Bürgermeisterwahl in Eching:Tiraden eines Außenseiters

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"Opportunistin", "Illusionist": Im Vorfeld der Echinger Bürgermeisterwahl teilt ausgerechnet FDP-Urgestein Müller-Saala gehörig aus - obwohl seine Partei keinen Kandidaten ins Rennen schickt.

Klaus Bachhuber

Den pointiertesten Wahlkampf hat bisher die FDP betrieben. Die Bürgermeisterkandidatin der SPD, Anette Martin, sei "eine phantasiebegabte, aber realitätsferne Sozialdemokratin", hat Heinz Müller-Saala, Ortsvorsitzender und Gemeinderat der FDP, in einer heiß diskutierten Publikation postuliert. Otmar Dallinger, der Bewerber der Freien Wähler, wurde darin "ein Illusionist" geheißen und Irena Hirschmann, unabhängige Kandidation der "Bürger für Eching", ganz pauschal "eine Opportunistin".

FDP-Urgestein Heinz Müller-Saala hat bisher den pointiertesten Wahlkampf betrieben - und legt damit die Konsensfalle offen, in die die anderen Parteien getappt sind. (Foto: region.frs)

Faszinierend daran ist vor allem, dass die FDP gar nicht mitmacht bei der Bürgermeisterwahl am 4. Juli. Als einzige der am Ort registrierten politischen Parteiungen stellen die Liberalen keinen Kandidaten, so dass ihr Urgestein Müller-Saala seine Begeisterung über Amtsinhaber Josef Riemensberger (CSU) unverhohlen ausleben kann, in Elogen, anhand derer Leserbriefschreiber auf Echings Asphalt schon Schleimspuren von Müller-Saalas Anwesen zum Rathaus identifizieren können.

Die Tiraden des Außenseiters legen aber immerhin eine Misere offen, die in diesem Wahlkampf drastisch zutage tritt. Der Echinger Gemeinderat, dem Martin und Dallinger seit Jahren angehören, hatte sich allmählich unrettbar in einer Konsensfalle verstrickt. Die höchste Kunst kommunalpolitischen Mühens, Entscheidungen für die Allgemeinheit in einem allgemeinen Konsens zu treffen, war über die Jahre im Echinger Rathaus derart zur Perfektion getrieben worden, dass über dem hehren Ziel der Weg dahin verkümmerte: die politische Diskussion, aus der Ideen, Ziele und Projekte erst entstehen können.

Ein Höhepunkt der Sprachlosigkeit war mit dem Hollerner See erreicht. Sechs Jahre lang hat über eine Zukunftsplanung von doch einiger finanzieller und struktureller Bedeutung kein politischer Mensch eine Silbe verloren. Verfahrensschritt für Verfahrensschritt wurde debattenlos abgenickt. All die Bedenken an dem Projekt, die im Frühjahr 2010 von den Bürgermeisterwahlkämpfern plötzlich ganz beachtenswert gefunden werden, seit bei einer Versammlung an die 300 Wählerstimmen ihren Unmut artikulierten, hatten sie sechs Jahre lang in keinem Halbsatz angemerkt.

Alles wird durchgewunken, alles ohne Debatte. Die Freien Wähler beispielsweise sehen seit Anbeginn der Planung das Feuerwehrhaus am falschen Platz - doch sie tragen jeden Beschluss für das Bauprojekt mit, weil die Beschlusstexte im Zweifel immer wieder so durch die Konsensmühle gedreht werden, dass man irgendwie dafür sein kann und die heilige Einmütigkeit wieder hergestellt ist.

Das Thermenprojekt wurde speziell durch diesen Umgang an die Wand gefahren. Und eine Bürgermeisterkandidatin Hirschmann wurde auch erst ins Rennen gespült durch dieses allgemeine Unbehagen an der Konturlosigkeit, das sich mangels kontroverser Debatten im Rathaus außerhalb organisierte: in einer Bürgerinititive zum Verkehr, in einer Bürgerinitiative zum Hollerner See.

Anette Martin und Otmar Dallinger versuchen, dieses Dilemma nun spitzfindig auszugleichen. Martin stellt ihre Kampagne unter das Motto, dass "mehr möglich" sei, womit sie all die von ihr mitgetragenen Maßnahmen Riemensbergers der letzten Jahre nicht grundsätzlich angreift. Und Dallinger stellt heraus, dass er einen anderen Politstil fahren würde, was inhaltlich zumindest auch nichts desavouiert, wofür er selbst jahrelang die Finger gehoben hat.

Ist es alternativlos, das Geld der Gemeinde so zu bewirtschaften, wie Bürgermeister Riemensberger das tut? Müssen bei Bauanträgen alle denkbaren Belange grundsätzlich nachrangig sein gegenüber den Wünschen des Bauherren? Hat eine Gemeinde, die seit ein paar Jahren an die acht Millionen Euro in Ausbau, Umbau und Sanierung ihrer Schule stecken kann, langfristig keine acht Millionen Euro für eine Umgehungsstraße? Wie all diese Fragen beantwortet werden, ist nicht das Thema; verblüffend ist nur, dass sie im Gemeinderat nie gestellt wurden. Beim Hollerner See wurden die Gemeinderäte durch die von Unterschleißheim ausstrahlenden Aktivitäten zum Jagen getragen. Vielleicht trägt nun der Wahlkampf dazu bei, die Lethargie in Echings politischer Debatte etwas aufzubrechen.

© SZ vom 16.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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