Christian Magerl:Abschied aus freien Stücken

Christian Magerl

Falls die dritte Startbahn mal endgültig beerdigt wird, "radele ich ins Moor raus Ganz alleine. Und genieße das", sagt Christian Magerl.

(Foto: Lukas Barth)

Nach 27 Jahren ist für den Abgeordneten Christian Magerl im Landtag Schluss, gerade jetzt, wo seine Grünen ein Allzeithoch erleben. Seinen Ruhestand will er nicht auf dem Kanapee verbringen. Dem Naturschutz gehört auch weiter sein ganzes Engagement

Interview von Kerstin Vogel, Freising

1986 ist er mit den Grünen erstmals in den bayerischen Landtag eingezogen, hat nach drei - damals noch vier Jahre währenden - Legislaturperioden von 1998 bis 2003 pausiert, dann weitere drei Wahlperioden lang vor allem die Umweltpolitik in Bayern vorangebracht und sich als nimmermüder Kämpfer gegen den Bau der dritten Startbahn erwiesen. Wie sehr ihn die Wählerinnen und Wähler für seinen aufrichtigen, dabei stets unaufgeregten Einsatz schätzten, zeigt sich daran, dass er fünfmal das beste Erststimmenergebnis der Grünen einfuhr. Nun hört Christian Magerl auf, gerade jetzt, wo seine Grünen ein Allzeithoch erleben. Die Kutschfahrt mit seinem CSU-"Erzfeind" Erwin Huber zur letzten Landtagssitzung ist schon jetzt ein bisschen legendär. Ein Gespräch mit einem, der in der Landespolitik fehlen wird.

SZ: Wie war es mit Erwin Huber in der Kutsche?

Magerl: Ach, lustig. Wir fahren ja seit 30 Jahren schon "in der Kutsche", also im Zug. Das ist so seit den 80er Jahren: Den Huber triffst im Zug. Da kannst ihn in der Früh schon ein bissi bled anreden und er redt bled zruck . Das mit der Kutsche hatte er sogar eingefädelt und mich eingeladen. Das war recht nett. Diese "Feindschaft" ist politisch, nicht persönlich. Die heißt Transrapid, Donauausbau oder dritte Startbahn.

Sie hätten auch nach 27 Jahren im Landtag weiter machen können. Warum haben Sie nicht mehr kandidiert?

Üblicherweise heißt es, lebenslänglich sind 20 Jahre, da bin ich weit drüber, im rechtlichen Sinn. Im Ernst: 27 Jahre sind eine wahnsinnig lange Zeit und Politik lebt vom Wechsel. In diesem Job kann man nicht sagen, jetzt mache ich noch ein Jahr oder zwei, man verpflichtet sich auf fünf Jahre und ich bin jetzt 63. Das ist ja kein Job, wo ich gemütlich ausschlafe in der Früh und dann fange ich mal das Arbeiten an. Ich habe das jetzt gemerkt, im Wahlkampf, wenn man dann so nachts um halb elf mit dem Auto durch Niederbayern fährt und am nächsten Tag musst man in eine Sitzung. Und es kommt ja ein Junger nach. Ich hab ja keinen aufgebaut, der irgendwie schmutzelt und charakterliche Schwächen hat (lacht).

Sie haben den Johannes Becher bewusst als Nachfolger aufgebaut?

Naja, das hat der schon auch selber gemacht, das ist nicht so, als wäre er der Lehrbua. Aber ich habe ja einen Ausbildungsbetrieb so quasi. 2003 hat bei mir der Toni Hofreiter angefangen, der war drei Jahre da, bis er in den Bundestag kam, dann kam Markus Ganserer, der ist 2013 in den Landtag gewählt worden.

Hört man leichter auf, wenn die Nachfolge geregelt ist?

Man hört leichter auf, wenn man die Entscheidung selber getroffen hat. Heute wird für einige Abgeordnete bei der CSU und auch bei der SPD ein sehr harter Tag sein, weil sie abgewählt wurden. Das dürfte etliche getroffen haben, die unbedingt noch mal rein wollten und auch darauf gesetzt hatten. Das ist ja wie eine fristlose Kündigung. Wenn man das selber entscheidet, kann man dagegen ganz bewusst noch mal ein paar Themen setzen. Ich bin natürlich beim Bund Naturschutz weiter aktiv, werde Vorlesungen halten, ich bin noch Kreisrat - das ist nicht so, als würde ich nur noch auf dem Kanapee liegen.

Aber gab es nicht angesichts der Prognosen für die Grünen Momente, wo Sie den Entschluss bereut haben? Sie hätten vielleicht Umweltminister werden können.

Möglich. Aber man braucht kein Mandat für das Amt.

. . . also wenn die kommen und fragen. . .

Naja, nachdenken muss man immer erst mal. Ich kann ja nicht gleich sagen: "schleich di." Aber eher nicht. Vielleicht würde da schon ein Traum in Erfüllung gehen, aber den habe ich vor fünf oder zehn Jahren mal gehabt. In meinem Alter muss man schon überlegen, ob man das wirklich noch will. Seehofer hat nicht ganz zu unrecht gesagt, alles, was über 60 ist, kommt raus, er hat halt leider bei sich selber aufgehört.

Die Startbahn war und ist Ihr großes Thema, zuletzt waren Sie optimistisch, dass diese wirklich verhindert werden kann. Was bringt Sie zu dieser Überzeugung?

Dass sie einfach nicht gebraucht wird. Das ist eine Planung aus den Nuller Jahren, also offiziell seit 2005, inoffiziell schon ein paar Jahre länger, aber die Zeit ist an dieser Planung vorbei gegangen. Es gibt keine Notwendigkeit und wenn man sich die Klimadiskussion anschaut: Wir müssen endlich umsteuern. Meine Forderung ist, dass der Planfeststellungsbeschluss aufgehoben wird. Dann ist das Ding weg und ich kann mir nicht vorstellen, dass in fünf oder zehn Jahren jemand kommt und sagt, jetzt fangen wir wieder bei der Stunde Null an.

Wie würden Sie das feiern?

Ich glaube, dann radele ich ins Moos raus. Ganz alleine. Und genieße das. Ich bin schon auch vom Lärm betroffen in Neustift, aber mein Hauptgrund ist die Natur da draußen, dass wir noch einmal gute 1000 Hektar verlieren würden.

Tatsächlich ist der Flughafenausbau aber nicht Ihr einziges Thema. Gibt es Erfolge für den Umweltschutz, die Sie sich ein bisschen auf die Fahne schreiben?

Ich war maßgeblich mit beteiligt am Widerstand gegen den Transrapid. Der hätte nicht nur zur Umweltzerstörung speziell in den Isarauen beigetragen, das wäre auch eine gigantische Geldverschwendung gewesen. Beim Kampf gegen den Donauausbau war ich heftig mit dabei, ich war in Wackersdorf, aber in die Politik gegangen bin ich schon wegen dem Münchner Flughafen, in den 70er Jahren. Mein Hauptthema im Landtag war immer die Umwelt - und da ist leider noch einiges offen, zum Beispiel der dritte Nationalpark, den hätte ich schon gerne noch mit umgesetzt.

Wenn es wirklich zu diesen Überlegungen kommt: Können die Grünen in Bayern eine Koalition mit der CSU eingehen?

Das wird mit Sicherheit extrem schwierig. Man muss intensiv über die ganzen Fragen nachdenken, das tun wir auch. Und da steht ganz vorne die Startbahn, dazu gibt es einen fast einstimmigen Parteitagsbeschluss und bei uns muss ja ohnehin die Partei letztendlich darüber abstimmen. Das ist halt wirklich Sinnbild für den Flächenfraß, für Naturzerstörung, Artenschwund und Klimawandel, es gibt kaum ein Beispiel, wo alle Themen der Grünen so auf einen Punkt fokussiert werden wie bei der dritten Startbahn.

Sie wären also für eine Koalition?

Für Sondierungen. Mehr kann man momentan überhaupt nicht sagen. Es gibt ja auch noch andere große Themen, die Asyl- und Flüchtlingspolitik, wo es ganz erhebliche Differenzen zwischen CSU und uns gibt, auch im Bildungssektor oder in der Landwirtschaftspolitik - beim Glyphosat, da könnte es extrem schwierig werden, weil das ja die Kernklientel der CSU ist.

Und es ist wirklich nicht hart, da nicht mitgestalten zu können?

Naja, wenn es zu Sondierungen kommt, werde ich sicherlich im Hintergrund agieren, bei der Beratung der Vorschläge und so, da bin ich mit dabei, da gehe ich schon davon aus.

Was war der schönste Moment im Landtag? Der Verdienstorden?

Naa. Ein bisschen der Abend im Kreisverwaltungsreferat, als klar war, dass wir den Münchner Bürgerentscheid gegen die Startbahn gewonnen hatten. Und natürlich der Einzug, als die Grünen 1986 als absolute Neulinge in dem damals ja auch etwas verkrusteten Parteiensystem erstmals in den Landtag eingezogen sind, dass wir das geschafft haben, das war schon ein Wahnsinnserlebnis. Denn es war absolut nicht sicher gewesen, dass wir die fünf Prozent-Hürde schaffen.

Hatten Sie Turnschuhe an?

Nein, ich war nie Turnschuhträger, aber schon so einen labbrigen Pullover . . .

Wie sieht das erste halbe Jahr jetzt im Ruhestand aus?

Ich möchte mir mal die Wiesenbrüterbestände der FMG anschauen, das wird ein Spaß, so ganz werden die keine Ruhe haben vor mir, auch nicht, was die Entwicklung der Fluggastzahlen angeht - es sei denn, wir können den Aktendeckel Flughafen in ein paar Wochen zumachen.

Irgendwas, was Sie Markus Söder noch mit auf den Weg geben wollen?

Wir wissen ja nicht, ob er bleibt.

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