilen lässt, dass der Freistaat den Grünen-Kreisrat Glaubitz vor Gericht zitieren lässt, es ist anders: Das Landesamts für Finanzen sagt: "Wir führen nur den Prozess. Die Entscheidung trifft die Ausgangsbehörde."

Von Florian Tempel, Erding

In einer Stellungnahme zur Klage gegen den Grünen-Kreisrat Stephan Glaubitz schreibt das Landratsamt Erding, "dass die Klage nicht vonseiten des Landratsamtes oder gar Herrn Landrat Bayerstorfer eingereicht wurde". Kläger sei der Freistaat Bayern, der in diesem Fall vom Landesamt für Finanzen vertreten werde. Johannes Eichinger, der Vizepräsident des Landesamtes für Finanzen, rückt allerdings auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung die Darstellung zurecht, mit der sich die Verantwortlichen im Landratsamt Erding offensichtlich ein Stück weit aus der Affäre ziehen wollten. "Wir führen nur den Prozess", sagt Eichinger, "die Entscheidung, dass geklagt wird, trifft aber die Ausgangsbehörde."

In der 34 Seiten starken Klageschrift wird Kreisrat Glaubitz vorgeworfen, er habe sich "in ehrenrühriger Weise über die Tätigkeit der Ausländerbehörde im Landratsamt Erding geäußert". Glaubitz hatte scharfe Kritik zum äußerst restriktiven Erdinger Kurs bei der Erteilung von Arbeitserlaubnissen für Asylbewerber geäußert. Ziel der Klage ist, dass Glaubitz Unterlassungserklärungen abgeben, vorformulierte Richtigstellungen veröffentlichen und mehrere Tausend Euro zahlen soll. Da der Streitwert mit fast 92 000 Euro sehr hoch angesetzt ist, drohen ihm zudem extrem hohe Prozesskosten, die ihn wirtschaftlich ruinieren können.

Die Klageschrift ist von der Rechtsanwaltskanzlei Romatka & Collegen verfasst. Die Kanzlei ist schon seit mehreren Monaten in der Sache tätig. Eine Vollmacht vom 22. Juni dieses Jahres legitimiert die Münchner Anwälte, den "Vollmachtgeber gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten", dazu gehöre "insbesondere die Befugnis zur Klageerhebung". Diese Vollmacht ist von niemand anderem als dem Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer unterschrieben.

Dass nunmehr das Landesamt für Finanzen als Vertreter des Freistaats auf der Klägerseite auftritt, ist nur eine formale Notwendigkeit. "Eine Behörde kann nicht klagen", erklärt Vizepräsident Eichinger, "sie hat keine eigene Rechtsfähigkeit". Aus diesem Grund habe man Rechtsabteilungen bei den Dienststellen des Landesamts für Finanzen geschaffen, erklärt Eichinger, die in Zivilprozessen die Klägerfunktion übernehmen, wenn eine Behörde klagen möchte.

In der Stellungnahme aus dem Landratsamt heißt es auch, dass es nicht darum gehe, "ob und inwieweit Herr Glaubitz Kritik im Zusammenhang mit der Erteilung von Arbeitserlaubnissen für Asylbewerber üben kann". Das Landratsamt sieht nicht, dass Glaubitz seine Meinung gesagt hat, sondern legt die Betonung darauf, dass das von ihm Geäußerte falsch sei. "Mehrfach hat sich Herr Glaubitz öffentlich zu angeblichen Missständen im Ausländeramt geäußert, die es bei objektiver Betrachtung nicht gibt." Und: "Das Vorgehen des Ausländeramtes ist in keiner Weise zu beanstanden" - das hätten Gerichtsprozesse gegen abgelehnte Arbeitserlaubnisse ergeben.

Das Bundesverfassungsgericht hat 2013 in einem Fall, in dem es um zugespitzte Kritik an einer Ausländerbehörde ging, der Meinungsfreiheit viel Gewicht beigemessen und die Klage der Behörde abgewiesen: Es gehöre "zum Kernbereich der Meinungsfreiheit (. . . ) Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können."

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