"Das Asylmanagement ist hilfsbereit, aber personell überfordert":Geisterfahrer statt Vorreiter

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Der Kommunalpass ist ein Alleingang des Landkreises Erding bei der Auszahlung von Leistungen an Flüchtlinge. Die Klagen über dieses System reißen nicht ab.

(Foto: oh)

Der Kommunalpass, über den Asylbewerber im Landkreis Erding Geld erhalten, ist nach Meinung der Helferkreise nicht nur umständlich und intransparent, sondern die Karte sei auch sehr oft defekt

Von Thomas Daller, Landkreis

Politisch umstritten war der Kommunalpass, über den Asylbewerber ihr Geld erhalten, schon seit der Einführung durch das Landratsamt Erding vor einem Jahr. Nach den Erfahrungen der Helferkreise ist er offenbar auch fehleranfällig: Viele Karten seien defekt, sie müssten ständig gegen neue ausgetauscht werden. Vor allem am Monatsanfang sei das Asylmanagement fast ausschließlich damit beschäftigt, Ersatz bereit zu stellen.

Bei einem Pressegespräch der Arbeitsgruppe Kommunalpass zogen Dagmar Wendel, Heidemarie Eibl, Maria Brand und Gertrud Eichinger eine verheerende Bilanz: Die Überweisung auf den Kommunalpass statt auf ein Bankkonto sei ohnehin in der Praxis umständlich und intransparent. Besonders ärgerlich sei jedoch der hohe Anteil an schadhaften Karten, die beim Bezahlen an der Ladenkasse urplötzlich den Dienst versagen, obwohl die Karten finanziell noch gedeckt seien. Der Dienstleister, der diese Karten im Auftrag des Landratsamtes ausstelle, sei "unfähig", sagte Dagmar Wendel: "Viele Karten müssen jeden Monat ausgetauscht werden oder es gibt Probleme mit den Buchungen."

Wenn die Karte defekt sei, könnten sich die Asylbewerber auch kein Bargeld auszahlen lassen, das sie aber benötigen, um sich eine Busfahrkarte nach Erding zu kaufen, um dort im Asylmanagement den Kommunalpass umzutauschen. Somit sind sie auf ehrenamtliche Helfer angewiesen, die sie mit dem Auto dorthin bringen. Der Eindruck, den die Helfer dort gewännen, sei desaströs: In den ersten Tagen des Monats seien täglich mehr als 50 Kartenwechsel erforderlich. "20 bis 30 Prozent der Karten gehen nicht", sagte Wendel. Teilweise sei auf den neuen Karten, die man erhalte, noch kein Geld aufgebucht. "Das Asylmanagement ist hilfsbereit, aber personell überfordert", sagte Wendel. "Die machen nur noch die Arbeit von Bankangestellten", fügte Heidemarie Eibl hinzu: "Wenn das Landratsamt behauptet, es gebe keine Probleme mit den Karten, ist das nicht richtig."

Der Kommunalpass war von Anfang an ein Streitfall. Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) hatte ihn mit der Begründung eingeführt, Barauszahlungen seien unsicher und Überweisungen auf Bankkonten der Flüchtlinge nicht praktikabel, weil angeblich nur etwa ein Drittel der Flüchtlinge über eine Kontoverbindung verfüge. Dieser Einschätzung haben die Helferkreise immer widersprochen: Mehr als 80 Prozent der Leistungsempfänger habe über ein Bankkonto verfügt, die restlichen Asylbewerber seien im Begriff gewesen, ein Bankkonto zu eröffnen, als der Kommunalpass ohne jegliche Vorankündigung im Mai 2016 als "Zwangsmaßnahme" verordnet worden sei. Außerdem sei der Landrat mit seiner Prognose falsch gelegen, der Kommunalpass sei ein "Meilenstein" und der Landkreis Erding werde damit zu einem "Vorreiter". Kein anderer Landkreis habe dieses System übernommen, aus gutem Grund. "Sind die anderen die Geisterfahrer oder ist er auf der falschen Spur", sagte Eibl.

In der Praxis könnten die Asylbewerber keinen Kontoauszug auf dem Handy einsehen, es sei auch nicht möglich, mit dem Kommunalpass etwas online zu bestellen. Hinzu käme, dass den Asylbewerbern an der Ladenkasse unterstellt werde, sie hätten kein Geld mehr, wenn die Karte nicht funktioniere und man sie als "schwierige Kunden" abstempele.

Um dieses umständliche Procedere zu vermeiden, seien viele Asylbewerber dazu übergegangen, in Supermärkten Barabhebungen über den Kommunalpass zu tätigen und dieses Bargeld dann bei der Bank einzuzahlen, bei der sie ein Konto hätten. Aber in anderen Landkreisen erhalte man die Beträge direkt auf sein Konto und müsse nicht solch einen Aufwand betreiben.

"Ich weiß nicht, wo der Wurm drin ist", sagte Dagmar Wendel über die defekten Karten. Fakt sei jedoch, dass die Flüchtlinge oftmals neue erhielten, die ebenfalls defekt seien und dann beispielsweise fürs Wochenende keine Lebensmittel einkaufen könnten. "Wir hören vielfach von Helfern", so Wendel, "wenn ein Flüchtling im Landkreis Erding leben muss, ist er bestraft."

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