Corona in Erding:Hart an der Grenze

Der Grenzwert für Hotspots liegt jetzt bei 35, da ist der Landkreis mit 31,2 gefährlich nahe dran. Im Landratsamt hat sich deshalb die lokale Koordinierungsgruppe zur Bekämpfung der Pandemie getroffen

Von Regina Bluhme und Gerhard Wilhelm, Erding

Mit 31,2 ist der Landkreis Erding am Montag sehr nahe an den kritischen Corona-Grenzwert von 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner herangerückt. Eine lokale "Koordinierungsgruppe zur Bewältigung der Corona-Pandemie" unter Vorsitz von Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) ist gestern präventiv zusammengekommen, um Maßnahmen zu diskutieren. Bei 35 gilt eine erweiterte Maskenpflicht, eine Sperrstunde von 23 bis 6 Uhr und bei privaten Feiern sind zehn Personen erlaubt. Politik, Unternehmer, Polizei und Ärzteschaft hoffen, dass ein zweiter Lockdown verhindert werden kann.

Wie das Landratsamt am Montag mitteilte, sind zu den bestätigten Covid-19-Fällen im Landkreis seit Freitag sechs neue Fälle hinzugekommen. Die Zahl der bestätigten Fälle steigt damit von 940 auf 946. Die neuen Fälle stammen aus Dorfen, Erding, Isen, Lengdorf und Moosinning (2). Die Zahl der Genesenen steigt von 868 um elf auf 879 Personen. Damit gelten derzeit 56 Personen als infiziert. Im Klinikum Landkreis Erding wird ein Covid-19-Patient behandelt, keiner auf der Intensivstation.

"Ein zweiter Lockdown wäre für ganz Deutschland eine Vollkatastrophe", sagt Marcus Maier, Prokurist und Geschäftsleitung des Galaxy Erding sowie Marketingleiter der Therme Erding. Die Therme selbst wurde von der Corona-Krise hart getroffen. Dennoch: Eine schwarze Null sei dieses Jahr immerhin möglich, sagt Maier - "wenn sie uns nicht noch einmal zusperren". Bis zu 10 000 Gäste fanden sich an einem Tag in der Therme ein. Jetzt sind es unter der Woche vielleicht knapp 3000. Seit kurzem sind die Zahlen im Sinken begriffen. "Wir merken, dass die Leute Angst haben", erklärt Marcus Maier. Dabei würden die Sicherheitsauflagen streng eingehalten, das Gesundheitsamt kontrolliere regelmäßig. "Einen Boom ohne Ende" verzeichne hingegen das an die Therme angeschlossene Hotel Victory mit einer Auslastung "zwischen 95 und 100 Prozent", so Maier.

Corona in Erding: Für Thomas Fischer von Pro-Function aus Erding hat sich in Folge der Pandemie ein neues Geschäftsfeld aufgetan: Seine atmungsaktiven Masken laufen gut.

Für Thomas Fischer von Pro-Function aus Erding hat sich in Folge der Pandemie ein neues Geschäftsfeld aufgetan: Seine atmungsaktiven Masken laufen gut.

(Foto: Renate Schmidt)

Für Thomas Fischer, Geschäftsführer von Pro-Function in Erding, hat sich in der Corona-Krise ein unerwartetes Geschäftsfeld aufgetan. Er ist auf Funktionsbekleidung spezialisiert und hat nun zusätzlich einen besonderen Mund- und Nasen-Schutz im Angebot. Die Alltagsmasken werden aus einer Hightechfaser hergestellt und sind laut Fischer atmungsaktiv, frei von Schadstoffen und können bei 95 Grad gewaschen werden. Im Stoff sind Silberionen eingewebt, die die Vermehrung von Bakterien verhindern. Der Verkauf laufe sehr gut, sagt Fischer. Durch den in der Corona-Zeit eingesetzten Freizeitboom sei er bislang "ganz gut durchgekommen".

Der Erdinger Lungenfacharzt Markus Marschall ist Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KVB) Erding und vom KVB zum Corona-Koordinator bestellt. Seine Rückmeldung von Seiten der Hausärzte: Viele seien aufgrund der steigenden Corona-Testungen inzwischen "recht belastet". Nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich: Ein Kollege plane zum Beispiel, im Hinterhof der Praxis ein Zelt mit Wärmestrahler für Testpersonen aufzustellen.

Bei der Schutzausrüstung für die Praxen, die vom Arzt auf dem freien Markt eingekauft werde, erkennt Marschall derzeit keinen Engpass. Im Moment sei jedenfalls ausreichend Material verfügbar. Grundsätzlich sieht Marschall den Landkreis Erding "gut aufgestellt". Dass bislang die Infiziertenzahlen relativ niedrig waren, führt er auf "vielleicht ein wenig Glück" zurück und darauf, "dass der Landkreis eine ganz gute Struktur aufgebaut hat". Er hoffe nun, dass durch gezielte Einzelmaßnahmen das Geschehen in den Griff zu bekommen ist, ein zweiter Lockdown vermieden werden kann.

Noch ist die Sieben-Tage-Kennzahl im Landkreis weit von 50 weg, aber bei den Polizeiinspektionen (PI) in Erding geht man davon aus, dass es dabei wohl nicht bleiben wird. Ab 50 gilt unter anderem in der Gastronomie eine Sperrstunde ab 22 Uhr. Private Feiern werden dann auf fünf Leute oder die Mitglieder zweier Hausstände begrenzt, egal ob öffentlich oder privat gefeiert wird. In Bayern gelten verschärfte Corona-Bußgelder. Wer gegen die Maskenpflicht verstößt, muss mit 250 Euro Bußgeld rechnen.

Corona in Erding: Die Pandemie und ihre Folgen: Am Haupteingang der Therme Erding erwartet die Gäste jetzt ein rustikaler Check-in.

Die Pandemie und ihre Folgen: Am Haupteingang der Therme Erding erwartet die Gäste jetzt ein rustikaler Check-in.

(Foto: Renate Schmidt)

"Momentan muss man wirklich ein Lob an die Bürger verteilen, die halten sich an die Auflagen, von vereinzelten Ausnahmen abgesehen", sagt Harald Kratzel, Leiter der Polizeiinspektion Dorfen. Bereits jetzt schaue man jeden Tag an möglichen Infektionsrisikopunkten regelmäßig vorbei, zum Beispiel am Busbahnhof. Nur wenn jemand absolut uneinsichtig sei oder wiederholt bei einem Verstoß erwischt werde, werde dies dem Landratsamt mitgeteilt, die über eine Anzeige oder Bußgeld entscheide. "Es bleibt abzuwarten, wie sich jeder Einzelne verhält. Möglicherweise nimmt sich der Eine oder Andere den eindringlichen Appell von der Bundeskanzlerin zu Herzen. Aber eine Prognose wage ich nicht."

"Fingerspitzengefühl" bräuchten die Beamten am Flughafen München, wie Michael Pemler von der Flughafenpolizei sagt. Vor allem, da man mit internationalem Publikum zu tun hat. Zum einen betreuen die Beamten die Teststation für Einreisende aus Risikogebieten, "und dort gibt es schon regelmäßig Testverweigerer beziehungsweise Diskussionen", so Pemler. Neben Testpflichtverweigern würde es am Flughafen Maskenverweigerer geben. "Die Leute sind da sehr erfinderisch." Meistens seien die Angesprochenen nur vergesslich und würden sich entschuldigen.

"Mit der aktuellen Personaldecke haben wir keine großen Möglichkeiten", sagt Harald Pataschitsch, stellvertretender Leiter der PI Erding. Von größeren Verstößen auf Partys wisse man nichts. Wenn Hinweise kommen, dann meistens auf Leute, die in Geschäften keine Masken tragen würden. In den vergangenen vier Wochen habe es nur vier Anzeigen in Zusammenhang mit Corona gegeben. "Die Philosophie hat sich zwar mittlerweile ein wenig geändert und man soll Verstöße sofort ahnden, wegen der steigenden Infektionszahlen, aber grundsätzlich werden die Beamten mit den Leuten erst mal reden. Und wenn sie dann uneinsichtig sind, kommt es zur Anzeige", Harald Pataschitsch.

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