Süddeutsche Zeitung

Fliegerhorst Erding:Eine Klinik unterm Zeltdach

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Ein erstes bayerisches Behelfskrankenhaus ist fertig: In Erding könnten in zwei Leichtbauhallen bis zu 160 Covid-19-Patienten behandelt werden. Ob und wann das passieren wird, weiß niemand.

Von Florian Tempel, Erding

Das Corona-Hilfskrankenhaus am Fliegerhorst Erding ist einsatzbereit. Binnen einer Woche sind zwei Leichtbauhallen des Warteraums Asyl, die eigentlich zur Unterbringung von Flüchtlingen gedacht waren, in ein provisorisches, aber funktionstüchtiges Quarantäne-Lazarett mit 160 Betten umfunktioniert worden. Am Mittwochnachmittag wurde eine erste Gruppe von Ärzten und Pflegepersonal, die dort zum Einsatz kommen könnte, durch das Hilfskrankenhaus geführt. Wann die ersten Covid-19-Patienten dort behandelt werden, ist aber noch nicht klar. Im Klinikum Erding gibt es aktuell noch ausreichend Kapazitäten für mittelschwere Fälle. Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf sollen nicht in dem Hilfskrankenhaus behandelt werden.

"Es ist hier sicher einfach und alles andere als ein Luxusquartier", sagte Landrat Martin Bayerstorfer (CSU). Doch es sei "technisch hervorragend" ausgestattet, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirke. Er hoffe zwar weiter, "dass wir es nie brauchen". Dennoch sei man nun "für den Fall der Fälle" gerüstet.

Die Krankenstationen der Notfalleinrichtung am Fliegerhorst.

Aufbau des Notfallkrankenhauses in Erding, im Bild das Bettenquartier unter dem Dach der Leichtbauhalle.

An jedem Bett steht ein Einzelgerät mit Sauerstoff bereit.

Bei der Firma Linde wurde eine mobile Sauerstoffanlage geordert, die in einem Tankwagen 14 000 Liter flüssigen Sauerstoff fasst.

Der Aufbau des Hilfskrankenhauses ist in der Führungsgruppe Katastrophenschutz vor zehn Tagen erstmals diskutiert worden. Im Warteraum Asyl am Fliegerhorst, der zum Jahresende in den Stand-by-Modus versetzt wurde, stehen zwölf Leichtbauhallen zur Verfügung. Da der Warteraum stets für einen möglichen neuen Flüchtlingsansturm gerüstet bleiben sollte, war er in kurzer Zeit für den neuen Zweck umzunutzen. Die Hallen, die nun zum Hilfskrankenhaus wurden, sind mit Sperrholzwänden in je 20 Abteile unterteilt. Ursprünglich standen in jedem Abteil fünf Stockbetten. Eines davon kam ganz raus, von den anderen vier Stockbetten wurde die obere Etage abgenommen.

Die Hallen lassen sich mit Lüftungsheizungen von außen beheizen. Die Heizöltanks waren noch gut gefüllt, berichtete der stellvertretende Kreisbrandrat Martin Angermaier, der den Umbau zum Corona-Lazarett leitete. Als er und sein Team vor einer Woche zum ersten Mal kamen, war es bitterkalt. Eine Viertelstunde später sei die ganze Halle aber schon wohltemperiert gewesen.

Die Elektrikergruppe vom Technischen Hilfswerk verlegte in kurzer Zeit Kabel für bessere Beleuchtung und Steckdosen in jedes Patientenabteil. Ein wesentlicher Punkt, an den von Anfang an gedacht wurde, war es, an jedem Bett eine Sauerstoffeinheit zu installieren. Hierbei geht es nicht um Beatmung. Doch Sauerstoff über ein einfache Plastikmaske zu inhalieren, kann Covid-19-Patienten mit mittleren Beschwerden das Atmen erheblich erleichtern. Deshalb wurde bei der Firma Linde eine mobile Sauerstoffanlage geordert, die in einem Tankwagen 14 000 Liter flüssigen Sauerstoff fasst. Der flüssige Sauerstoff kann in kleinere Geräte abgefüllt werden, die man neben ein Bett stellen kann. 39 Stück dieser Sauerstoffgeräte sind schon da, 200 sind insgesamt bestellt und sollen in den nächsten Tagen kommen.

Eine große Herausforderung war auch der Aufbau der Sanitäreinrichtungen sowie der Umkleiden für das medizinische Personal. In einer langen Reihe wurde mehr als 30 Container neben den Hallen aufgestellt, mit Toiletten, Duschen, Waschräumen und Umkleiden.

Bei der Rekrutierung des notwendigen Personals wurde der Landkreis von der Regierung von Oberbayern unterstützt. Die Suche nach Ärzten war weniger schwierig, wie Klinikmanager Dirk Last sagte. Es hätten sich viele Mediziner aus dem Landkreis gemeldet. Ausreichend Pflegepersonal zu finden, sei die schwierigere Aufgabe, sagte Gertrud Friess-Ott, die Pflegedirektorin des Klinikums Erding. Man werde es aber sicher schaffen. Lorenz Bott-Flügel, der Ärztliche Direktor des Klinikums Erding, sagte, dass man jeden Tag Meldungen von Medizinstudenten und Pflegeschülern erhalte, die mithelfen wollten.

Bott-Flügel erklärte auch, für welche Art von Patienten er das Hilfskrankenhaus besonders geeignet halte. Er denke vor allem an Erkrankte, die Covid-19 schon weitgehend überstanden haben und sich auf dem Weg der Besserung befinden. Solche Patienten, die man aus ärztliche Sicht aber noch nicht nach Hause lassen wollte, auch weil sie noch ansteckend sein können, könnten bis zur endgültigen Entlassung ins Hilfskrankenhaus verlegt werden. So würden im Klinikum wieder Betten und Kapazitäten für Neuerkrankte frei. Das wäre "eine richtige Quarantäneeinrichtung im eigentlichen Sinn", sagte Bott-Flügel.

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SZ vom 02.04.2020
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