Charlotte Knobloch in Freising:Wachsende Unsicherheit

Charlotte Knobloch in Freising: 400 Schüler hörten aufmerksam zu, als Charlotte Knobloch im Camerloher Gymnasium in Freising über die aktuelle politische Situation sprach.

400 Schüler hörten aufmerksam zu, als Charlotte Knobloch im Camerloher Gymnasium in Freising über die aktuelle politische Situation sprach.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern spricht in Freising mit den Schülern über den Antisemitismus im Land

Von Nadja Tausche, Freising

Die aktuelle politische Lage im Land und die Biografie von Charlotte Knobloch sind am Donnerstag Thema im Camerloher-Gymnasium gewesen. Auch Antisemitismus in Deutschland, heute und in der NS-Zeit, spielte eine Rolle, als sich die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, den Fragen der Schüler stellte. Etwa 400 Schüler waren dafür in der Aula zusammengekommen, schätzte Lehrerin Silke Hatzinger, alle Schüler von der neunten bis zur zwölften Klasse.

Thema war dabei unter anderem die politische Stimmung im Land. Auf die Rolle der AfD angesprochen, sagte Knobloch, diese sei keine demokratische Partei und bringe "einen bitteren Geschmack auf, der einfach nicht aufkommen darf". Sie fügte an, sie fühle sich von den aktuellen Demonstrationen im Land an 1928 erinnert, "als so viele Menschen auf die Straße gegangen sind". Statt zu demonstrieren, solle man sich lieber mit den Parteianhängern an einen Tisch setzen und diskutieren. Zum Thema Antisemitismus fragte eine Schülerin Knobloch nach den Aufgaben eines Antisemitismus-Beauftragten. Knobloch erwiderte: "Für was braucht ein freiheitlich demokratisches Land einen Antisemitismus-Beauftragten?" Das sei zwar schade, aber notwendig. Denn in Deutschland gebe es auch heute noch das Problem des Judenhasses. Er komme aus "allen politischen Lagern und Gruppen", so Knobloch, und nehme sogar zu. "Es gibt deswegen eine wachsende Unsicherheit bei jüdischen Menschen", sagte sie weiter und bezeichnete dies als eine von zahlreichen Fehlentwicklungen im Land.

Besonders interessierten sich die Schüler für die Biografie ihres Gastes. Als Kind kannte sie den Begriff "Jude" nicht, erzählte Knobloch. Irgendwann durften die anderen Kinder dann nicht mehr mit ihr spielen: Seitdem bedeute der Begriff Jude für sie etwas Negatives. Die letzten drei Kriegsjahre habe ihr Vater sie aus München weg und in ein kleines Dorf gebracht, erzählte sie weiter. Nach dem Krieg habe sie nicht mehr zurückgewollt. "Ich wollte nicht zurück nach München, wollte nicht die Kinder sehen, die mich angespuckt hatten", so Knobloch. Als eine Schülerin wissen wollte, ob sie die Geschichte beim Erzählen immer noch belaste, sagte sie: Ja, aber man müsse darüber reden, vor allem auch mit jungen Leuten: "Ihr habt die Verantwortung für die Zukunft." Einen Lacher sicherte sich Knobloch, als ein Schüler sie fragte, ob sie sich als Jüdin in Deutschland heute sicher fühle. Ja, antwortete sie: "Gott sei Dank, der bayerische Staat gibt mir die Sicherheit" und zeigte auf den Securitymitarbeiter seitlich an der Bühne.

Knobloch richtete aber auch einen ernsten Appell an die Schüler. "Wenn ihr mal wahlberechtigt seid: Wählt demokratische Parteien", sagte sie. Knobloch verwies auch auf die Entwicklung des Landes und sagte, die Schüler sollten "stolz sein auf Deutschland". Es sei bemerkenswert, was Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aus sich gemacht habe.

Diesen Aspekt habe sie an der Veranstaltung am spannendsten gefunden, sagte die Schülerin Johanna aus der neunten Klasse später. Sie habe das Gefühl, die Deutschen seien nicht besonders stolz auf ihr Land. Leopold findet es vor allem wichtig, über die nationalsozialistische Vergangenheit zu reden, um sie nicht zu vergessen. Das werde aber im Unterricht sehr oft gemacht, betonte Lehrerin Hatzinger: Die neunten Klassen würden demnächst in die KZ-Gedenkstätte nach Dachau fahren, und auch sonst spiele das Thema an der Schule eine große Rolle.

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