Chronik zum Jubiläum:Heimat auf 704 Seiten

Nach mehr als zwei Jahren Arbeit, tausenden von Stunden vor dem Computer und in den Archiven präsentiert der Arbeitskreis aus Langenpreising den ersten Band der "Geschichte einer Landgemeinde"

Von Gerhard Wilhelm, Langenpreising

Er umfasst 704 Seiten, ist vier Zentimeter dick und kostet 39 Euro: der erste Band der "Geschichte einer Landgemeinde an der Strogen". Und wofür manche studierte Historiker viele Jahre brauchen, schaffte ein Arbeitskreis aus an der Ortsgeschichte interessierten Bürgern in zweieinhalb Jahren - das Werk zu beenden. Eine Chronik für Langenpreising, zumindest den ersten Band, der zweite soll im nächsten Jahr folgen. Gehofft hatte man anfangs im Arbeitskreis, auf 250 Seiten zu kommen. Doch je mehr sich die Mitglieder in die Arbeit vertieften, umso mehr Interessantes über Langenpreising deckten sie auf. Und weil das Wissen schließlich alle Dimensionen für ein Buch gesprengt hätte, entschloss man sich, zwei herauszugeben. Alleine im ersten sind von den insgesamt 704 Seiten 645 reiner Text, 24 Seiten Quellen- und Bildangaben, 16 Seiten Ortsregister und mehr als 400 bisher unveröffentlichte Aufnahmen.

Kein Wunder, dass Bürgermeister Peter Deimel jüngst bei der Vorstellung des Buchs stolz war auf seine Langenpreisinger Chronisten. "Tausende von Stunden in Archiven und am Computer" haben diese in den vergangenen zweieinhalb Jahren aufgewendet, wie Paul Adelsberger sagt, der angeregt hatte, zur 1250-Jahr-Feier doch eine "kleine" Chronik herauszugeben. Die Liste der Mitarbeiter ist lang, von Gemeinderäten über Peter Deimel ("Mein Beitrag umfasst gerade mal drei Prozent des Buches") bis hin zu Anneliese Nitsche-Rott, die nicht nur als Autorin auftrat, sondern auch zahlreiche Dokumente und Fotos von Bürgern einsammelte. Oder Ursula Adelsberger, die wohl das Buch mittlerweile in- und auswendig kennt, da sie Korrektur gelesen hat. Joseph Adelsberger war für die technische Seite beim Layout zuständig und Michael Knye sorgte mit seinem Wissen dafür, dass die alten Bilder digital erfasst wurden. Die Gemeinde schaffte dafür einen Scanner an, um die alten Fotos auch im Buch verwenden zu können. Adelsberger konnte für die Chronik auf den großen Bilderfundus von Josef Kriegmair zurückgreifen.

Offiziell heißt Band 1 "Langenpreising. Geschichte einer Landgemeinde an der Strogen", und er ist bei der Gemeindeverwaltung zu bekommen. Doch natürlich gab es auch vor der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes am 1. Oktober 767 bereits Menschen, die sich an der Strogen angesiedelt hatten. Den Bereich "Vor- und Frühgeschichte" hat Harald Krause, Archäologe und Leiter des Museums Erding, im Buch behandelt. Krause ist aber der einzige Profi, der sich beruflich mit der Materie befasst. Vor allem in Langenpreising-Strassäcker wurden bei Ausgrabungen viele wertvolle archäologische Funde gemacht. Aus der Jungsteinzeit (5500 bis 2300 v. Chr.) gibt es nur wenige Spuren.

Obwohl es sich um eine Chronik handelt, sind die Autoren im Buch nicht rein nach der Zeitlinie vorgegangen, sondern größtenteils thematisch. Die großen Überschriften lauten: "Kirchengeschichte", "Schule", "Bauerntum und Landwirtschaft", "Wirtschaft" und "Krieg und Notzeiten". Im nächsten Band wird dann unter anderem die Elektrizitätsversorgung in Langenpreising von Anfang an behandelt, es werden "wichtige Leute" vorgestellt und "volkskundliche Betrachtungen über Lebenslauf und Jahreslauf, über das liederliche und kriminelle Langenpreising u.a.".

Im aktuellen Band werden eher dunklere Zeiten der Geschichte nicht ausgespart. Fest steht nach Ansicht des Autors Paul Adelsberger, dass 39 Personen Mitglieder der NSDAP waren und sieben bereits 1933 der Partei beigetreten waren. Es gab eine Mädchengruppe des Bund Deutscher Mädchen, und am 10. Mai 1933 wurde "die unvermeidliche Hitlereiche" gepflanzt. Der Zweite Weltkrieg bedeutete wie der Erste eine Zäsur für den Ort. Im Buch werden seitenweise die Gefallenen und Vermissten der Kriege dargestellt. Oft mit einem Sterbebild. Wohl fast jede alteingesessene Familie wird ihren Namen finden.

Was wohl nicht viel wissen: Der Krieg kam schon recht früh 1940 mit dem Eintreffen von rund 60 französischen Kriegsgefangenen in Langenpreising an. Das Lager der Gefangenen befand sich damals im Stadel des Unterwirts. Auch Zwangsarbeiter aus dem Osten gab es im Ort sowie einige Mütter mit ihren Kindern, die ab 1943 aus den vom Luftkrieg bedrohten Gebieten evakuiert wurden.

Ein wichtiges Kapitel für den Ort ist der Fluss Strogen und ihre Regulierung sowie der Bau des Mittleren Isarkanals. Kein Bauwerk hat so gravierend in die Langenpreisinger Landschaft eingegriffen wie der künstliche Wasserfluss, der die Wasserkraft zwischen München und Moosburg ausnützen sollte. Eben dieser Kanal brachte am 12. Juli 1931 die größte Hochwasserkatastrophe der Gemeinde. Der Damm brach vor Langenpreising und in kürzester Zeit standen die Erdgeschosse der Häuser zum Teil vollkommen unter Wasser. Von Toten wird nichts berichtet, aber: "Im ganzen Dorf ist der Verlust hunderter von Hunderten von Hühnern zu beklagen, die sich vor dem heranbrausenden Wasser nicht mehr retten konnten und jämmerlich ersaufen mußten", wie es in der Presse hieß.

Ein großes Kapitel ist dem Gewerbe in Langenpreising gewidmet, vom Handwerk über den Handel bis zu den Dienstleistern. Zum Beispiel der Familie Senftl. Sie kann auf eine mehr als 170-jährige Schmiedtradion zurück blicken. Die Senftls waren ihrer Zeit früh voraus. 1935 stand am Haus nicht nur die Aufschrift "Fahrradhandlung u. Reparaturwerkstätte gepr. Huf- und Wagenschmiedmeister", sondern auch die Tankstelle. Und noch heute hat die Familie die einzige Tankstelle im Ort.

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