Bruck:Schon da, wo andere hinmüssen

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Bis 2030 will der Landkreis Ebersberg frei von fossilen und anderen endlichen Energieträgern sein. Wie könnte das gehen? Die Gemeinde Bruck macht's vor. Ein Besuch

Von Karin Pill, Bruck

Strom aus regenerativen Energiequellen da erzeugen, wo er gebraucht wird. Diese Vision hat Hans Zäuner schon lange Jahre begeistert. "Strom aus Sonne zu gewinnen ist schon echt gut. Aber nachts oder im Winter geht da eben nichts", fasst Zäuner knapp zusammen, warum er sich schließlich für Windkraft engagierte. Zusammen mit 16 anderen Familien plante er vor rund zehn Jahren den Bau eines Windrades in ihrer Heimat Osterkling, einem Ortsteil von Bruck. Im Dezember 2016 wurde das Windrad dann ans Stromnetz angeschlossen.

Damit sorgen Zäuner und die Mitinhaber des Windrades sowie einige andere Bruckerinnen und Brucker dafür, dass der Ort ein echtes Vorzeigemodell in Sachen Energiewende im Landkreis ist. Im Jahr 2018 wurde in der 1293-Einwohner-Gemeinde mehr als zweimal soviel Strom aus erneuerbaren Energien produziert wie die Bewohner selbst verbrauchen, genau 238,9 Prozent waren es. Damit bringt Bruck den Landkreis Ebersberg seinem Ziel, 2030 frei von fossilen und anderen endlichen Energieträgern zu sein, ein Stückchen näher.

Als der 47-jährige Zäuner im Jahr 2011 beim Kinderfasching mit anderen ortsansässigen Vätern ins Gespräch über die Energiewende kam, waren Starkregen oder Dürreperioden noch Ausnahmen, die Nuklearkatastrophe in Fukushima sollte sich erst wenige Monate später ereignen. Dennoch war den Osterklingern damals schon klar, dass sie ihren eigenen Strom vor der Haustüre produzieren wollten, um etwas zu verändern. Nach zahlreichen Besuchen anderer Windräder, Hindernissen wie Bürgerinitiativen oder auch einem langwierigen Genehmigungsprozess läuft das Hamberger Windrad nun seit fünf Jahren rund.

Hans Zäuner. (Foto: Christian Endt)

Die Investition von 3,7 Millionen Euro hat sich für die 16 Familien gelohnt. Noch liegt die jährliche Gewinnausschüttung aus dem Kapitalertrag bei vier Prozent. Wenn das Projekt aber schuldenfrei ist - in etwa 14 Jahren schätzt Zäuner - könne es eine höhere Gewinnausschüttung geben. Bis dahin wird sich das Windrad mit seinen 138 Metern Höhe an der Nabe noch häufig im stürmischen Wind drehen.

Und genau den braucht es, damit das Windrad den meisten Strom erzeugt. Im Schnitt sind es rund 3,4 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr, je nach Wind. 46,5 Prozent Anteil am Verbrauch Brucks erzeugte das Hamberger Windrad im Jahr 2018.

Zäuner, der als selbständiger Unternehmer im Erd- und Landschaftsbau tätig ist, ist damit sehr zufrieden. Bei leichtem Regen steht er vor dem Windrad und sieht hinauf. Schon von außen schaut das Windrad gigantisch aus. Doch sein Inneres, ein Hohlraum, an dessen Seitenwand man bis ganz nach oben in die Kabine klettern könnte, unterstreicht die Höhe noch einmal ganz besonders. "In meinen Augen haben wir keine andere Möglichkeit, als lokalen Strom zu erzeugen", sagt Zäuner, der selbst ein Elektroauto fährt. Er wünscht sich mehr Wertschätzung für regionalen Strom und auch mehr Windräder in der Region.

Trotzdem gibt es eine Crux beim Strom durch Wind oder etwa Sonne. Photovoltaikanlagen oder Windräder können nicht bei jeder Wetterlage Strom erzeugen. Wenn es aber regnet oder kein Wind pfeift, braucht es Alternativen. Hier kommen Biogasanlagen wie beispielsweise die von Hans Pröbstl ins Spiel.

"Wenn mehr Strom gebraucht wird, wird unser Motor automatisch hochgefahren", erklärt der 52-jährige Alxinger. Mit drei weiteren Landwirten ist Pröbstl Gesellschafter einer Biogasanlage, wenige hundert Meter von seinem Hof entfernt. Zusammen besitzen die Landwirte rund 100 Hektar Land. "Darauf bauen wir Gerste, Roggen, Hirse und auch Silomais an", so Pröbstl. Die anderen 50 Prozent der Biomasse, die in ihrer Anlage vergoren werden, sind Gras aus dem Brucker Moos. Lokaler geht es also auch hier kaum.

In Arbeitshose und Hemd steht Pröbstl zwischen Silage, also dem Substrat, das in die Anlage kommt, den zwei Fermentern und dem Endlager. Die Höcker auf den jeweiligen Behältern verleihen der Biogasanlage ihr markantes Aussehen. So sind die Biogasanlagen oft schon von weit weg sichtbar. Unter ebendiesen Höckern brodelt es gewaltig, wie Pröbstl erklärt. Er zeigt auf einen der Fermenter. "Der ist auf 43 Grad aufgeheizt, so haben wir einen optimalen Nährboden für die Bakterien." Dabei entsteht dann Methan. "Das ist der wichtigste Teil." Vom Endlager gelangt das Methan über eine Gasleitung zum Motor, wo es dann verbrannt wird. "Durch den Generator entsteht schließlich Strom."

Pröbstl sagt, dass es neben seiner noch zwei weitere Biogasanlagen in Bruck gibt. Zusammen erzeugten sie im Jahr 2018 rund 160 Prozent Anteil am verbrauchten Strom in Bruck.

Obwohl Pröbstl seine Anlage in- und auswendig kennt, hat der Landwirt sich dieses Wissen ausschließlich über Schulungen und Lektüre angeeignet. Im Jahr 2009 haben er und seine Mitgesellschafter die Biogasanlage gebaut, 2010 ging sie in Betrieb. Seitdem erzeugt sie circa drei Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr. Den Strom verkaufen die Eigentümer an ein regionales Energieversorgungsunternehmen, die erzeugte Wärme leiten sie über ein 800 Meter langes Nahwärmenetz an 16 Anschlüsse in Alxing, darunter auch an den Kindergarten und die Schule.

In dieser Art der Doppelnutzung sieht Pröbstl einen der größten Vorteile seiner Biogasanlage. "So haben wir eine regenerative Wärmequelle im Ort und einen konstanten Ausgleich zu Strom aus Windrad oder Photovoltaik." Doch Pröbstl weiß genau, dass es auch viel Kritik um die Biogasanlagen gibt: Förderung einer Mais-Monokultur, Flächenverbrauch und -versiegelung sowie die Tatsache, dass das Biogasanlage-Potenzial vielerorts bereits erschöpft ist, das sind die Hauptargumente. "Unsere Philosophie ist Regionalität. Die Dauerwiese im Brucker Moos ist immer vorhanden. Auf den Feldern achten wir auf eine Fruchtfolge durch Getreide und Klee." Teile des Substrats, die zugekauft werden müssen, kommen aus dem gerade einmal 13 Kilometer entfernten Oberpframmern.

Wenn Pröbstl doch einmal etwas weiter weg von Alxing ist, in München etwa, dann kann er zwar aus der Ferne nicht die Höcker seiner Biogasanlage sehen. Aber durch das hoch aufragende Windrad "sieht man immer, wo man zu Hause ist. Das ist echt eine Bereicherung".

© SZ vom 24.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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