Buch:Saumäßig gesund

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Meerrettich statt Medizin: Seit die Schweine von Eduard und Irene Hamburger täglich eine Portion der scharfen Wurzel ins Futter bekommen, geht es ihnen tierisch gut

Von Regina Bluhme, Buch

Glücksschweine stehen zu Neujahr hoch im Kurs. Das Ehepaar Irene und Eduard Hamburger aus Mitterbuch besitzt einen ganzen Stall voll glücklicher Schweine. Die Tiere in ihrem Zuchtbetrieb werden schon seit Jahren nicht mehr mit Hormonen behandelt, auch Antibiotika kommen so gut wie nie zum Einsatz. Statt Medikamenten wird den Tieren Meerrettich ins tägliche Futter gemischt. Die Hamburgers schwören auf die Heilkräfte des Wurzelgemüses. Und nicht nur sie. Mittlerweile erhält die ausgebildete Heilpraktikerin Irene Hamburger Anfragen von Landwirten und Tierzüchtern aus ganz Deutschland, aus Österreich und der Schweiz.

"Museumsviertel" nennt Eduard Hamburger scherzhaft die hölzerne Scheune auf seinem Anwesen, an deren verwitterter Wand lederne Halfter und zusammengebundene Zwiebeln zum Trocknen hängen. Als Hamburger den Hof vom Vater übernommen hat, wurde dort traditionelle Landwirtschaft betrieben. Später hat sich Eduard Hamburger auf Schweinezucht spezialisiert. "Es war halt üblich, den Tieren Hormone zu spritzen und Antibiotika zu verabreichen", berichtet er. Auch auf seinem Hof. Medikamente kamen vor allem bei den Ferkeln zum Einsatz, wenn sie von Muttermilch auf Getreidefutter umgestellt wurden. "Denn oft haben die Tiere anschließend Probleme mit der Verdauung", sagt Hamburger. Dann kam seine Frau auf die Idee mit dem Meerrettich.

Alles begann 2003 mit einer Fahrt nach Österreich. Irene Hamburger war mit dem Fleischerzeugerring unterwegs und besichtigte unter anderem einen Betrieb für den Anbau und die Verarbeitung von Meerrettich. "Da hörten wir von der tollen Heilkraft des Meerrettichs, sowohl für Mensch als auch Tier", erzählt Irene Hamburger, "ich war fasziniert". Sie erinnerte sich daran, "dass zu Hause Meerrettich seit jeher rund um den Hof wächst." Sie begann mit den ersten Versuchen, mischte getrocknete Wurzeln in Pulverform unter das Futter ihrer Tiere, probierte unterschiedliche Dosierungen aus.

Ehemann Eduard wusste zunächst nichts davon, wunderte sich aber bald, "dass die Tiere viel lebendiger waren und schöner aussahen". Ein glückliches Schwein ist nämlich an seiner rosaroten Farbe zu erkennen, betont der Züchter, "ein Zeichen, dass der Stoffwechsel und Eisengehalt in Ordnung sind". Darüber hinaus fiel ihm auf, dass die Schweine weniger schreckhaft waren und mehr grunzten, auch ein Ausdruck für Wohlbefinden. Schließlich rückte Irene Hamburger mit der Wahrheit heraus. Ihr Mann war vom Meerrettich bald restlos überzeugt.

Meerrettich stärkt die Widerstandskräfte und die Vitalität der Tiere, betont Irene Hamburger. "Unsere Schweine sind kaum krank." Wenn mal ein Schwein tatsächlich Husten oder Schnupfen erwischt habe, erhöht sie ein wenig die Meerrettich-Dosis. "Dann ist es auch bald wieder gut." Antibiotika kommen auf den Hof so gut wie gar nicht mehr zum Einsatz, sagt Eduard Hamburger. Außerdem hat er festgestellt, dass Meerrettich die Fruchtbarkeit der Tiere erhöht hat. Hormone spritzen? Nicht nötig: "Unser Hormon ist der Meerrettich", sagt die Bäuerin. Seit sie die Wurzel zufüttert, geben die Muttersauen auch mehr Milch. "Außerdem kurbelt Meerrettich den Stoffwechsel an und hilft bestens bei Verdauungsproblemen." Zugleich wird der Appetit der angeregt, "die Ferkel wachsen besser", weiß Eduard Hamburger. Zusätzlich bekommen die Schweine auf dem Hamburger-Hof eine tägliche Ration Milchsäurebakterien ins Futter. "Diese gesundheitsfördernden Bakterien halten zusätzlich die Darmflora intakt und das ist wichtig für eine gute Gesundheit", betont Irene Hamburger.

Zwischen drei bis fünf Kilo Meerrettich wird einer Tonne Trockenfutter beigemischt. Das Pulver der Wurzel beziehen die Hamburgers aus der Steiermark. Für den Hausgebrauch hat sich Irene Hamburger hinter dem Haus einen kleinen Kräutergarten mit Ringelblumen, Schöllkraut, Pfefferminze und Meerrettich angelegt: "Uns Menschen tut der Meerrettich auch gut, er schützt uns vor Krankheiten." Sie mischt die Wurzel auch in Suppen, ins Sauerkraut oder in Tee. In ihrer Praxis in Mitterbuch behandelt sie Mensch und Tier ebenfalls mit Meerrettich. Nicht nur Schweine profitierten von der Wurzel. Zur Kundschaft zählen alle Tierarten, wie beispielsweise Rinder, Schafe, Hähnchen, Hühner, Pferde. "Aber auch die Lieblingstiere von Kindern wie Kaninchen, Hunde, Katzen oder Vögel gehören dazu."

Irene Hamburger hat sich einen Namen als Meerrettich-Expertin gemacht. Sie gibt mittlerweile Naturheilkunde-Seminare. Erst vor kurzem war sie als Referentin zu einer Schweinefachtagung in Ulm eingeladen. Ihr Thema: "Meerrettich in der Tierzucht". Inzwischen erhält sie Anfragen von Landwirten und Züchtern von der Nordsee bis nach Straßburg. Eduard Hamburger kennt das schon: Wenn seine Frau wieder einmal Hochdeutsch am Telefon spricht, "dann weiß ich, da will wieder einer von auswärts was über Meerrettich wissen", erzählt er schmunzelnd. Und das ist ziemlich oft der Fall. Das Interesse von Landwirten an dem Wurzelgemüse werde immer größer, sagt Irene Hamburger. "Zum Glück für die Tiere".

© SZ vom 02.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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