Süddeutsche Zeitung

Corona in Erding:Taxifahrer leiden unter Lockdown

Es gibt kaum noch Flughafentransfers und wegen fehlender Messen keine Geschäftsreisenden. Unternehmen, die sich nicht mit Krankentransporten ein zweites Standbein aufgebaut haben, befürchten einen Konkurs

Von Thomas Daller, Erding

Corona hat auch den Taxiunternehmern im Landkreis erhebliche Umsatzeinbußen gebracht: Die Transfers von und zum Flughafen sind massiv zurückgegangen. Geschäftsreisende, die von Hotels im Landkreis zu Messen nach München wollen, gibt es auch nicht mehr. Am besten durch die Krise kommen noch jene Unternehmen, die breit aufgestellt sind und Kranken-, Reha- und Dialysefahrten anbieten können. Dennoch rechnen sogar Betriebe, die es teilweise seit Jahrzehnten gibt, damit, dass sie auf absehbare Zeit in Konkurs gehen müssen.

Der erste Lockdown im Frühjahr hat den Unternehmern einen bösen Vorgeschmack auf die folgenden Monate gegeben. Im April brachen bei vielen Taxlern die Umsätze um etwa siebzig Prozent ein. "Normalerweise hat man am Tag 13, 14 Fahrten", sagte der Erdinger Taxiunternehmer Manfred Russ. Und plötzlich habe es Tage gegeben, in denen man nur eine Fahrt hatte mit 30, 40 Euro Umsatz. Daraufhin habe man die drei Aushilfsfahrer nicht mehr beschäftigen können und die drei festen Fahrer in Kurzarbeit geschickt. Als sich die Lage in den Sommermonaten wieder verbessert habe, sind zwei feste Fahrer wieder eingestiegen, einer befinde sich noch in Kurzarbeit. Der zweite Lockdown "wird, glaube ich, schlimmer als das erste Mal", sagt Russ. "Wenn das so weiter geht, gibt es keine Taxis mehr."

Auch den Erdinger Taxiunternehmer Roland Rutzmoser hat die Krise erwischt, allerdings hat er noch ein zweites Standbein, das sich Behinderten-, Kranken- und Schülerfahrdienst (BKS) nennt und an sein Taxiunternehmen gekoppelt ist. "Wir haben viele Dialyse-, Strahlen- und Rehafahrten und machen auch Rollstuhltransporte. Damit sind wir gut über den Lockdown gekommen", sagte Rutzmoser. Aber von seinen drei festangestellten Fahrern hat er dennoch zwei in Kurzarbeit schicken müssen. Lediglich einen Fahrdienst und einen Behindertentransport habe er aufrecht erhalten können. "Ich fahre viel selbst", sagt er. Denn seine Fahrer würden nach Umsatz bezahlt. Und bei den derzeitigen Umsätzen müsse er noch etwas drauflegen, denn sonst müssten sie unter Mindestlohn arbeiten, was nicht zulässig sei. "Der erste Lockdown ging für mich nie zu Ende", sagt er. Ein "geregeltes Geschäft" habe es auch danach nicht wieder gegeben. Und er geht davon aus, dass es auch nie wieder so werden wird wie vor der Corona-Pandemie. Denn insbesondere die Geschäftsreisen würden seines Erachtens nicht mehr so zahlreich stattfinden, weil viele Firmen auf Videokonferenzen umgestellt hätten und das wohl vermehrt beibehalten würden, weil es Zeit und Geld spare.

Auch beim Dorfener Taxiunternehmen Wagner ist ein gutes Stück des Umsatzes weggebrochen. "Das betrifft besonders den Flughafen und den Nachtbetrieb", sagt Inhaberin Martina Wagner. Ihr Unternehmen gibt es bereits seit mehr als achtzig Jahren, sie führt es in dritter Generation seit 28 Jahren. "Keine Partys, keine Veranstaltungen", das mache sich schon bemerkbar. Eigentlich könnte theoretisch ja anderweitig die Nachfrage steigen, im Taxi fühlt man sich vor Infektionen doch besser gesichert als in Bus und Bahn, wo man mitunter dicht gedrängt steht. In der Praxis ist dieser Effekt aber nicht eingetreten. Es gebe nur wenige solche Einzelfälle, sagt Martina Wagner, das sei abhängig vom individuellen Empfinden von Sicherheit.

Der Taufkirchener Taxiunternehmer Manfred Lechner kalkuliert, dass sein Umsatz seit dem Ausbruch des Coronavirus um 40 bis 50 Prozent zurückgegangen ist. Dabei könne er sich aber noch glücklich schätzen, meint er. Denn manche seiner Kollegen seien abhängig von Flughafentransfers, "die haben teils Umsatzrückgänge von 95 Prozent". Lechners Unternehmen kam bislang vergleichsweise stabil durch die Krise, weil er neben dem klassischen Taxidienst noch drei Buslinien für den Landkreis fährt und zudem mit seinen zwei Rollstuhlfahrzeugen auch viele Krankenfahrten übernehmen kann. Aber spurlos ging es auch bei ihm nicht vorbei: "Ich habe elf Autos, davon fahren neun und tatsächlich benötigen würde ich sechs." Seit dem zweiten Lockdown könne er fünf Vollzeitkräfte nicht mehr beschäftigen.

Lechner hat bereits ein Fahrzeug umgebaut mit einer Plexiglasscheibe zum Schutz des Fahrers. Dafür gebe es ein Förderprogramm der Staatsregierung, die die Kosten in Höhe von 500 Euro übernehme. Eigentlich wollte er alle Fahrzeuge entsprechend umbauen: "Jetzt warte ich aber schon drei Monate auf die Scheiben", sagt er. Darüber sei er aber nicht verärgert: "Die müssen individuell CNC-gefertigt werden, und Plexiglas ist momentan auch sehr begehrt." Was ihm jedoch tatsächlich Kopfzerbrechen bereitet, sind seine Aushilfen. Er habe lange gesucht, um seine zehn Aushilfen beisammen zu bekommen. Die könne er derzeit aber nicht beschäftigen. Nun befürchtet er, dass sie ihm abspringen könnten. "Wenn es wieder anzieht, habe ich keine Leute mehr."

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SZ vom 09.11.2020
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