Süddeutsche Zeitung

Erding:Schneiden, föhnen, desinfizieren

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Seit Montag sind die Friseurläden wieder geöffnet, es herrscht großer Andrang. Die Salonbetreiber sind erst einmal erleichtert. Der Arbeitsalltag hat sich aufgrund der Corona-Vorschriften jedoch sehr verändert

Von Regina Bluhme, Erding

Die Erleichterung ist groß in den Friseurbetrieben im Landkreis. Vor sieben Wochen mussten die Inhaber ihre Läden wegen der Corona-Pandemie schließen - seit Montag dürfen sie öffnen und werden förmlich gestürmt. In den Salons hat sich aufgrund der strengen Hygienevorschriften einiges verändert. Ohne Terminabsprache, Mundschutz, Trennwände und regelmäßiges Desinfizieren geht nichts mehr. Zudem müssen sich die Kunden auf höhere Preise fürs Haareschneiden oder Färben einstellen.

Bettina Steiner betreibt in Erding den Salon "Schnitt Punkt". Fünf Arbeitsplätze und zwei Waschbecken stehen normalerweise zur Verfügung, jetzt werden nur noch drei Stühle und ein Waschbecken genutzt, damit der Mindestabstand von 1,5 Meter zwischen den Kunden gewahrt wird. "Die letzten Tage waren sehr aufregend", sagt die Friseurin, denn lange sei zu den Hygienevorschriften immer wieder Neues hinzu gekommen. Ein Friseurbesuch sehe nun so aus: Gleich am Eingang werden die Hände desinfiziert, dann trägt Bettina Steiner die Namen in eine Kontaktliste ein, jedem Kunden, egal ob Kind oder Erwachsener, werden als erstes die Haare gewaschen. Scheren und Bürsten kommen nach jedem Kundenkontakt ins Desinfektionsbad, auch der Sitzplatz wird nach jedem Kunden desinfiziert. Aus Hygienegründen werden keine Getränke und Zeitschriften mehr angeboten. Für Kunden, die auf ihren Termin warten, hat sie vor dem Laden extra Stühle aufgestellt.

"Einerseits ist es eine Riesenerleichterung", sagt Rainer Stöhr, Hauptgeschäftsführer des "Haarem" in Erding: Endlich wieder öffnen, endlich wieder Einnahmen. "Kundschaft ist da, wir sind ja alle überbucht." Auf der anderen Seite werde es aufgrund der neuen Vorschriften "nicht leichter", so Stöhr. Durch die Abstandsvorschriften könnten auch weniger Kunden bedient werden. "Und der Wellnessgedanke ist im Moment natürlich nicht so groß." Am Montag hat er aber eins festgestellt: Beim Gespräch stört der Mundschutz überhaupt nicht. "Man versteht sehr gut." Die Kunden wollten alle gerne reden. Kein Wunder, nach wochenlanger Kontaktsperre. Außerdem ist Stöhr überzeugt, dass sich alle bald ans Maskentragen gewöhnt haben.

Rainer Stöhr betreibt insgesamt acht Friseurläden, in Erding hat er 25 Mitarbeiter. Bei allen Häusern hätten die Vermieter Kulanz signalisiert, so Stöhr. Er wolle auf keinen Fall jammern: "Wir Friseure haben das Glück, dass wir gleich wieder anfangen können und Geld hereinkommt. Was soll da ein Hotelier sagen?"

Sie sei, dank Kurzarbeit, einigermaßen gut durch die Zeit der Schließung gekommen, erklärt Bettina Steiner. Auch ihr Vermieter habe ihr signalisiert: "Wenn es knapp wird, kommt er mir entgegen." Auch sie ist am Montag zuversichtlich: "Es lässt sich gut an". Sogar so gut, dass sie als Chefin wohl noch bis 22 und 23 Uhr im Laden stehen wird, um den Andrang einigermaßen Herr zu werden.

Für Friseure gelten laut Bettina Kagerl, Obermeisterin der Erdinger Friseur-Innung, keine Ladenschlusszeiten. Die Betriebe können wählen, ob sie künftig montags zusätzlich öffnen wollen, sie selbst werde das nicht tun, erklärt Kagerl, die in Erding "Das Haarreich" betreibt. Der Erdinger Innungsmeisterin sind keine Corona-bedingten Betriebsschließungen bekannt, "aber es gibt andere Branchen, da wird es einigen das Genick brechen", ist sie überzeugt. Für notwendige Umbauten, für Spuckschutzwände, für die Schutzmasken oder die Desinfektionsmittel müssen laut Kagerl die Betriebe selber aufkommen. Zudem könnten sie nun weniger Kunden bedienen. "Dies wird zu Preiserhöhungen führen, leider", erklärt Kagerl. Sie hofft, "dass die Kundschaft weiter zu uns hält".

Das hofft auch Renate Huber, Inhaberin des Salons Renate in Erding. Sie wird ihre Preise erhöhen, wenn auch moderat. Bei Herren um etwa einen Euro, bei den Damen je nach dem bis zu 5 Euro. " Seit 57 Jahren bin ich im Beruf, seit 48 Jahren selbständig", sagt Renate Huber. In der Zeit der Schließung habe sie ihre Mitarbeiter mit ihrer privaten Vorsorge über Wasser gehalten. Nun hofft sie, das Geld wieder durch den Umsatz hereinzubekommen. Anstelle der üblichen sechs Plätze kann sie wegen der Abstandsvorschrift nur drei nutzen. Für ihren Sofort-Hilfeantrag, den sie bereits am 24. März gestellt habe, habe sie bis heute keine Rückmeldung bekommen. Ein wenig mulmig ist Renate Huber durchaus angesichts der Corona-Pandemie. Sie werde "knallhart aufpassen", dass auch alle Schutz-Vorschriften eingehalten werden, betont sie. "Da geht es nicht nur um Gesundheit, da geht es ums Leben." Da sie zur Risikogruppe gehöre, trage sie während der Arbeit keine einfache Stoffmaske, sondern sicherheitshalber sogar einen FFP-Atemschutz.

Vielleicht habe die Zeit der Salonschließung auch etwas Positives bewirkt, sagt Innungsmeisterin Bettina Kagerl: Die eine oder andere Kundschaft weiß nun womöglich das Friseurhandwerk mehr zu schätzen.

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SZ vom 05.05.2020
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