Christoph Süß in Erding:Singender Moderator mit vielseitiger Combo

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Bekannt ist er für seinen beißenden Spott gegen die bayerische Politszene. Doch bei seinem Auftritt in Erding gibt sich Moderator Christoph Süß recht zahm.

A. Steiger

Die Besucher sind bereits in gesetztem Alter, die sich am Freitag die lang erwartete Wiedergeburt der "Schiaßn" als Erdinger Kunst- und Kulturstätte nicht entgehen lassen wollten. Fast bis auf den letzten Platz gefüllt war die Traditionsgaststätte und frühere Disco, die von Harry Seeholzer, Uwe Pianka und Börnie Sparakowski liebevoll und farbenfroh renoviert wurde. Sie soll sich nun zu einem Kulturtreffpunkt in Erding entwickeln. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht. Am Eröffnungsabend haben die drei Wirte alles richtig gemacht.

Christoph Süß traf mit seiner Darbietung als Sänger nicht jedermanns Geschmack. (Foto: Peter Bauersachs)

Vor allem haben sie in Christoph Süß einen Künstler mit bekanntem Namen eingeladen. Wer sich nicht schon aufgrund eigener jahrzehntealter Erinnerungen an die frühere Diskothek in der Schiaßn umsehen wollte, der interessierte sich für den Kabarettisten Süß. Wie im Programm bereits angekündigt, fiel Süß jedoch nicht in bekannter Art und Weise über die bayerische Politszene her - wie mancher im Publikum insgeheim wohl doch gehofft hatte.

Stattdessen brachte er vier exzellente Musiker mit nach Erding, um mit deren Unterstützung seinem Mitteilungsdrang singend freien Lauf zu lassen. Offenbar erschöpft sich dieser Drang nicht mit der 45-minütigen Sendung "Quer" einmal in der Woche im Bayerischen Rundfunk. Süß erzählte, trug Gedichte vor, betete ein wenig und sang vor allem. Er beschäftigte sich mit den Randfiguren der Gesellschaft, immer mit Humor und mit einem melancholischen Blick auf die unaufhaltsam verrinnende Lebenszeit, der stark an Ludwig Hirsch erinnerte. Auch er wird noch in diesem Herbst in Erding zu sehen sein - allerdings in der Stadthalle.

Damit traf Christoph Süß nicht jedermanns Geschmack, zumal auch nicht alle Texte akustisch zu verstehen waren - unabhängig vom Sitzplatz. Süß' vielseitige Combo überzeugte jedoch auf der ganzen Linie und auch an den hinteren Tischen. Der Sound ließ nicht zu wünschen übrig, und wenn Süß manchmal nicht zu verstehen war, dann lag das wohl an seiner Artikulation. In Begeisterung schlug die Stimmung im Saal immer dann um, wenn Süß kritischere Töne anschlug - egal ob er die Münchner Bussi-Gesellschaft aufs Korn nahm, raffgierige Banker, die Konsumgier oder mit kleinen Seitenhiebe auch die Landespolitik.

Schiaßn gut gefüllt

Mit diesem Auftritt verschreckten die Veranstalter nicht die Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die bei diesem durchaus wichtigen Erdinger Ereignis nicht fehlen durften und wollten. Wer mehr Freude an bissigem politischen Kabarett hat, war zwar leicht enttäuscht, er markierte sich jedoch erwartungsvoll den 17. Oktober in der Hoffnung darauf, dass Henning Venske und Jörg Busse sich nicht auch aufs Singen verlegt haben.

Die neue Schiaßn war am Freitag schon lang vor Beginn der Vorstellung gut gefüllt. Nicht nur an diesem Abend wünschen sich die Betreiber eine Symbiose aus Kultur und Kulinarik. Viele Besucher testeten daher gleich das rundum zufrieden stellende Gastronomieangebot aus der Küche des Weißbräu-Wirtes Uwe Pianka. Beim Essen und Auffrischen alter Erinnerungen hatten die Besucher genügend Muße, sich in den Räumen umzusehen. An den Wänden in kräftigen Farbtönen setzten große abstrakte Gemälde von Harry Seeholzer in noch kraftvolleren Farben wirkungsvolle Akzente.

Auch das künstlerische Programm, das mit Unterstützung der Sinnflut GmbH zusammengestellt wird, lässt einiges erhoffen. Unter anderem präsentiert die Schiaßn in Zusammenarbeit mit dem renommierten Jazzclub Hirsch in Moosburg einen regelmäßigen Jazzclub - bei freiem Eintritt. Den Anfang macht am kommenden Dienstag, 21. September, Alex von Hagke und Band. Er wird angekündigt als einer der erfolgreichsten Saxophonisten seiner Generation in Deutschland. In Erding spielt er mit seiner eigenen Band, in der seine eigenen Kompositionen im Vordergrund stehen.

Die vier Musiker des Quartetts spielen melodiösen, grooveorientierten Jazz mit geraden und ungeraden Beats. Mit Bingo, Salsaabende und dem Club der Visionäre, an dessen Abenden jeder seinen eigenen Sound mitbringen darf - von Klassik über Rock bis zum Hörbuch - bietet die Schiaßn ein Programm, das die Gastronomieszene und den Veranstaltungskalender in Erding bereichern wird. Christoph Süß wünschte der Schiaßn viel Erfolg und behauptete, es sei ihm eine Ehre, diese Bühne entweihen zu dürfen.

© SZ vom 20.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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