Wissenschaft:Bayerisch-Chinesische Energiewende

Lesezeit: 2 Min.

PV-Anlagen auf den Schwaiger Dächern, wohin man schaut. Ein Forschungsprojekt widmet sich dem Potenzial für die Energiewende im Oberdinger Ortsteil Schwaig und im 8000 Kilometer entfernten chinesischen Dongquiaotou. (Foto: Stephan Görlich)

Die Oberdinger Ortschaft Schwaig ist Teil eines Forschungsprojekts der Uni Wuppertal. Es geht unter anderem um den Ausstieg aus dem Kohlestrom. Parallel zu Schwaig wird ein Dorf in China untersucht. Zwischen den Probanden liegen Welten - oder doch nicht?

Von Regina Bluhme, Oberding

Die kleine bayerische Gemeinde Schwaig und das chinesische Dorf Dongquiaotou liegen über 8000 Kilometer von einander entfernt. Zwei etwa gleich große Gemeinden, aber zwei unterschiedliche Welten - und somit ein interessantes Forschungsobjekt für die Universität Wuppertal. Der dortige Lehrstuhl für Elektrische Energieversorgungstechnik untersuchte im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, wie es denn um die Energieversorgung oder E-Mobilität steht und welches Potenzial sich für Erneuerbare Energien auftut. Wie Schwaig in das international besetzte Projekt gekommen ist? Das hat viel mit einem intelligenten Stromverteilungsnetz zu tun.

Michael Popp, stellvertretender Leiter des Lehrstuhls für Elektrische Energieversorgungstechnik, hatte im Juni 2021 das Projekt im Gemeinderat Oberding vorgestellt. Dann startete eine Umfrage an alle Haushalte in Schwaig (1140 Einwohner) unter anderem über ihren Energieverbrauch oder das Mobilitätsverhalten. "Schwaig steht, was zum Beispiel PV-Anlagen betrifft, schon recht weit und steht wirklich sehr gut da", erklärt nun Michael Popp auf Nachfrage der SZ. Im Sommer sei der Ort praktisch 100 Prozent autark.

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Während für den jährlichen Kohleverbrauch beim chinesischen Vergleichsdorf (1832 Einwohner) 41,54 Prozent ermittelt wurden, heißt es bei Schwaig: "none", also Null Prozent. Aber auch das hat die Studie ergeben: In Schwaig besitzen 99 Prozent der Haushalte ein Auto, in Dongquiaotou sind es 49,33 Prozent.

Es gibt also große Unterschiede zwischen dem bayerischen und dem chinesischen Ort. Während in Deutschland der Energieverbrauch relativ konstant bleiben werde, so Popp, werde in China, das ja immer noch im Aufbau der Industrialisierung sei, der Verbrauch "weiter exorbitant ansteigen". Das bedeute, dass China weiterhin auf einen fossilen Mix, also den Bau von Kohle- und Atomkraftwerken setzen müsse, um die Kapazitäten zu erfüllen. Gleichwohl aber würden auch PV-Anlagen errichtet, zum Beispiel für die Versorgung von ländlichen Ortschaften, die erst jetzt Stromnetze erhalten. Deswegen biete gerade der ländliche Raum, in Bayern und in China, ein großes Potenzial für Erneuerbare Energien.

Essenziell sind intelligente Netzleitsysteme, wie die in Schwaig

Essenziell sind laut Michael Popp aber intelligente Netzleitsysteme. Und hier kommt wieder Schwaig, und vor allem das örtliche E-Werk Schweiger, ins Spiel. Das Elektrizitätswerk Schweiger betreibt in der gesamten Gemeinde Oberding, zu der Schwaig gehört, ein lokales Stromverteilungsnetz. Franz Schweiger betreibt mit seinem Cousin Fritz Schweiger vier Wasserkraftwerke, das fünfte befindet sich in Baden-Württemberg.

Durch den rasanten Photovoltaikausbau der vergangenen Jahre sei bereits an verschiedenen Stellen des Niederspannungsnetzes die Kapazitätsgrenze erreicht worden, erklärt Franz Schweiger. Aufgrund dieser Engpasssituation hatte das E-Werk Schweiger vor mehreren Jahren mit der Spie/SAG, der Bergischen Universität Wuppertal sowie dem Softwareunternehmen "adapted solution" in einer Kooperation zwischen Industrie, Wissenschaft und Mittelstand das Projekt auf den Weg gebracht.

Das Schwaiger Unternehmen verwendet ein Smart Grid, also ein intelligentes Leitsystem, das selbständig die Einspeisung in das Netz überwacht, steuert und ausgleicht und somit den Bau von immer größeren Leitungen unnötig macht. Für Flexibilität sorgten zum Beispiel auch "die zuverlässig zur Verfügung stehenden Kleinwasserkraftwerke", fügt Franz Schweiger hinzu.

Gerade ländliche Gebiete haben ein großes Potenzial, in Bayern und in China

Das Forschungsprojekt der Universität Wuppertal trägt den Namen "Pursuing a low-carbon rural energy transition in China and Germany" (English), also "Auf dem Weg zu einer kohlestoffarmen Energiepolitik in China und Deutschland". Trotz aller Unterschiede in der wirtschaftlichen oder energiepolitischen Entwicklung, so habe sich doch gezeigt, dass in beiden Ländern gerade kleinere Ortschaften und ländliche Gebiete großes Potenzial für die Umsetzung der Energiewende besitzen, heißt es in der Zusammenfassung der Studie.

Das Forschungsprojekt ist inzwischen abgeschlossen und in beiden Ländern auch auf Ministerebene vorgestellt worden. Die Ergebnisse sind im Internet unter dem Link https://www.energypartnership.cn/home/rural-energy-transition-research-in-germany-and-china/ kostenlos einsehbar - auf Englisch und auf Chinesisch.

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