Süddeutsche Zeitung

Corona und die Gärtnereien:Gespannte Erwartung

Lesezeit: 3 min

Seit Herbst bereiten sich die Gartenbaubetriebe auf die Frühlingssaison vor. Und jetzt? Die Ungeduld wächst

Von Diana Mammana, Erding

In den Gewächshäusern wächst etwas heran. Die kleinen Pflänzchen wollen zügig in die Erde versetzt und die Gartenbaubetriebe wollen sie loswerden. Abnehmer gibt es genügend, doch noch halten nicht nur die garstigen Temperaturen die Hobbygärtner zurück, sondern auch die gesetzlichen Bestimmungen. Call & Collect ist keine Dauerlösung, darin sind sich die Betriebe einig. Aber auch der Stand-by-Modus, in dem die Pflanzen derzeit gehalten werden, könne nicht mehr lange aufrechterhalten werden. Die Pflanzen wollen an die frische Luft.

Die Gärtnereien blicken mit gemischten Gefühlen auf die kommenden Wochen. Das alles entscheidende Frühjahrsgeschäft steht an. Wer Pflanzen selbst produziert und kultiviert wie der Gartenbaubetrieb Rudolf Rath in Moosinning, hat damit im Herbst 2020 begonnen. Für ihn spitzt sich die Situation jetzt zu. Er führt eigenen Angaben zufolge einen der größten Gartenbaubetriebe in Süddeutschland. Seine Existenz stehe auf dem Spiel, sagt er, wenn es nicht bald Aussichten auf Lockerungen gäbe. Rath beliefert vorwiegend Gartencenter und Baumärkte. 1,5 Millionen Pflanzen stehen komplett vorfinanziert und verkaufsfertig in den Hallen. Gerade hat er 50 000 Balkonpflanzen getopft, die jetzt raus müssten, sonst wäre er gezwungen alles zu entsorgen. An die Umsatzeinbußen will er gar nicht erst denken. Rath sagt, er hoffe, dass die Gartencenter und Baumärkte bald wieder öffnen.

Die Gärtnerei Hagl in Erding steht vor einem ähnlichen Problem. Die Pflanzenproduktion ist in vollem Gang. Bei dem Vorlauf sind nur noch wenige spontane Änderungen möglich. Den Stand-by-Modus in den Gewächshäusern könne man höchstens noch zwei drei Wochen aufrechterhalten, so die Junior-Chefin Andrea Hagl.

Schon im Oktober und November war die Stimmung in der Branche schlecht, da das Weihnachtsgeschäft zu großen Teilen weggebrochen ist. "Wir mussten die Weihnachtssterne wegschmeißen, als nächstes sind die Primeln dran", sagt Heidi Cermak von der Gärtnerei Stockmaier und Cermak in Wartenberg. "Aber wenn die Leute dann kommen, müssen wir vorbereitet sein und die Nachfrage abdecken können. Das wollen wir auch, aber das ist nicht gerade einfach für uns", so Cermak.

Viele Gärtnerei- und Floristikbetriebe haben ihren Betrieb auf alternative Verkaufsstrategien wie Call and Collect umgestellt. Aber auch das sei keine Dauerlösung, klingt es von überallher. Damit könne man höchstens die Hälfte des normalen Umsatzes abdecken. "Das Tagesgeschäft fällt seit Monaten komplett weg, und die staatlichen Hilfspakete greifen nicht", sagt Stefanie Albertshofer aus Erding.

Vor dem Geschäft der Familie Hagl in Erding steht ein Abholtisch unter dem Olivenbaum. Unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen können die Kunden hier ihre bestellte Ware abholen. "Gerade ist die Nachfrage nach Frühlingsblühern, Orchideen und Primeln groß, aber auch Sträuße und Schnittblumen verkaufen sich gut", meint Hagl. Das persönliche Gespräch mit den Kunden ist aber durch nichts zu ersetzen, das sagt Gartenbauingenieurin Karin Remm. Sie stehe lieber mit ihren Kunden gemeinsam vor dem Samenregal. "Man muss den Geschmack der Leute treffen oder kennen und auch mal Vorschläge machen, das ist nicht so einfach," erklärt Remm. Dennoch, der Abhol- und Lieferservice ist momentan die einzige Alternative.

Ein beständig breites Sortiment könne in der momentanen Situation aber nicht gewährleistet werden, da sind sich die Unternehmer einig. "Die Leute rufen lieber an und erkundigen sich, was gerade so da ist. Wir haben eine sehr saisonbewusste Kundschaft", sagt die Inhaberin der Gärtnerei Brechter aus Isen. Sie versuche, die Produktpalette für ihre Kunden so groß wie möglich zu halten. Gegen die Lieferengpässe und das eingeschränkte Angebot im Einkauf könne man aber nichts tun. Für den bevorstehenden Valentinstag hat Brechter dieses Jahr vorsichtiger als sonst eingekauft. Etwa halb so viele Rosen wie sonst habe sie bestellt, sagt sie.

Am Sonntag dürfen die Gärtnereien und Blumenläden an vier statt sonst zwei Stunden die Abholung ihrer Produkte anbieten, um den Kundenstrom zu entzerren. Trotzdem lohnt sich der Abhol- und Lieferservice nicht für alle Kollegen aus der Branche. Robert Gauster bevorzugt es, in Anbetracht der Situation seine Gärtnerei in Dorfen zu schließen und in Betriebsurlaub zu gehen. Auf die wenigen Aufträge, die der Abholservice einbringen würde, könne er verzichten. Die Frustration ist groß. Er sehe gerade zu, wie Fachfremde und Supermärkte das Geschäft machen. Wenn jetzt bald Pflanzen für den Anbau und Verzehr in den Verkauf kommen, dann hofft er, wenigstens einen Teil des Verlustes kompensieren zu können.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5204841
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.02.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.